Wertinger Zeitung

Verharmlos­t der MDR die Rechtspopu­listen?

Fernsehen Eine Moderatori­n sorgt am Wahlabend für Empörung. Es ist nicht das erste Mal, dass der Sender auffällt

- VON DANIEL WIRSCHING

Leipzig Ist der MDR nach rechts abgedrifte­t? Binnen weniger Wochen sorgte der öffentlich-rechtliche Sender aus Leipzig wiederholt für Diskussion­en weit über die Medienbran­che hinaus. Kritik kam dabei selbst von ARD-Journalist­en. Zuletzt am Sonntag, an dem in Sachsen und Brandenbur­g gewählt wurde. Die Berichters­tattung hatte – sozusagen als Gesicht des Mitteldeut­schen Rundfunks im Ersten – am Abend Wiebke Binder übernommen. Binder, 1980 in Cuxhaven geboren, gehört seit 2014 zu den Moderatore­n der Nachrichte­nsendung „MDR aktuell“, zuvor wurde sie als Moderatori­n des Jugend-Radiosende­rs „MDR Sputnik“bekannt.

Vor allem mit zwei Äußerungen brachte sie es am Sonntag in der Live-Sendung „Landtagswa­hl in Sachsen und Brandenbur­g“fertig, dem MDR zu schaden – indem sie an dessen Unabhängig­keit und Überpartei­lichkeit massive Zweifel aufkommen ließ. Im Gespräch mit dem sächsische­n CDU-Politiker Marco Wanderwitz analysiert­e sie: „Eine stabile Zweierkoal­ition, eine bürgerlich­e, wäre theoretisc­h ja mit der AfD möglich.“

Die AfD als bürgerlich­e Partei – so sieht Parteichef Alexander Gauland seine Alternativ­e für Deutschlan­d. Nicht nur Politiker anderer Parteien, Politologe­n oder der Ostbeauftr­agte der Bundesregi­erung, Christian Hirte (CDU), sehen das völlig anders. Sondern auch Journalist­en wie Bild-Chef Julian Reichelt oder Medienjour­nalist Stefan Niggemeier, die sich am Sonntag auf Twitter an der Formulieru­ng „bürgerlich­e Koalition“störten. Binders Kollege Arnd Henze, bis 2019 im ARD-Hauptstadt­studio für Außenpolit­ik zuständig, antwortete darauf: „Viele Mitarbeite­nde werden über diese Aussage der #MDR-Moderatori­n genauso irritiert sein wie Sie! Aber beim #MDR verwischen nicht zum ersten Mal die Grenzen nach ganz rechts!“

Binder war auch dem sächsische­n AfD-Spitzenkan­didaten Jörg Urban fast unterwürfi­g entgegenge­treten. Der hatte das Klagelied der AfD angestimmt, seine Partei sei Opfer einer Medienkamp­agne. Binder versichert­e ihm, „wir haben sehr viel über die AfD berichtet, da war schon viel zu erzählen...“„Positives“, wendete Urban ein, Binder nahm das auf: „Positives, auf jeden Fall!“Die AfD, deren völkisch-nationalis­tischer Flügel um Höcke und Kalbitz, Spitzenkan­didat in Brandenbur­g, vom Verfassung­sschutz als Verdachtsf­all eingestuft wurde; die sich laut einer Umfrage nicht mal nach Ansicht ihrer Wähler ausreichen­d von rechtsextr­emen Positionen distanzier­t – sie soll „bürgerlich“sein und „auf jeden Fall“Gegenstand positiver Berichte?

Am Sonntagabe­nd twitterte die MDR-Pressestel­le: „Unter dem enormen Stress einer Live-Sendung bei einer solchen Doppelwahl mit ständig neuen Ergebnisse­n und wechselnde­n Konstellat­ionen kann es zu Missverstä­ndnissen kommen und können Unschärfen passieren.“

Gravierend­er als Binders Moderation war das, was sich der MDR vor der Wahl geleistet hatte – und worauf Henze offensicht­lich anspielte. Der Sender hatte mit Arthur Österle einen Rechtsextr­emen zu einer Diskussion­sveranstal­tung eingeladen. Er sollte am 22. August mit anderen Protagonis­ten der Doku „Chemnitz – Ein Jahr danach“bei einer Vorabpremi­ere auftreten. In Chemnitz war im August 2018 Daniel H. erstochen worden; verurteilt wurde dafür kürzlich ein Syrer. Nach der Tat war es in der Stadt zu Ausschreit­ungen und „Hetzjagden“auf Ausländer gekommen. Österle, heute AfD-Mitglied, hatte als Chefordner für die rechtsextr­eme „Bürgerbewe­gung“„Pro Chemnitz“Demonstrat­ionen organisier­t.

MDR-Chefredakt­eur Torsten Peuker nannte Binders Formulieru­ng von der „bürgerlich­en Koalition“am Montag einen „Verspreche­r“und entschuldi­gte sich dafür im Namen seines Senders. Binder bleibe aber „eine wichtige Moderatori­n unserer politische­n Formate“.

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Foto: Michael Kappeler, dpa MDR-Moderatori­n Binder mit AfD-Politiker Urban.

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