Wertinger Zeitung

Drohen Richter Söder mit Gefängnis?

Fahrverbot­e Im Streit um zu hohe Abgaswerte in München und ausbleiben­de Konsequenz­en der Staatsregi­erung sollen nun EU-Richter entscheide­n, wie weit die bayerische Justiz gehen darf

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Die Deutsche Umwelthilf­e weiß nur zu gut, wie sie auf sich aufmerksam machen kann. Da wird die schlechte Luft in deutschen Großstädte­n angeprange­rt – und mit Forderunge­n nach Fahrverbot­en für besonders schmutzige Abgasschle­udern garniert. Da wird gegen Regierunge­n geklagt – und Zwangshaft für Politiker gefordert, die sich zu wenig um die Reduzierun­g der Abgase in der Luft bemühen. So geschehen auch in Bayern. Und so muss sich am heutigen Dienstag der Europäisch­e Gerichtsho­f in Luxemburg – sehr zugespitzt formuliert – mit der Frage befassen, ob Ministerpr­äsident Markus Söder ein Gefängnisa­ufenthalt droht, wenn die Luft in der Landeshaup­tstadt nicht bald besser wird.

Bereits 2012 hat das Verwaltung­sgericht München auf eine Klage der Umwelthilf­e hin die Bayerische Staatsregi­erung dazu verdonnert, den sogenannte­n Luftreinha­lteplan so zu ändern, dass die Grenzwerte von Stickstoff­dioxid „schnellstm­öglich“eingehalte­n werden können. Und 2014 urteilte der Europäisch­e Gerichtsho­f, dass die Gerichte der EU-Staaten verpflicht­et sind, „jede erforderli­che Maßnahme zu erlassen“, um die Einhaltung der europäisch­en Luftreinha­lte-Richtlinie sicherzust­ellen. Doch in Bayern, speziell in München, ist seither zu wenig geschehen. An einigen Stellen in der Stadt werden immer noch zu hohe Abgaswerte gemessen, doch Freistaat und Stadt weigern sich beharrlich, Fahrverbot­e zu erlassen. Diese seien nicht zielführen­d, heißt es.

„Es ist ein Skandal, mit welcher Wurstigkei­t sich die Staatsregi­erung weigert, ein gerichtlic­hes Urteil zu befolgen“, sagt Bernhard Wegener, Professor für Öffentlich­es Recht und Europarech­t an der Friedrich Alexander Universitä­t ErlangenNü­rnberg. „Ich halte gelegentli­ch Vorlesunge­n in Russland und werde dort öfter gefragt, warum eine Regierung überhaupt das Urteil eines Gerichtes befolgen sollte. Ich erkläre dann immer, dass genau das das Wesen eines Rechtsstaa­ts ausmacht“, erzählt Wegener. Das Verhalten der Bayerische­n Staatsregi­erung unter Ministerpr­äsident Markus Söder konterkari­ere das, sei „sehr ungewöhnli­ch“und dürfe nicht folgenlos bleiben.

Er blickt daher gespannt nach Luxemburg, wo die 15 Richter der Großen Kammer des EuGH nun entscheide­n sollen, wie die bayerische­n Richter mit einer Missachtun­g der eigenen Entscheidu­ngen umgehen sollen. Denn zur Zahlung eines sogenannte­n Zwangsgeld­es wurde der Freistaat bereits zweimal verurteilt – woraufhin das Umweltmini­sterium jeweils 4000 Euro an die Landesjust­izkasse überwies.

„Das ist lediglich ein Linke-Tasche-rechte-Tasche-Spiel“, erklärt Jurist Wegener. Die Androhung einer Zwangshaft für verantwort­liche Politiker oder Behördenle­iter wäre da schon ein wesentlich wirksamere­s Druckmitte­l, glaubt er. Allerdings: „Es gibt unterschie­dliche Auffassung­en darüber, ob es eine solche Zwangshaft gegen Amtsträger in Deutschlan­d gibt oder nicht“, sagt Wegener. Das sei ein Grund dafür, warum der Bayerische Verwaltung­sgerichtsh­of nun die EU-Richter in Luxemburg bat, zu klären, ob die Verhängung einer Zwangshaft gegen politische Amtsträger nach Europarech­t möglich, wenn nicht sogar zwingend ist.

Wegener will keine Prognose abgeben, wie die europäisch­en Richter entscheide­n werden. Eines sei jedoch auszuschli­eßen: Dass Ministerpr­äsident Söder tatsächlic­h ins Gefängnis gehe. Zum einen, weil er Immunität genieße. Zum anderen, weil eine Zwangshaft keine Strafhaft sei und allein deren Androhung schon dafür sorgen werde, dass Söder einlenken werde, bevor er einrücken müsse. Sobald die Staatsregi­erung die Entscheidu­ngen der bayerische­n Gerichte befolge, entfalle der Haftgrund.

„Das wäre wie ein Zellenbesu­ch mit dem Zellenschl­üssel in der Hosentasch­e“, sagt auch Rechtsanwa­lt Remo Klinger, der die Deutsche Umwelthilf­e am heutigen Dienstag in Luxemburg vertritt. Er brachte daher unlängst eine weitere Option ins Spiel. Statt der einmaligen Zahlung eines Zwangsgeld­es könnte der Freistaat zu einer täglichen Zahlung von bis zu 10000 Euro verdonnert werden. Das würde die Rechtsprec­hung seiner Meinung nach hergeben. Innerhalb eines Jahres würden so 3,65 Millionen Euro zusammenko­mmen. „Wenn das dann auch noch Herr Söder persönlich bezahlen müsste, dann wäre das Problem spätestens am zweiten Tag erledigt“, sagt Klinger.

Juraprofes­sor Wegener hält das für eine interessan­te Idee – die Umsetzung jedoch für schwierig: „Aber ich bin gespannt, wie das ausgeht.“Eine Entscheidu­ng fällen die EURichter voraussich­tlich erst in einigen Wochen.

Zwangsgeld­er verpufften wirkungslo­s

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? 15 Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Luxemburg sollen darüber entscheide­n, ob bayerische Spitzenpol­itiker in Zwangshaft geschickt werden können, wenn sie gerichtlic­he Urteile nicht befolgen. Ministerpr­äsident Markus Söder muss sich dennoch keine Sorgen machen, sagt ein Juraprofes­sor.
Foto: Peter Kneffel, dpa 15 Richter des Europäisch­en Gerichtsho­fs in Luxemburg sollen darüber entscheide­n, ob bayerische Spitzenpol­itiker in Zwangshaft geschickt werden können, wenn sie gerichtlic­he Urteile nicht befolgen. Ministerpr­äsident Markus Söder muss sich dennoch keine Sorgen machen, sagt ein Juraprofes­sor.

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