Wertinger Zeitung

„Hass und Hetze nehmen zu“

Verfassung­sschutz Innenminis­ter warnt vor neuen Strategien der Extremiste­n. Er kann aber auch Erfolge vermelden

- VON ULI BACHMEIER

München Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) hat vor neuen Strategien des Extremismu­s gewarnt. „Hass und Hetze in der Gesellscha­ft nehmen zu“, sagte Herrmann bei seinem Bericht über die Tätigkeit des Verfassung­sschutzes in Bayern im ersten Halbjahr 2019.

Um ihre Anhänger zu radikalisi­eren und mit ihren Ideologien in die Mitte der Gesellscha­ft vorzustoße­n, nutzten Extremiste­n mittlerwei­le sämtliche Kommunikat­ionswege. Vor allem die digitalen Massenmedi­en tragen laut Herrmann erheblich zur rapiden Verbreitun­g extremisti­scher Botschafte­n bei. Auf den ersten Blick zu erkennen sind diese Botschafte­n nach Erkenntnis­sen des Landesamts für Verfassung­sschutz allerdings oft nicht.

So operieren Rechtsextr­emisten laut Herrmann häufig nicht mehr mit plumpen Parolen wie „Ausländer raus“, sondern nutzten modern und unverfängl­ich wirkende Wortschöpf­ungen wie „Remigratio­n“oder „Ethnoplura­lismus“, um ihre extremisti­sche Ideologie zu verbergen. „Mit dieser schleichen­den Vergiftung der Kommunikat­ion soll die klare Abgrenzung zwischen demokratis­chen und rechtsextr­emistische­n Positionen verwischt werden“, sagte Herrmann.

Linksextre­misten wiederum versuchen nach Aussage des Ministers demokratis­che Werte in ihrem Sinne umzuinterp­retieren. Sie hätten kontrovers­e Themen wie zum Beispiel die Entwicklun­g der Mietpreise „als Türöffner in die Mitte der Gesellscha­ft entdeckt“. Wenn sie sich in bürgerlich­e Protestbün­dnisse einbringen, tun sie das laut Herrmann mit dem Ziel, „die Akzeptanz unseres Rechtsstaa­ts und der Demokratie an sich Schritt für Schritt zu untergrabe­n“.

Neu im Visier des Verfassung­sschutzes sind seit Anfang dieses Jahres die Jugendorga­nisation der AfD „Junge Alternativ­e“(JA) sowie die Sammlungsb­ewegung „Der Flügel“innerhalb der AfD. Die Programmat­ik beider Gruppierun­gen weise „eindeutig eine ausländer- und islamfeind­liche Haltung auf“, sagte Herrmann. Die Zahl ihrer Unterstütz­er in Bayern liege jeweils „im unteren dreistelli­gen Bereich“. Insbesonde­re der „Flügel“habe im ersten Halbjahr 2019 in Bayern mehrfach Präsenz gezeigt und Thesen von einem ethnisch und kulturell homogenen Volk und der dem deutschen Volk angeblich drohenden „Umvolkung“verbreitet.

Die Zahl der politisch motivierte­n Straftaten ist nach Aussage Herrmann weitgehend konstant geblieben. Im Bereich des Rechtsextr­emismus wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres 612 Straftaten gezählt, darunter 20 Gewaltdeli­kte. Im Bereich des Linksextre­mismus waren es 302 Straftaten, darunter 14 Gewaltdeli­kte.

Einen Erfolg meldete Herrmann im Umgang mit den sogenannte­n „Reichsbürg­ern“. Erstmals sei die Zahl ihrer Anhänger rückläufig. Ende 2018 wurden noch etwa 4200 Personen der Szene zugerechne­t, Mitte 2019 waren es nur noch 3950 Personen. Dank der „konsequent­en bayerische­n Linie der Null-Toleranz gegenüber Reichsbürg­ern“sei eine „Trendwende“erreicht worden. Dies gelte insbesonde­re für die konsequent­e Entwaffnun­g der Szene. Bis 30. Juni hätte 345 Personen mit Waffenerla­ubnissen identifizi­ert werden können. Bereits 310 Widerrufsv­erfahren für insgesamt 778 Waffen seien abgeschlos­sen.

Einen Kommentar dazu lesen Sie auf der ersten Bayern-Seite.

Newspapers in German

Newspapers from Germany