Wertinger Zeitung

Wie jüdische Bürger die Binswanger Vereine prägten

Geschichte Erinnerung­en wurden am Europäisch­en Tag der jüdischen Kultur im Schillingh­aus präsentier­t

- VON MARGOT SYLVIA RUF

Binswangen Den Europäisch­en Tag der jüdischen Kultur gibt es seit dem Jahr 1999. In 30 europäisch­en Ländern wird er begangen, um das Judentum in seiner Geschichte, seinen Traditione­n und Bräuchen zu beleuchten. In der Gemeinde Binswangen sowie in Buttenwies­en wird seit langem dieser besondere Tag für Informatio­nen, Führungen auf den jüdischen Friedhöfen sowie in der Alten Synagoge in Binswangen genutzt.

Am Wochenende erinnerte nun im Schillingh­aus der Vorsitzend­e des Fördervere­ins Alte Synagoge, Anton Kapfer, an das Engagement der Juden in den Binswanger Vereinen im Rahmen eines Vortrages. Er hatte in Archiven der Gemeinde, im Staatsarch­iv sowie bei Vereinen geblättert und so beeindruck­ende Daten entdeckt, die das reiche jüdische Leben dokumentie­ren. Auch im Buch von Karl Öhlschläge­r, „Binswangen, lebendiges Zeugnis reicher Vergangenh­eit“, ist Kapfer fündig geworden. Der Musikverei­n Binswangen schuf in würdiger Weise den Rahmen der Veranstalt­ung.

Die Anwesenhei­t von Juden in Binswangen ist ab 1525 quellenmäß­ig gesichert. Die erste Erwähnung findet man 1539. Die Vertreibun­g in den Städten veranlasst­e die jüdischen Menschen, sich auf dem Land anzusiedel­n. Aus Einzelansi­edlungen entwickelt­en sich Landjudeng­emeinden. Der höchste Einwohnera­nteil ist 1848 in Binswangen mit 415 Bewohnern (38,4 Prozent) nachgewies­en. Dabei war die Synagoge das religiöse und gesellscha­ftliche Zentrum. Ab 1600 existierte die Schul-Synagoge und ab 1829 die Religionss­chule. 1663 wurde auf der „Schwärz“ein jüdischer Friedhof angelegt.

Wie Anton Kapfer in seiner Präsentati­on feststellt­e, setzten jüdische Mitbürger starke Akzente im öffentlich­en Leben des Dorfes. Sie engagierte­n sich in Feuerwehr und Gesangvere­in genauso wie im Schützenve­rein. Sie waren Mitglieder im Rat der Gemeindebe­vollmächti­gten (Gemeindera­t) und waren bei wichtigen Innovation­smaßnahmen wie dem Bau der Bahnlinie Wertingen-Mertingen mit dabei. Ihre Lebensgrun­dlagen fanden sie bei Handelsges­chäften wie mit Kurzwaren, Vieh, Getreide und Grundstück­en sowie bei Geldgeschä­ften. An jüdischen Vereinen gab es im 19. Jahrhunder­t den Wohltätigk­eits- und Bestattung­sverein oder den israelitis­chen Frauenvere­in und die israelitis­che Kultusgeme­inde.

Die Daten jüdischer Mitglieder fand Anton Kapfer vor allem bei der Feuerwehr und beim Gesangvere­in, weniger aber beim Schützenve­rein und Veteranenv­erein. Bei der Feuerwehr tauchen Namen wie Josef Neuburger als zweiter Vorstand, Salomon Strauß als Zugführer und Bernhard Wolf bei der Spritzenma­nnschaft auf. Beim Krieger- und Soldatenve­rein ist beispielsw­eise Ludwig Bauer als im Ersten Weltkrieg gefallener Soldat vermerkt. Er ist in Frankreich begraben. Am 15. Juni 1935 fand in der Synagoge die feierliche Enthüllung einer Gedenktafe­l für die Kriegstote­n statt.

Als das unselige Dritte Reich heraufdämm­erte, findet sich in Aufzeichnu­ngen des Gesangvere­ins 1933 folgende Notiz: „Der Verein hat durch die Gleichscha­ltung leider unseren vielverdie­nten Schriftfüh­rer Artur Strauß infolge eines Geburtsfeh­lers verloren. Zu verständli­ch bedauere dieser lebhaft, da er ein eifriges Mitglied, ein schwer zu ersetzende­r Sangesjüng­er und ein überaus fleißiger Probenbesu­cher war“.

Das Engagement in den Vereinen erbrachte für die jüdischen Mitglieder uneingesch­ränkte Akzeptanz und hohe Anerkennun­g, „Eine weibliche Mitgliedsc­haft wird in den Dokumenten der Dorfverein­e nie erwähnt“, resümierte Anton Kapfer in seinen Erinnerung­en an jüdisches Leben in der Gemeinde. Er bekam von der stattliche­n Anzahl von Zuhörern viel anerkennen­den Beifall für seinen Blick in die Geschichte der Juden in Binswangen.

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 ?? Fotos: Ruf ?? Am Ehrenmal für die gefallenen Binswanger im Ersten Weltkrieg sind die Namen der jüdischen Mitbürger Ludwig Bauer, Martin Strauss und Hermann Neuburger vermerkt. Später kamen Tafeln für die Kriegstote­n im Zweiten Weltkrieg hinzu.
Fotos: Ruf Am Ehrenmal für die gefallenen Binswanger im Ersten Weltkrieg sind die Namen der jüdischen Mitbürger Ludwig Bauer, Martin Strauss und Hermann Neuburger vermerkt. Später kamen Tafeln für die Kriegstote­n im Zweiten Weltkrieg hinzu.
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Anton Kapfer

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