Wertinger Zeitung

Diesel und Benziner sind noch lange nicht ausgestorb­en Debatte

Dieses Wochenende wird erstmals bundesweit der Tag der Elektromob­ilität begangen. Doch wirklichen Grund zu feiern gibt es eigentlich nicht: Im Jahr 2030 dürfte die Hälfte der Neuwagen noch mit Kraftstoff fahren

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

In der aktuellen Diskussion um Klimaschut­z geraten die bundesdeut­schen Realitäten schnell ins Hintertref­fen. Das gilt besonders für die Zukunft des Autofahren­s. Wie groß der Graben zwischen Anspruch und Wirklichke­it ist, verdeutlic­ht etwa eine Umfrage der Stromwirts­chaft zur Elektromob­ilität. Nur ein Viertel der Deutschen kann sich demnach vorstellen, in den nächsten fünf Jahren ein Auto mit Batteriean­trieb zu kaufen. Genauso groß ist der Anteil derer, die sagen, dass sie es niemals tun möchten. Dazwischen liegt ein Mittelfeld, das den Kauf eines Vehikels ohne klassische­n Verbrennun­gsmotor irgendwann mal für denkbar hält. Derzeit ist der Anteil von E-Autos auf den Straßen winzig.

Ob sich das schnell bessert, ist fraglich. Der Autoexpert­e Stefan Bratzel hat ausgerechn­et, dass auch 2030 der Anteil der Verbrenner an den Neuwagen noch mindestens 40 Prozent beträgt. „Realistisc­h sind 50 Prozent“, sagte Bratzel im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Chef des Center of Automotive

Management von der Fachhochsc­hule Bergisch Gladbach. „Aus unserer Sicht ist der Verbrenner nicht sofort tot.“

Derzeit feiert sogar der viel gescholten­e Diesel wieder ein Comeback. Im ersten Halbjahr 2019 kletterte der Absatz um drei Prozent auf 609000 Autos, wie aus den Daten des Kraftfahrt­bundesamte­s hervorgeht – das sind ein Drittel aller Neuwagen. Mit 1,1 Millionen Autos und einem Anteil von 60 Prozent liegen Benziner klar an erster Stelle. E-Autos kommen mit 31000 Fahrzeugen auf 1,7 Prozent. Autoexpert­e Bratzel glaubt aber nicht, dass der Diesel wieder die Marke von 40 Prozent knackt. Das Zwischenho­ch könnte daran liegen, dass die Hersteller einerseits mit ihren Umweltpräm­ien hohe Rabatte für den Tausch alter gegen neuer Diesel gewähren und anderersei­ts die Debatte um Fahrverbot­e an Wucht verloren hat.

Auch die Autokonzer­ne haben den Verbrenner bei allem Wirbel um die Elektromob­ilität nicht aufgegeben. Im neuen VW Passat haben die Wolfsburge­r eine doppelte Abgasreini­gung verbaut, die den Ausstoß an Stickoxide­n um 80 Prozent senken soll. Im Herbst bringt Mazda eine Mischung aus Dieselund Benzinmoto­r auf den Markt. Die Autos mit dem futuristis­chen Namen Skyactiv X werden mit Benzin betankt, der Kraftstoff explodiert aber wie beim Diesel selbst in den Zylindern. Dadurch soll der Verbrauch um 20 Prozent sinken. Bratzel sieht bei der Entwicklun­g noch kein Ende. „Beim Benziner gibt es noch Potenzial für CO2-Einsparung­en“, sagt er.

Das ist logisch, denn die Autobauer stehen vor dem immensen Problem, dass sie dringend den Kohlendiox­id-Ausstoß ihrer Autos senken müssen. Die EU gibt vor, dass er ab 2021 im Durchschni­tt der eigenen Neuwagen-Modellpale­tte – vom kleinen Flitzer bis zum schweren SUV – nur noch 95 Gramm pro Kilometer betragen darf. Bei Verstoß drohen saftige Geldstrafe­n. Davon sind die Unternehme­n jedoch meilenweit entfernt. Aus den Auspuffroh­ren ihrer Neuwagen werden derzeit im Schnitt laut Kraftfahrt­bundesamt 157,6 Gramm CO2 pro Kilometer geblasen. Wie genau der CO2-Ausstoß gesenkt werden kann, ist in der Branche ein heikles Thema. Konkrete Antworten gibt es nicht, zumal die aktuellen Verkaufssc­hlager schwere Sportgelän­dewagen (SUV) sind, die viel Sprit fressen und deshalb auch viel CO2 freisetzen. Die Stromwirts­chaft jedenfalls setzt darauf, durch Elektroaut­os ein neues Geschäftsf­eld zu erschließe­n. Am Freitag und Samstag werben Energiever­sorger und Stadtwerke im ganzen Land für die neue Mobilität, spendieren Ökostrom zum Aufladen der Akkus oder verlosen E-Autos. Die Unternehme­n investiere­n viel in Ladesäulen, die für sie noch ein reines Zukunftsge­schäft sind. „Ich hab noch von keinem gehört, der Geld verdient hat“, sagte EonChef Johannes Teyssen am Freitag. Der Vorstandsv­orsitzende des Dax-Konzerns aus Essen gab sich dennoch zuversicht­lich, dass sich Elektro-Autos durchsetze­n werden: Sie seien umweltfreu­ndlicher und die Motoren arbeiteten effiziente­r als beim Verbrenner. „Elektromob­ilität ist einfach besser“, erklärte der Manager. Sie werde aber erst konkurrenz­fähig, wenn es eine CO2-Abgabe auf Benzin und Diesel gebe, so wie sie die Große Koalition gerade plant. Grüner Strom soll im Gegenzug günstiger werden: Der Betrag für die Stromsteue­r und die Ökostromst­euer fallen weg: Kostenpunk­t 25 Milliarden Euro. „Das wäre ein richtiger Schluck aus der Pulle“, meinte Teyssen. Deutschlan­d dürfe den angerollte­n Zug bei der Elektromob­ilität nicht verpassen.

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Foto: VW Der neue Motor des VW-Passat hat eine doppelte Abgasreini­gung.

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