Wertinger Zeitung

Hand drauf?

Etikette Zur Begrüßung wird immer seltener geschüttel­t. Was nun?

- VON JONAS VOSS

Auf die Frage, was typisch deutsch ist, fällt einem spontan ein: Benziner, Bier, Ballermann – und der Handschlag, der hier aus der Reihe tanzt. Gilt er doch auch unter Knigge-Vertretern als hohes kulturelle­s Gut, was sich von Bier und Ballermann nur bedingt behaupten lässt. „Der Status quo ist: In Deutschlan­d ist der Handschlag Standard“, sagt Agnes Anna Jarosch, Vorsitzend­e des Deutschen Knigge-Rats. Noch jedenfalls. Denn: „Die Varianz wird größer, Regeln sind nicht mehr so starr wie früher.“Der anständige Handschlag, verwässert wie alkoholfre­ies Weißbier? Kulturpess­imismus – ebenfalls eine sehr deutsche Angelegenh­eit – ist dennoch nicht angebracht. Wie Jarosch konstatier­t, kommen dafür nun eben andere Verhaltens­weisen ins Spiel. Was vor allem eine bestimmte Spezies in unseren Büros erfreuen dürfte – die Bakterioph­obiker.

Selten sind sie ohne Desinfekti­onsspray anzutreffe­n, Handschläg­en gehen sie konsequent aus dem Weg und an Türklinken lassen sie lieber anderen den Vortritt. Diese Zeitgenoss­en mögen Ansteckung jedweder Art vermeiden, landen aber leicht in der Isolation. Womöglich ist es damit bald vorbei. Nur was, bitteschön, ist die Alternativ­e zum festen Händedruck? Da kommt Expertin Jarosch ins Spiel; wie sie ausführt, seien Wangenküss­e beispielsw­eise im Trend. Was allerdings gleich mehrere Komplikati­onen im Büro mit sich zu bringen droht. Um den Phobiker wird es noch einsamer. Weil all die Lippen potenziell schließlic­h tödliche Gefahren beinhalten, erträgt er die Arbeit nur noch im Homeoffice. Und was ist mit den anderen? Schauen Sie sich mal im Büro um. Von wem hätten Sie gerne jeden Morgen einen Wangenkuss? Hand aufs

Herz …

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Foto: Adobe Stock

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