Wertinger Zeitung

Aus dem Plattenbau zum Popstar Porträt

Er feierte als Skandal-Rapper und mit seiner silbernen Maske Erfolge. Mittlerwei­le ist Sido als Musiker salonfähig. Weshalb er sein altes Leben nicht zurückwill

- Julian Würzer

Der deutsche Gangsta-Rap ist tot. Auch deshalb trägt der deutsche Rapper Sido keine Maske mehr.

Früher war das anders. Der deutsche Hip-Hop entwickelt­e damals ein neues Gesicht, oder besser gesagt gar kein Gesicht. Mit einer silbernen Totenkopfm­aske vor der Visage und harten, teils frauenvera­chtenden Songtexten verdrängte Sido als Zugpferd des deutschen Gangsta-Raps Größen wie die Fantastisc­hen Vier oder die Beginner um Jan Delay aus der Jugendkult­ur des Hip-Hops in Deutschlan­d. Sido, die Abkürzung bedeutet super-intelligen­tes Drogenopfe­r, stand zu Beginn seiner Karriere unter anderen zusammen mit Bushido als „Die Sekte“auf der Bühne. Ihre Musik handelte von Drogen, Gewalt und dem Leben auf den Straßen Berlins. Es war das Pendant zum Hip-Hop

aus den Vereinigte­n Staaten – Sido, der deutsche Eminem. Einer, der es sozusagen vom Tellerwäsc­her zum Millionär schaffte. Einer, der die Sprache vieler Jugendlich­er sprach. Auch wenn die mitunter Drogen verharmlos­te und homophobe Ausdrücke und gewaltverh­errlichend­e Liedzeilen beinhaltet­e. Deshalb feierte die Jugend den Rapper, und deshalb rebelliert­e ein Teil der Musikwelt und forderte die Indizierun­g seiner Lieder. Es war der Konflikt, den jeder Jugendlich­e irgendwann führt – sich gegen die „alten“Eltern erheben –, projiziert auf eine Person, Sido gegen die etablierte Musikszene. Ausgerechn­et einer seiner harmlosere­n Songs landete dann 2004 in den deutschen Charts.

„Mein Block“wirkt wie eine Hommage an Sidos frühere Heimat: die Plattenbau-Siedlung Märkisches Viertel in Berlin. In dem Song führt der Rapper durch seinen Wohnblock vom ersten bis zum 16. Stock. „Der Kerl aus’m Ersten war früher mal Rausschmei­ßer. Seit dem er aus dem Knast ist, ist er unser Hausmeiste­r.“Doch die Zeiten des GangstaRap­s in Deutschlan­d sind vorbei. Kürzlich sagte Sido: „Ich möchte nie wieder in mein Viertel zurück oder mein altes Leben zurückhabe­n. Das ist meine größte Angst.“Mittlerwei­le lebt Sido, der Paul Hartmut Würdig heißt, am Stadtrand Berlins. Der 38-Jährige ist erwachsen geworden. Er ist mit der Moderatori­n Charlotte Engelhardt verheirate­t, die seinen Namen angenommen hat, und Vater dreier Kinder. Auch deshalb trägt er die silberne Maske nicht mehr. Die Musik ist mit dem Künstler gewachsen. Während er früher Rapper beleidigte, singt Sido heute mit Andreas Bourani oder landet mit dem Popmusiker Adel Tawil einen Hit – poppiger, eingängige­r. Dennoch verdrängte er wieder die Fantastisc­hen Vier. Dieses Mal von den Juror-Stühlen bei „The Voice Of Germany“. Smudo und Michi Beck räumen ihren Platz. Ab Donnerstag beurteilt Sido an ihrer Stelle Nachwuchsm­usiker. „Um hier Erfolg zu haben, musst Du 100 Prozent für die Musik geben. Ohne Kompromiss­e. Sonst funktionie­rt das nicht. Ich kann auch nichts anderes. Aber Musik, das kann ich!“Die nächste Kostprobe gibt es Ende September. Dann erscheint Sidos Album „Ich & keine Maske“.

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Foto: dpa

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