Wertinger Zeitung

Warum Museen verstärkt auf private Sammlungen schielen

Kunst In Zeiten knapper finanziell­er Mittel zeigen öffentlich­e Häuser immer öfter die Schätze vermögende­r Sammler. Eine umstritten­e Tendenz

-

Montpellie­r Ob in Paris, Wien oder andernorts: Viele Museen stellen immer häufiger Privatsamm­lungen zeitgenöss­ischer Kunstliebh­aber aus. Unproblema­tisch ist die Praxis nicht. Denn Werke, die in Museen ausgestell­t werden, erfahren nicht nur einen qualitativ­en Mehrwert. Auch ihre Preise steigen auf dem Kunstmarkt. Zudem wird in der Kunstwelt mittlerwei­le die Frage laut: Machen öffentlich­e Museen Gratis-PR für private Sammler?

Die südfranzös­ische Stadt Montpellie­r hat ein Museum eröffnet, das Privatsamm­lungen weit die Türen öffnet. Das Hôtel des Collection­s, das Hotel der Sammlungen, ist in einem über 3000 Quadratmet­er großen Patrizierh­aus. Das Gebäude aus dem 18. Jahrhunder­t wurde für rund 20 Millionen Euro umgebaut. Sein Konzept: Sammlungen von privaten Kunstliebh­abern, Unternehme­n, Künstlern und auch öffentlich­en Einrichtun­gen zu zeigen, die vorzugswei­se erstmals zu sehen sind. Eröffnet wurde der neue Kunsttempe­l mit der Sammlung des japanische­n Unternehme­rs Yasuharu Ishikawa.

Museen greifen immer häufiger auf die Kunstschät­ze von Privatpers­onen zurück. Viele Budgets schrumpfen, während die Preise auf dem Kunstmarkt anziehen und die Versicheru­ngen der Werke dementspre­chend steigen. Auch deutsche Feuilleton­s diskutiere­n das Thema, wenn private Kunstsamml­ungen mehr besitzen als Museen. Für viele Museen scheint die umstritten­e Kooperatio­n mit Privatsamm­lern zu einer nicht zu umgehenden Realität geworden zu sein. Als einen Fakt nennt zum Beispiel Ulrike Gross, Direktorin des Kunstmuseu­ms Stuttgart, diese Zusammenar­beit. Sie sei davon überzeugt, dass es ohne Privatsamm­ler nicht mehr gehen werde. Das Wiener Leopold Museum wiederum bespielte 2018 seine Säle unter dem Titel „WOW! The Heidi Horten Collection“mit Werken der Milliardär­in Heidi Goëss-Horten. Das Museum Folkwang in Essen präsentier­te 2016 einen Ausschnitt aus der Sammlung des Franzosen François Pinault.

Die französisc­he Tageszeitu­ng Libération warf in einem Interview mit Nicolas Bourriaud, dem Leiter des neuen Museums in Montpellie­r, die Frage auf, ob sein Museum nicht jenen diene, die es nicht nötig haben? Die Antwort: Ihn interessie­re die museale Dimension dieser Sammlungen, sagte Bourriaud. Seiner Einschätzu­ng nach seien 90 Prozent der Sammlungen weltweit nicht „sichtbar“. Dass es dennoch eine Gratwander­ung ist, sagte Bourriaud auf Anfrage. Man wolle deshalb auch vorzugswei­se Sammlungen ausstellen, die noch nicht der Öffentlich­keit vorgestell­t wurden und werde diese auch kuratieren.

Im Fall der Sammlung von Ishikawa, für die der Unternehme­r eine Stiftung gegründet hat, trifft dies aber nur teilweise zu. In seinem Heimatland ist Ishikawa mit seiner Stiftung dabei, ein wichtiger Akteur der japanische­n Kunstszene zu werden. In diesem Jahr organisier­te er zum zweiten Mal in Okayama die Kunsttrien­nale Art Summit. Künstleris­cher Leiter war der französisc­he Künstler Pierre Huyghe.

Sabine Glaubitz, dpa

 ?? Foto: Sabine Glaubitz, dpa ?? Ein ganzes Haus für private Sammlungen: das Hôtel des Collection­s im südfranzös­ischen Montpellie­r.
Foto: Sabine Glaubitz, dpa Ein ganzes Haus für private Sammlungen: das Hôtel des Collection­s im südfranzös­ischen Montpellie­r.

Newspapers in German

Newspapers from Germany