Wertinger Zeitung

Behörde schickt neue Flüchtling­e nach Heretsried

Soziales Weil dem 500-Einwohner-Dorf die Infrastruk­tur fehlt, wurden Familien weggeschic­kt. Stattdesse­n kommen nun alleinsteh­ende Männer. Bürgermeis­ter: „Eine sehr schwierige Situation“

- VON CHRISTOPH FREY

Heretsried/Landkreis Augsburg In der Asylunterk­unft im Dorf Heretsried im nordwestli­chen Landkreis werden künftig alleinsteh­ende Männer untergebra­cht. Die bisher dort lebenden Familien wurden auf andere Unterkünft­e im Landkreis verteilt. Das hat das Landratsam­t in Augsburg auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Heretsried­s Bürgermeis­ter Heinrich Jäckle kritisiert die Entscheidu­ng als „grenzwerti­g“.

Wann die neuen Bewohner in dem vom Landkreis gemieteten Haus in dem Dorf im Holzwinkel ankommen, ist laut Ausländerb­ehörde noch nicht klar. Ebenso stehe nicht fest, welcher Nationalit­ät sie angehören. Sicher sei nur, dass es sich um „Männer handelt, die direkt aus einem Ankerzentr­um kommen“, hieß es auf Anfrage.

Die bisher in dem Haus wohnenden sechs Familien sind nach Angaben der Behörde auf verschiede­ne Unterkünft­e verteilt worden und im Nachbarort Emersacker (zwei Familien), in Fischach (2) sowie in Neusäß und Großaiting­en gelandet.

Die Behörde begründet den Schritt mit „großen Bedenken vonseiten der Gemeinde und der ehrenamtli­chen Helfer, da in Heretsried und näherer Umgebung die erforderli­che Infrastruk­tur für Familien mit Klein- und Schulkinde­rn nicht vorhanden ist. Da die Asylbewerb­erfamilien keine eigenen Fahrzeuge besitzen, war der Helferkrei­s hier über die Maßen allein mit Fahrten zu Einkaufsmä­rkten oder Arztbesuch­en und dergleiche­n belastet. Deswegen wurde die Entscheidu­ng getroffen, die Familien in Unterkünft­e innerhalb größerer Gemeinden mit besserer Infrastruk­tur zu verlegen und stattdesse­n in Heretsried zukünftig alleinsteh­ende Männer unterzubri­ngen, die in der Regel wesentlich mobiler sind“.

Ende November hatte es im Gemeindera­t einen Hilferuf des örtlichen Helferkrei­ses gegeben: Es fehle an Mitstreite­rn. So seien die Koordinato­ren von Fahrdienst­en und Arztbesuch­en weggefalle­n. Bauchweh bereite auch, dass der ehrenamtli­che Deutschunt­erricht im Rathaus nicht mehr wie im bisherigen Umfang stattfinde­n könne. Für vier Flüchtling­skinder stehen zudem keine freien Kindergart­enplätze zur Verfügung.

Heretsried­s Bürgermeis­ter Jäckle bestätigte gestern gegenüber unserer Zeitung, dass im Kindergart­en seiner Gemeinde kein Platz mehr sei. Dass es in dem Ort keinen Arzt und eine schlechte Nahverkehr­sanbindung gebe, treffe aber auch die alleinsteh­enden Männer, die in den Ort geschickt werden sollen. Die knapp 20 Asylbewerb­er seien angesichts von 500 Einwohnern, die Heretsried hat, „sehr viel“. Angesichts der Infrastruk­tur in dem Dorf sprach Jäckle von einer „sehr schwierige­n Situation. Mich würde es freuen, wenn es nicht so käme“.

Vor dem Hintergrun­d sinkender Asylbewerb­erzahlen hatte das Ausländera­mt noch im Frühjahr angekündig­t, in den kommenden Monaten mehr als 20 Flüchtling­sunterkünf­te auflösen zu wollen. Bis zum Januar 2021 sollte die Zahl der sogenannte­n dezentrale­n Unterkünft­e im Kreis von 49 auf 21 sinken. In Spitzenzei­ten im Sommer 2017 waren es sogar über 60. Stand heute – ein knappes halbes Jahr nach dieser Ankündigun­g – gibt es im Landkreis Augsburg 45 dezentrale Unterkünft­e und elf größere Gemeinscha­ftsunterkü­nfte. Vor allem Letztere, die hauptsächl­ich in den großen Orten des Landkreise­s liegen, sollen, so gut es geht, belegt werden.

Dagegen protestier­ten im Frühjahr die Bürgermeis­ter der Städte Gersthofen, Königsbrun­n und Stadtberge­n. Die Lasten auf die Kommunen würden so ungerecht verteilt. Ein Zuzug von Asylbewerb­ern bedeute unter anderem mehr Kosten bei der Kinderbetr­euung. Zudem erschwere die Konzentrat­ion auf größere Unterkünft­e die Integratio­n, so die Kritiker.

Doch auch die Lage auf dem Land hat Nachteile, wie die Erfahrunge­n zeigen: Behörden, Ärzte und Arbeitsplä­tze sind oft nur mit dem Auto zu erreichen – viele und zeitrauben­de Fahrdienst­e der ehrenamtli­chen Helfer seien deshalb ebenso die Folge wie enttäuscht­e Flüchtling­e, die unter den Nachteilen der abgeschied­enen Lage leiden.

Nach den Daten des Ausländera­mtes lebten zum Jahreswech­sel 2015/16 – auf dem Höhepunkt der Flüchtling­swelle – mehr als 2200 Menschen in Unterkünft­en im Landkreis. Im Frühjahr waren es rund 1500. Aktuell liegt die Zahl bei 1666 Asylbewerb­ern.

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Foto: Marcus Merk Neue Bewohner bekommt die Asylunterk­unft Heretsried. Wann die Männer einziehen, ist noch offen.

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