Behörde schickt neue Flüchtlinge nach Heretsried
Soziales Weil dem 500-Einwohner-Dorf die Infrastruktur fehlt, wurden Familien weggeschickt. Stattdessen kommen nun alleinstehende Männer. Bürgermeister: „Eine sehr schwierige Situation“
Heretsried/Landkreis Augsburg In der Asylunterkunft im Dorf Heretsried im nordwestlichen Landkreis werden künftig alleinstehende Männer untergebracht. Die bisher dort lebenden Familien wurden auf andere Unterkünfte im Landkreis verteilt. Das hat das Landratsamt in Augsburg auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt. Heretsrieds Bürgermeister Heinrich Jäckle kritisiert die Entscheidung als „grenzwertig“.
Wann die neuen Bewohner in dem vom Landkreis gemieteten Haus in dem Dorf im Holzwinkel ankommen, ist laut Ausländerbehörde noch nicht klar. Ebenso stehe nicht fest, welcher Nationalität sie angehören. Sicher sei nur, dass es sich um „Männer handelt, die direkt aus einem Ankerzentrum kommen“, hieß es auf Anfrage.
Die bisher in dem Haus wohnenden sechs Familien sind nach Angaben der Behörde auf verschiedene Unterkünfte verteilt worden und im Nachbarort Emersacker (zwei Familien), in Fischach (2) sowie in Neusäß und Großaitingen gelandet.
Die Behörde begründet den Schritt mit „großen Bedenken vonseiten der Gemeinde und der ehrenamtlichen Helfer, da in Heretsried und näherer Umgebung die erforderliche Infrastruktur für Familien mit Klein- und Schulkindern nicht vorhanden ist. Da die Asylbewerberfamilien keine eigenen Fahrzeuge besitzen, war der Helferkreis hier über die Maßen allein mit Fahrten zu Einkaufsmärkten oder Arztbesuchen und dergleichen belastet. Deswegen wurde die Entscheidung getroffen, die Familien in Unterkünfte innerhalb größerer Gemeinden mit besserer Infrastruktur zu verlegen und stattdessen in Heretsried zukünftig alleinstehende Männer unterzubringen, die in der Regel wesentlich mobiler sind“.
Ende November hatte es im Gemeinderat einen Hilferuf des örtlichen Helferkreises gegeben: Es fehle an Mitstreitern. So seien die Koordinatoren von Fahrdiensten und Arztbesuchen weggefallen. Bauchweh bereite auch, dass der ehrenamtliche Deutschunterricht im Rathaus nicht mehr wie im bisherigen Umfang stattfinden könne. Für vier Flüchtlingskinder stehen zudem keine freien Kindergartenplätze zur Verfügung.
Heretsrieds Bürgermeister Jäckle bestätigte gestern gegenüber unserer Zeitung, dass im Kindergarten seiner Gemeinde kein Platz mehr sei. Dass es in dem Ort keinen Arzt und eine schlechte Nahverkehrsanbindung gebe, treffe aber auch die alleinstehenden Männer, die in den Ort geschickt werden sollen. Die knapp 20 Asylbewerber seien angesichts von 500 Einwohnern, die Heretsried hat, „sehr viel“. Angesichts der Infrastruktur in dem Dorf sprach Jäckle von einer „sehr schwierigen Situation. Mich würde es freuen, wenn es nicht so käme“.
Vor dem Hintergrund sinkender Asylbewerberzahlen hatte das Ausländeramt noch im Frühjahr angekündigt, in den kommenden Monaten mehr als 20 Flüchtlingsunterkünfte auflösen zu wollen. Bis zum Januar 2021 sollte die Zahl der sogenannten dezentralen Unterkünfte im Kreis von 49 auf 21 sinken. In Spitzenzeiten im Sommer 2017 waren es sogar über 60. Stand heute – ein knappes halbes Jahr nach dieser Ankündigung – gibt es im Landkreis Augsburg 45 dezentrale Unterkünfte und elf größere Gemeinschaftsunterkünfte. Vor allem Letztere, die hauptsächlich in den großen Orten des Landkreises liegen, sollen, so gut es geht, belegt werden.
Dagegen protestierten im Frühjahr die Bürgermeister der Städte Gersthofen, Königsbrunn und Stadtbergen. Die Lasten auf die Kommunen würden so ungerecht verteilt. Ein Zuzug von Asylbewerbern bedeute unter anderem mehr Kosten bei der Kinderbetreuung. Zudem erschwere die Konzentration auf größere Unterkünfte die Integration, so die Kritiker.
Doch auch die Lage auf dem Land hat Nachteile, wie die Erfahrungen zeigen: Behörden, Ärzte und Arbeitsplätze sind oft nur mit dem Auto zu erreichen – viele und zeitraubende Fahrdienste der ehrenamtlichen Helfer seien deshalb ebenso die Folge wie enttäuschte Flüchtlinge, die unter den Nachteilen der abgeschiedenen Lage leiden.
Nach den Daten des Ausländeramtes lebten zum Jahreswechsel 2015/16 – auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle – mehr als 2200 Menschen in Unterkünften im Landkreis. Im Frühjahr waren es rund 1500. Aktuell liegt die Zahl bei 1666 Asylbewerbern.