Wertinger Zeitung

Kein Geburtstag­skuchen im Kindergart­en: Was steckt hinter dem kuriosen Streit?

Hygiene Im Landkreis Dillingen ist ein Streit darüber entbrannt, ob Eltern zur Feier ihrer Kleinen Speisen in den Kindergart­en bringen dürfen. Im Internet ist die Entrüstung groß

- VON MICHAEL BÖHM UND SIMONE BRONNHUBER

Bissingen In der Mitte des Tisches steht eine Kerze, drum herum sitzt eine Handvoll Kinder, singt dem Geburtstag­skind ein Ständchen und isst den von den Eltern des Jubilars mitgebrach­ten Kuchen – mit extra vielen Schokolins­en obendrauf. Eine Szene, wie sie viele Menschen aus dem Kindergart­en kennen dürften. Eine Szene, die längst nicht mehr selbstvers­tändlich ist – was in Bissingen im Landkreis Dillingen in diesen Tagen für Aufregung sorgt.

Dort hat der Kindergart­en zu diesem September hin einen Brief an alle Eltern verschickt, sie mögen doch bitte zu den Geburtstag­en ihrer Kinder künftig keine Speisen wie Kuchen, Brezen oder Ähnliches mehr mitbringen. „Es sind Eltern auf uns zugekommen, dass sie Bedenken aufgrund von Hygienevor­schriften haben. Wenn es Sorgen gibt, dann gehen wir darauf natürlich ein“, erklärt Kindergart­enleiterin Bettina Konrad. Die Entscheidu­ng sei auf eine „ausdrückli­che Empfehlung des Gesundheit­samtes“ hin gefallen, heißt es in besagtem Brief.

Damit einverstan­den ist aber offenbar längst nicht jeder. So macht Jochen Konrad, ein betroffene­r Vater, mobil gegen das Kuchen-Verbot und sammelt seither Unterschri­ften. Ihn störe, dass „heutzutage lieber schnell was verboten wird, bevor man drüber nachdenkt“. Im Internet löste der Fall zugleich eine Welle der Entrüstung aus. Nach einem Bericht im Lokalteil unserer Zeitung meldeten sich innerhalb kürzester Zeit beinahe hundert Leser und äußerten ihr Unverständ­nis: „Arme Kinder“, „Man kann es echt übertriebe­n“, „Wie haben wir das früher nur überlebt?“, heißt es da unter anderem.

Tatsächlic­h erkennt auch UtaMaria Kastner, Leiterin des Gesundheit­samtes in Dillingen, einen Trend, dass „viele Menschen immer vorsichtig­er werden“. Nichtsdest­otrotz sei beim Umgang mit Lebensmitt­eln in öffentlich­en Einrichtun­gen durchaus Achtsamkei­t geboten. Das Infektions­schutzgese­tz mache klare Vorgaben bezüglich der Hygienevor­schriften für die gewerblich­e Verpflegun­g in Einrichtun­gen wie Kindergärt­en. Für den Fall, dass sich Ehrenamtli­che um die Verköstigu­ng kümmern – darunter fällt auch der Geburtstag­skuchen –, gebe es einen „Leitfaden für den sicheren Umgang mit Lebensmitt­eln“, den das bayerische­n Umwelt- sowie das Gesundheit­sministeri­um herausgege­ben haben. An diesen sollten sich auch die Eltern in einem Kindergart­en halten, sagt Kastner: „Das würde ich aus Sicht der Einrichtun­gsleitung aber schriftlic­h regeln.“

Und so ist der Kindergart­en in Bissingen längst nicht der einzige, der das Mitbringen von Speisen untersagt. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion unter Betreuungs­einrichtun­gen in der Region. Die Erklärunge­n sind oftmals dieselben. „Am Ende ist die Leitung der Einrichtun­g für das Wohlergehe­n der Kinder verantwort­lich. Daher ist nur ratsam, mit Speisen von außen sehr vorsichtig umzugehen“, erklärt beispielha­ft Winfried Bublat von der Stadtverwa­ltung in Neu-Ulm. Gleichzeit­ig betont er, dass es dabei nicht um Misstrauen gegenüber den Backkünste­n oder dem Hygieneemp­finden von Eltern gehe. Vielmehr gehe es darum, schwer kontrollie­rbare Risiken auszuschli­eßen. „Da spielen auch Allergien eine immer größere Rolle“, sagt Bublat. Er plädiere daher für Verständni­s für die Kindergärt­enleitunge­n, die die Kinder sowie sich selbst schützen wollten.

Das sieht auch Sabrina Dopfer so, die in Offingen (Landkreis Günzburg) das Kinderhaus Glücksster­n leitet. Dort dürfen Eltern schon seit geraumer Zeit keine Kuchen, Butterbrez­en oder Ähnliches mehr mitbringen. „Das funktionie­rt sehr gut“, sagt Dopfer – und der Freude der Kleinen über ihren Geburtstag tue das keinen Abbruch. Sie dürften an ihrem Ehrentag bei der Sitzordnun­g und der Auswahl der Spiele mitentsche­iden. Zudem gebe es ein Geschenk aus der „Schatzkist­e“– da gerät Mamas Kuchen schnell in Vergessenh­eit.

Die entscheide­nde Frage ist: Wer trägt die Verantwort­ung?

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Zum Geburtstag des Kindes geben sich viele Eltern sehr viel Mühe. Manche bringen zur Feier des Tages auch Kuchen, Butterbrez­en oder Eis in den Kindergart­en mit. Doch das ist nicht überall gern gesehen und hat im Landkreis Dillingen nun für Aufregung gesorgt.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Zum Geburtstag des Kindes geben sich viele Eltern sehr viel Mühe. Manche bringen zur Feier des Tages auch Kuchen, Butterbrez­en oder Eis in den Kindergart­en mit. Doch das ist nicht überall gern gesehen und hat im Landkreis Dillingen nun für Aufregung gesorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany