Kein Geburtstagskuchen im Kindergarten: Was steckt hinter dem kuriosen Streit?
Hygiene Im Landkreis Dillingen ist ein Streit darüber entbrannt, ob Eltern zur Feier ihrer Kleinen Speisen in den Kindergarten bringen dürfen. Im Internet ist die Entrüstung groß
Bissingen In der Mitte des Tisches steht eine Kerze, drum herum sitzt eine Handvoll Kinder, singt dem Geburtstagskind ein Ständchen und isst den von den Eltern des Jubilars mitgebrachten Kuchen – mit extra vielen Schokolinsen obendrauf. Eine Szene, wie sie viele Menschen aus dem Kindergarten kennen dürften. Eine Szene, die längst nicht mehr selbstverständlich ist – was in Bissingen im Landkreis Dillingen in diesen Tagen für Aufregung sorgt.
Dort hat der Kindergarten zu diesem September hin einen Brief an alle Eltern verschickt, sie mögen doch bitte zu den Geburtstagen ihrer Kinder künftig keine Speisen wie Kuchen, Brezen oder Ähnliches mehr mitbringen. „Es sind Eltern auf uns zugekommen, dass sie Bedenken aufgrund von Hygienevorschriften haben. Wenn es Sorgen gibt, dann gehen wir darauf natürlich ein“, erklärt Kindergartenleiterin Bettina Konrad. Die Entscheidung sei auf eine „ausdrückliche Empfehlung des Gesundheitsamtes“ hin gefallen, heißt es in besagtem Brief.
Damit einverstanden ist aber offenbar längst nicht jeder. So macht Jochen Konrad, ein betroffener Vater, mobil gegen das Kuchen-Verbot und sammelt seither Unterschriften. Ihn störe, dass „heutzutage lieber schnell was verboten wird, bevor man drüber nachdenkt“. Im Internet löste der Fall zugleich eine Welle der Entrüstung aus. Nach einem Bericht im Lokalteil unserer Zeitung meldeten sich innerhalb kürzester Zeit beinahe hundert Leser und äußerten ihr Unverständnis: „Arme Kinder“, „Man kann es echt übertrieben“, „Wie haben wir das früher nur überlebt?“, heißt es da unter anderem.
Tatsächlich erkennt auch UtaMaria Kastner, Leiterin des Gesundheitsamtes in Dillingen, einen Trend, dass „viele Menschen immer vorsichtiger werden“. Nichtsdestotrotz sei beim Umgang mit Lebensmitteln in öffentlichen Einrichtungen durchaus Achtsamkeit geboten. Das Infektionsschutzgesetz mache klare Vorgaben bezüglich der Hygienevorschriften für die gewerbliche Verpflegung in Einrichtungen wie Kindergärten. Für den Fall, dass sich Ehrenamtliche um die Verköstigung kümmern – darunter fällt auch der Geburtstagskuchen –, gebe es einen „Leitfaden für den sicheren Umgang mit Lebensmitteln“, den das bayerischen Umwelt- sowie das Gesundheitsministerium herausgegeben haben. An diesen sollten sich auch die Eltern in einem Kindergarten halten, sagt Kastner: „Das würde ich aus Sicht der Einrichtungsleitung aber schriftlich regeln.“
Und so ist der Kindergarten in Bissingen längst nicht der einzige, der das Mitbringen von Speisen untersagt. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion unter Betreuungseinrichtungen in der Region. Die Erklärungen sind oftmals dieselben. „Am Ende ist die Leitung der Einrichtung für das Wohlergehen der Kinder verantwortlich. Daher ist nur ratsam, mit Speisen von außen sehr vorsichtig umzugehen“, erklärt beispielhaft Winfried Bublat von der Stadtverwaltung in Neu-Ulm. Gleichzeitig betont er, dass es dabei nicht um Misstrauen gegenüber den Backkünsten oder dem Hygieneempfinden von Eltern gehe. Vielmehr gehe es darum, schwer kontrollierbare Risiken auszuschließen. „Da spielen auch Allergien eine immer größere Rolle“, sagt Bublat. Er plädiere daher für Verständnis für die Kindergärtenleitungen, die die Kinder sowie sich selbst schützen wollten.
Das sieht auch Sabrina Dopfer so, die in Offingen (Landkreis Günzburg) das Kinderhaus Glücksstern leitet. Dort dürfen Eltern schon seit geraumer Zeit keine Kuchen, Butterbrezen oder Ähnliches mehr mitbringen. „Das funktioniert sehr gut“, sagt Dopfer – und der Freude der Kleinen über ihren Geburtstag tue das keinen Abbruch. Sie dürften an ihrem Ehrentag bei der Sitzordnung und der Auswahl der Spiele mitentscheiden. Zudem gebe es ein Geschenk aus der „Schatzkiste“– da gerät Mamas Kuchen schnell in Vergessenheit.
Die entscheidende Frage ist: Wer trägt die Verantwortung?