Wertinger Zeitung

Verunsiche­rte Auto-Bosse suchen Auswege

Krise Konzerne präsentier­en auf der Messe IAA mehr E-Autos – und werden dennoch kritisiert

- VON STEFAN STAHL

Frankfurt am Main Auto-Manager sehen sich, obwohl sie mehr Elektrowag­en auf den Markt bringen, massiver Kritik an ihrem Umweltbewu­sstsein ausgesetzt. Die am Donnerstag in Frankfurt offiziell startende Internatio­nale Automobila­usstellung – kurz IAA – wird nun zu einem Tribunal über die aus Sicht der Kritiker unzureiche­nden Klima-Anstrengun­gen der Branche. Umweltakti­visten wollen am Wochenende die Messe mit Protesten zum Teil sogar lahmlegen.

Der Unmut richtet sich auf große Geländewag­en (SUV), die sich immer besser verkaufen. BMW hatte im August fast schon so viele dieser Fahrzeuge abgesetzt wie herkömmlic­he. Die Umweltschu­tz-Organisati­on Greenpeace bemängelt, dass der CO2-Ausstoß von bulligen SUVs deutlich höher sei als der normaler Wagen. Weil die Autos erheblich mehr wiegen, steigt aus Sicht von Greenpeace für Fußgänger die Gefahr, bei einem Aufprall schwer verletzt oder getötet zu werden. Der höhere Kühlergril­l treffe Passanten nicht an den Beinen, sondern am empfindlic­heren Oberkörper. Besonders gefährdet seien Kinder. Gerade starben bei einem Unfall mit einem SUV in Berlin vier Menschen.

Die Chefs der Auto-Konzerne geraten in einer radikalen Umbruchpha­se für die Branche in die Defensive. Kaum sind die schlimmste­n Folgen des Diesel-Skandals ausgestand­en, stehen die Manager wieder wegen der steigenden SUV-Verkäufe am Pranger. Auf der IAA versuchen die Manager daher einen Befreiungs­schlag, indem sie auf ihre Kritiker zugehen. VW-Chef Herbert Diess diskutiert­e mit der Kritikerin Tina Velo. Die Klima-Aktivistin, deren Name ein Pseudonym ist, warf dem VW-Boss vor, nach wie vor „schmutzige Produkte zu verkaufen“. Das in Frankfurt von VW vorgestell­te Elektroaut­o ID.3 sei ein „Feigenblat­t“. Diess wies das zurück und sagte zum SUV-Trend: „Sie sind das, was Kunden fahren wollen.“Er räumte ein, mit den Autos lasse sich mehr Gewinn erzielen.

So wird auf der Messe, die schon vorab für Journalist­en geöffnet ist, deutlich: Die Autoindust­rie verdient vor allem mit SUVs das Geld, um sich die Milliarden-Investitio­nen für Elektroaut­os leisten zu können. Und das, ohne zu wissen, ob die Verbrauche­r die E-Fahrzeuge je im erwünschte­n Maße kaufen.

Auch deshalb wirken die TopManager verunsiche­rt. Wie Diess appelliere­n sie an die Bürger, nun wirklich E-Autos zu kaufen. Dabei ist der Spagat zwischen Öko-Fahrzeugen und den SUV-Riesen schwierig, wie Auto-Experten unserer Redaktion bestätigte­n. Professor Stefan Bratzel meinte: „Es ist schwierig, hier die Balance zu halten.“Seiner Ansicht nach muss der Gesetzgebe­r eingreifen und SUV-Fahrer wegen der negativen Umwelteffe­kte der Fahrzeuge steuerlich stärker belasten. Die Einnahmen sollten Fahrern umweltvert­räglichere­r Autos zugutekomm­en. Auto-Fachmann Ferdinand Dudenhöffe­r forderte die Konzerne auf, ihre größten SUVs nur noch in den USA und nicht mehr in Europa zu verkaufen. Der Branchenke­nner sieht die Messe IAA in der Krise. Er schlägt vor, die Schau parallel mit der Internatio­nalen Funkausste­llung in Berlin zu veranstalt­en, um so die Attraktivi­tät zu erhöhen. Die IAA steckt tatsächlic­h in Schwierigk­eiten. Rund 30 BranchenGr­ößen wie Peugeot, Volvo oder Toyota blieben der geschrumpf­ten Messe fern. Wie VW-Chef Diess mit seiner größten Kritikerin umging, lesen Sie auf der Wirtschaft.

„Sie sind das, was Kunden fahren wollen.“VW-Chef Herbert Diess zum SUV-Boom

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