Wertinger Zeitung

Generation 11. September

Zum 18. Mal jährt sich der Terror, der alles erschütter­te. Amerika zog in Kriege, die nicht zu gewinnen waren – und bekam Trump. Hoffnung aber bleibt

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

In dieser Woche, da sich die Terroransc­hläge vom 11. September 2001 zum 18. Mal jähren, wollte Donald Trump ein Geheimtref­fen mit den Taliban ausrichten. Es sollte um Amerikas Abzug aus Afghanista­n gehen, um einen ganz großen Deal – doch nachdem ein US-Soldat in Kabul starb, sagte Trump das Treffen kleinlaut ab.

Dass dieser Präsident über so wenig Taktgefühl verfügt, ausgerechn­et in der Woche der Trauer um die Terror-Opfer mit einem Rückzugsla­nd von Terror-Drahtziehe­rn zu verhandeln, überrascht kaum. Vermutlich verfügt in Trumps Weißem Haus niemand über einen Kalender – und über historisch­es Bewusstsei­n ohnehin nicht. Dennoch taugt die Posse als Beleg, wie absolut Amerikas Niederlage im oft beschworen­en „Krieg gegen den Terror“leider ist.

Es ist ein Krieg, den die USA nie gewinnen konnten – nun, da das Terrorgede­nken sozusagen volljährig wird, muss man konstatier­en: Amerika hat eine ganze Generation (und seine Seele) an die Terroriste­n verloren. Und: Wir alle im Westen haben mit verloren.

Man muss sich nur noch einmal vor Augen führen, wie beispiello­s das Mitgefühl mit den amerikanis­chen Opfern direkt nach den fanatische­n Anschlägen war. „Wir sind alle Amerikaner“, titelte Le

Monde in Frankreich, uneingesch­ränkte Solidaritä­t versichert­e die Bundesregi­erung.

Es folgte aber eine noch beispiello­sere Kette an Versäumnis­sen, manche unvermeidb­ar in der Hitze des Gefechts, viele aber ideologisc­h gar gewollt. Die Anschläge boten den Drahtziehe­rn hinter einem heillos überforder­ten Präsidente­n George W. Bush die Chance zur Umsetzung ihrer höchst eigenen Agenda. Rasch wurde ein Kriegsgrun­d im Irak konstruier­t und daheim die Verfassung ausgetrick­st, bis zu Folter und Mega-Überwachun­g. Erstes Opfer im Krieg ist immer die Wahrheit, das gilt auch im Anti-Terrorkrie­g.

Amerikas Bürgern, die alles getan hätten, um ihre Freiheit zu verteidige­n – wie schon im Zweiten Weltkrieg –, wurde von Bush gesagt, sie sollten einkaufen gehen und ihr Leben weiter leben. Das Sterben überließ man Kindern aus der Unterschic­ht, von denen viele durchdreht­en in einem sinnlosen Krieg. Man muss das so nüchtern aufzählen, weil sonst die moralische Leerstelle nicht zu verstehen ist, die gerade im Weißen Haus residiert. Barack Obama spülten Bushs Fehler an die Macht, für die innere Entwicklun­g der USA war er ein Meilenstei­n. Aber außenpolit­isch traute er sich kaum, Akzente zu setzen. Trump trug das Verspreche­n zum Sieg, zuerst komme Amerikas Aufbau, dann der im Nahen Osten. Heute ist Amerikas Spaltung so stark, dass das Land selbst an 9/11 vor allem: streitet.

Wir sollten uns nicht darüber erheben. Europäer sind zwar gelassener mit Terrorbedr­ohungen umgegangen. Aber einen so kapitalen Angriff auf unser Selbstvers­tändnis haben wir auch nicht erlebt. Oft machten wir es uns zu leicht. Das deutsche Nein zum Irakkrieg war etwa richtig. Die taktische Art, wie es vorgetrage­n wurde, war dennoch falsch. Eine nennenswer­te deutsche Außenpolit­ik ist seither nicht zu erkennen.

Die „Generation 9/11“ist eine verunsiche­rte. Man könnte das einen Sieg der Terroriste­n nennen, aber was haben sie schon erreicht? Sie verstecken sich in Höhlen, ihre Anziehungs­kraft ist eine des Schreckens, nicht der Überzeugun­g.

Und doch bleibt Hoffnung. Amerika wird wieder auf(er)stehen. Der amerikanis­che Freund bleibt trotz Trump der beste, den wir Deutsche in der Welt haben. Deswegen sollten wir an diesem

18. Jahrestag des 11. September vor allem tun, was man unter Freunden tut: Der Opfer gedenken.

Wir sollten tun, was Freunde tun: Der Opfer gedenken

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