Kaum Hoffnung auf Ende des Krieges in Afghanistan
Analyse US-Präsident Trump stoppt Gespräche mit Taliban. Nun droht noch mehr Gewalt
Augsburg Alles war minutiös vorbereitet: Führende Vertreter der Taliban waren bereits zu Gesprächen nach Camp David eingeladen, in das Erholungsrefugium der US-Präsidenten und ihrer Familien. Berühmt geworden ist die Anlage im Bundesstaat Maryland 1978 durch die Friedensgespräche zwischen dem ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat und dem israelischen Regierungschef Menachem Begin unter Vermittlung von US-Präsident Jimmy Carter.
Doch das für vergangenen Sonntag geplante Geheimtreffen, das den entscheidenden Schritt hin zu einem Abkommen zwischen den USA und den radikalislamistischen Aufständischen in Afghanistan bringen sollte, ist geplatzt. Per Twitter cancelte US-Präsident Donald Trump das Treffen im letzten Moment und stoppte die Verhandlungen. Am Montag legte er nach: Was ihn angehe, seien die Gespräche „tot“, erklärte er. Trump begründete die Absage mit der aktuellen Gewalt. Er verwies auf einen Anschlag am vergangenen Donnerstag in Kabul, bei dem es zwölf Tote, darunter ein USSoldat, gegeben hatte.
Allerdings wurden die bereits über Monate laufenden Verhandlungen von noch blutigeren Anschlägen der Taliban begleitet. So spricht einiges dafür, dass der massive Widerstand in den Reihen der Republikaner gegen das CampDavid-Treffen und generell gegen ein Abkommen mit den Taliban dazu führte, dass der Präsident jetzt die Reißleine gezogen hat. Damit rückt die Einlösung seines Versprechens in weite Ferne, den Krieg, der seit fast 18 Jahren tobt, zu beenden und die US-Soldaten nach Hause zu holen. Knapp 2300 von ihnen starben seit 2001 in Afghanistan.
Über den Inhalt der Geheimverhandlungen ist kaum etwas bekannt. Die hatte berichtet, dass der US-Chefunterhändler den Taliban einen Abzug der USTruppen versprochen habe. Danach hätten sich die Aufständischen im Gegenzug verpflichtet zu verhindern, dass international operierende Terrorgruppen in Afghanistan Fuß fassen. Der Afghanistan-Experte Reinhard Erös ist über das Scheitern der Gespräche nicht überrascht. Er glaubt nicht daran, dass die USA in absehbarer Zeit das Bürgerkriegsland, in dem sie über rund 14000 Soldaten und fünf Flugbasen verfügen, verlassen. Dagegen sprächen militärische Interessen: „Afghanistan liegt in Nachbarschaft des Iran, einer der Hauptgegner der USA. Diese Position werden sie nicht aufgeben. Auch die Nähe zu Pakistan ist strategisch äußerst wichtig“, erklärt Erös, der mit seiner Kinderhilfe im Osten des Landes Kindergärten, Schulen und eine Universität errichtet hat, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er habe sich zudem gewundert, dass das geplatzte Treffen in Camp David ausgerechnet für den 8. September geplant war – drei Tage vor dem Jahrestag der Anschläge der Terrororganisation El Kaida auf die USA am 11. September 2001. Anschläge, mit denen die USA und ihre westlichen Verbündeten den Kriegseinsatz in Afghanistan begründet hatten. Ein Einsatz, der bis heute – je nach Schätzung – bis zu 100 Milliarden Euro verschlungen hat.
Wie aber geht es jetzt weiter in dem geschundenen Land? Die Taliban, die militärisch seit Monaten in der Offensive sind, wähnen sich am längeren Hebel. Erös ist sich sicher, dass die Islamisten entschlossen sind, Krieg zu führen, bis der letzte
Ohne US-Präsenz wären die Taliban kaum zu stoppen
ausländische Soldat das Land verlassen hat. „Für viele von ihnen sei der Kampf längst zum Lebensinhalt geworden.“Sie hätten nichts anderes gelernt. „Ohne die Präsenz der USTruppen könnte sich die Regierung in Kabul gegen die Taliban nicht lange halten“, sagt Erös. Gleichzeitig habe sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Taliban – trotz USUnterstützung – militärisch nicht besiegt werden können.
Erös beklagt eine verzerrte Wahrnehmung in westlichen Medien: „Furcht vor der Rückkehr der Taliban mögen die Eliten in Kabul haben. Die Menschen auf dem Land und in den kleinen Städten – das sind rund 80 Prozent – haben andere Sorgen: Krieg, Gewalt und die allgegenwärtige Korruption.“Viele von ihnen würden zudem in ländlichen Gebieten leben, die von den Taliban kontrolliert werden. Auch Erös hat mit ihnen Kontakt, um seine Hilfsprojekte zu erhalten. Er glaubt, dass „auch die Taliban wissen, dass sie im Internet-Zeitalter die Bevölkerung nicht mehr abschotten können wie vor 2001“.