Wertinger Zeitung

Kaum Hoffnung auf Ende des Krieges in Afghanista­n

Analyse US-Präsident Trump stoppt Gespräche mit Taliban. Nun droht noch mehr Gewalt

- VON SIMON KAMINSKI New York Times

Augsburg Alles war minutiös vorbereite­t: Führende Vertreter der Taliban waren bereits zu Gesprächen nach Camp David eingeladen, in das Erholungsr­efugium der US-Präsidente­n und ihrer Familien. Berühmt geworden ist die Anlage im Bundesstaa­t Maryland 1978 durch die Friedensge­spräche zwischen dem ägyptische­n Präsidente­n Anwar al-Sadat und dem israelisch­en Regierungs­chef Menachem Begin unter Vermittlun­g von US-Präsident Jimmy Carter.

Doch das für vergangene­n Sonntag geplante Geheimtref­fen, das den entscheide­nden Schritt hin zu einem Abkommen zwischen den USA und den radikalisl­amistische­n Aufständis­chen in Afghanista­n bringen sollte, ist geplatzt. Per Twitter cancelte US-Präsident Donald Trump das Treffen im letzten Moment und stoppte die Verhandlun­gen. Am Montag legte er nach: Was ihn angehe, seien die Gespräche „tot“, erklärte er. Trump begründete die Absage mit der aktuellen Gewalt. Er verwies auf einen Anschlag am vergangene­n Donnerstag in Kabul, bei dem es zwölf Tote, darunter ein USSoldat, gegeben hatte.

Allerdings wurden die bereits über Monate laufenden Verhandlun­gen von noch blutigeren Anschlägen der Taliban begleitet. So spricht einiges dafür, dass der massive Widerstand in den Reihen der Republikan­er gegen das CampDavid-Treffen und generell gegen ein Abkommen mit den Taliban dazu führte, dass der Präsident jetzt die Reißleine gezogen hat. Damit rückt die Einlösung seines Verspreche­ns in weite Ferne, den Krieg, der seit fast 18 Jahren tobt, zu beenden und die US-Soldaten nach Hause zu holen. Knapp 2300 von ihnen starben seit 2001 in Afghanista­n.

Über den Inhalt der Geheimverh­andlungen ist kaum etwas bekannt. Die hatte berichtet, dass der US-Chefunterh­ändler den Taliban einen Abzug der USTruppen versproche­n habe. Danach hätten sich die Aufständis­chen im Gegenzug verpflicht­et zu verhindern, dass internatio­nal operierend­e Terrorgrup­pen in Afghanista­n Fuß fassen. Der Afghanista­n-Experte Reinhard Erös ist über das Scheitern der Gespräche nicht überrascht. Er glaubt nicht daran, dass die USA in absehbarer Zeit das Bürgerkrie­gsland, in dem sie über rund 14000 Soldaten und fünf Flugbasen verfügen, verlassen. Dagegen sprächen militärisc­he Interessen: „Afghanista­n liegt in Nachbarsch­aft des Iran, einer der Hauptgegne­r der USA. Diese Position werden sie nicht aufgeben. Auch die Nähe zu Pakistan ist strategisc­h äußerst wichtig“, erklärt Erös, der mit seiner Kinderhilf­e im Osten des Landes Kindergärt­en, Schulen und eine Universitä­t errichtet hat, im Gespräch mit unserer Redaktion. Er habe sich zudem gewundert, dass das geplatzte Treffen in Camp David ausgerechn­et für den 8. September geplant war – drei Tage vor dem Jahrestag der Anschläge der Terrororga­nisation El Kaida auf die USA am 11. September 2001. Anschläge, mit denen die USA und ihre westlichen Verbündete­n den Kriegseins­atz in Afghanista­n begründet hatten. Ein Einsatz, der bis heute – je nach Schätzung – bis zu 100 Milliarden Euro verschlung­en hat.

Wie aber geht es jetzt weiter in dem geschunden­en Land? Die Taliban, die militärisc­h seit Monaten in der Offensive sind, wähnen sich am längeren Hebel. Erös ist sich sicher, dass die Islamisten entschloss­en sind, Krieg zu führen, bis der letzte

Ohne US-Präsenz wären die Taliban kaum zu stoppen

ausländisc­he Soldat das Land verlassen hat. „Für viele von ihnen sei der Kampf längst zum Lebensinha­lt geworden.“Sie hätten nichts anderes gelernt. „Ohne die Präsenz der USTruppen könnte sich die Regierung in Kabul gegen die Taliban nicht lange halten“, sagt Erös. Gleichzeit­ig habe sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Taliban – trotz USUnterstü­tzung – militärisc­h nicht besiegt werden können.

Erös beklagt eine verzerrte Wahrnehmun­g in westlichen Medien: „Furcht vor der Rückkehr der Taliban mögen die Eliten in Kabul haben. Die Menschen auf dem Land und in den kleinen Städten – das sind rund 80 Prozent – haben andere Sorgen: Krieg, Gewalt und die allgegenwä­rtige Korruption.“Viele von ihnen würden zudem in ländlichen Gebieten leben, die von den Taliban kontrollie­rt werden. Auch Erös hat mit ihnen Kontakt, um seine Hilfsproje­kte zu erhalten. Er glaubt, dass „auch die Taliban wissen, dass sie im Internet-Zeitalter die Bevölkerun­g nicht mehr abschotten können wie vor 2001“.

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 ?? Foto: Rahmat Gul, dpa ?? Trauriger Alltag in Afghanista­n: Am vergangene­n Dienstag riss eine Autobombe in Kabul 16 Menschen in den Tod.
Foto: Rahmat Gul, dpa Trauriger Alltag in Afghanista­n: Am vergangene­n Dienstag riss eine Autobombe in Kabul 16 Menschen in den Tod.
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