Wertinger Zeitung

Wie die Bahn grüner und günstiger werden will

Mobilität Jedes Jahr kurz vor Weihnachte­n werden die Fahrkarten teurer – diese Tradition könnte nun enden. Bahnchef Richard Lutz nennt dafür eine Voraussetz­ung. Und er sagt, warum es jetzt ICE mit Grünstreif­en gibt

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Berlin Grün wird jetzt Bahn-Farbe: Vorn und hinten bekommen alle ICE einen grünen Streifen anstelle des gewohnten Rot. „Kein Verkehrsmi­ttel ist so klimafreun­dlich wie die Bahn“, begründete der Vorstandsv­orsitzende Richard Lutz die Lack-Auswahl. Doch es gibt eine weitere Botschaft: Damit mehr Menschen Bahn fahren, könnten im Fernverkeh­r die Fahrkarten­preise deutlich sinken – sofern der Staat auf Mehrwertst­euer verzichtet. Darüber berät das sogenannte Klimakabin­ett der Bundesregi­erung in der nächsten Woche.

„Den finanziell­en Vorteil würden wir mit günstigere­n Fahrpreise­n eins zu eins an unsere Kunden weitergebe­n“, versprach Lutz. Dafür, auch bei Fahrten über 50 Kilometern nur noch den reduzierte­n Satz von sieben statt 19 Prozent Mehrwertst­euer zu verlangen, gibt es einen recht breiten Konsens von den Grünen bis zur CSU.

Für mehr politische­n Rückhalt setzt die Bahn seit Monaten voll auf das Klima-Argument. „Bahnfahren ist aktiver Klimaschut­z“, warb Lutz und zeigte auf einen grünen Stecker, der nun auf jeden ICE lackiert wird. Der Fernverkeh­r fahre seit dem vergangene­n Jahr komplett mit Ökostrom.

Das heißt aber nur, dass die Bahn so viel Ökostrom einkauft wie sie für den Fernverkeh­r braucht. In die Oberleitun­gen fließt der normale Bahnstromm­ix, der 2018 noch zu 43 Prozent aus Kohle, Gas und Atomkraft stammte. Auf vielen Nebenstrec­ken fahren außerdem noch Dieselloks. 60 Prozent des Gleisnetze­s ist elektrifiz­iert, darauf fährt 90 Prozent des Verkehrs. Echte 100 Prozent Ökostrom soll es 2038 geben, eine klimaneutr­ale Bahn 2050. „Die Eisenbahn soll das Verkehrsmi­ttel des 21. Jahrhunder­ts werden“, sagte der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Enak Ferleman. „Wir wollen richtig in das Schiennetz investiere­n.“Im laufenden Geschäft muss die Bahn aber besser werden, etwa bei der Fahrzeugbe­reitstellu­ng, wie der CDU-Politiker deutlich machte. „Da ist noch Luft nach oben.“Verspätung­en durch Baustellen dagegen seien kaum zu vermeiden. Die Bahn sei auf einem sehr guten Weg.

Der Bundeskonz­ern hatte sich dazu eine neue Strategie verordnet. Sie heißt „Starke Schiene“und zieht einen Schlussstr­ich unter frühere internatio­nale Expansions­pläne. Alles, was die Bahn tut, soll sich auf die Stärkung der Eisenbahn in Deutschlan­d ausrichten.

Geplant sind etwa in Großstädte­n Fernzüge im 30-Minuten-Takt, WLAN auch im Intercity und mehr Plätze in Pendlerzüg­en. Im Fernverkeh­r soll sich die Zahl der Fahrgäste nahezu verdoppeln, in Regionalzü­gen soll sie um die Hälfte zulegen. Dazu will die Bahn in Mitarbeite­r, neue Züge und Infrastruk­tur investiere­n.

Die Kapazität des Schienenne­tzes soll durch neue Gleise und Digitaltec­hnik um 30 Prozent steigen, die Zahl der Fernverkeh­rszüge von rund 460 auf bis zu 600 wachsen. Bahnhöfe sollen mehr Platz bieten und einfachere Übergänge zu Fahrrädern, Bussen und Mietwagen.

Doch bis dahin ist es ein weiter Weg für den hoch verschulde­ten Konzern. „Zukunft gibt es nicht zum Nulltarif“, sagte Lutz. Politik und Bahn müssten die Verkehrswe­nde als gemeinsame­n Kraftakt verstehen. Die geplante Mehrwertst­euersenkun­g könne einen wertvollen Beitrag leisten, die Fahrgastza­hl im Fernverkeh­r zu erhöhen. Zudem würden dann weitere neue Züge gekauft, damit die zusätzlich­e Nachfrage auch bewältigt werden kann.

Die Bahn hatte zunächst auch erwogen, bei einer Steuersenk­ung einen Teil des finanziell­en Vorteils in die Angebotsve­rbesserung zu stecken. Nun nannte Lutz es selbstvers­tändlich, dass die Fahrpreise im gleichen Maße gesenkt werden würden. Fahrkarten in der zweiten Klasse von ICE und Intercity sind seit der Jahrtausen­dwende um gut ein Viertel teurer geworden, wie das Bundesverk­ehrsminist­erium kürzlich mitgeteilt hatte. Nullrunden hatte es zuletzt in den Jahren 2015 und 2016 gegeben. Die Steigerung blieb insgesamt aber leicht unter dem Anstieg des Verbrauche­rpreisinde­x, der seit dem Jahr 2000 etwa 30 Prozent betrug.

Im Nahverkehr macht die Bahn nur für etwa jede fünfte Kundenfahr­t die Preise selbst, bei den übrigen sind die regionalen Verkehrsve­rbünde verantwort­lich, die Länder und Kommunen vertreten. Im Nahverkehr wurden Fahrkarten seit dem Jahr 2000 um etwa die Hälfte teurer. Burkhard Fraune, dpa

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Foto: Christophe Gateau, dpa Die ICE-Züge ziert von nun an ein grüner Stecker als Symbol für die Klimafreun­dlichkeit der Deutschen Bahn.

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