Wertinger Zeitung

Gibt es zu viele Studentenw­ohnungen?

Leben In Augsburg werden immer mehr Apartments für Studierend­e gebaut. Branchenke­nner befürchten deshalb eine negative Entwicklun­g

- VON EVA MARIA KNAB Archivfoto: Annette Zoepf

Diese Inserate klingen vielverspr­echend: „Neubau!!! Einziehen, Koffer auspacken und losstudier­en!!“Oder: „Studenten Apartment 5 Minuten zur Uni“. Wohnangebo­te für junge Leute, die in Augsburg studieren wollen, gibt es inzwischen sehr viele. In den vergangene­n Jahren sind Studenten-Apartments wie die sprichwört­lichen Pilze aus dem Boden geschossen. Branchenke­nner fragen sich: Sind es bald zu viele?

Eine Anfrage bei der Stadt ergibt: Seit Anfang 2014 wurden in Augsburg mehr als 20 Bauvorhabe­n mit Studentenw­ohnungen genehmigt. Baureferen­t Gerd Merkle sagt, „die Anzahl der Studentenw­ohnheimpro­jekte hat in den vergangene­n Jahren zugenommen“. Der positive Effekt ist, dass damit die Auswahl für Mietintere­ssenten grundsätzl­ich größer wird. Unter den neuen Projekten sind öffentlich geförderte Studentenw­ohnheime mit sozial verträglic­hen Mieten. Allein das Studentenw­erk Augsburg hat aktuell in der Stadt 1732 preisgünst­ige Wohnplätze in sechs Wohnanlage­n. Branchenke­nner gehen davon aus, dass noch etwa 900 weitere öffentlich

Mehr als 20 Bauvorhabe­n wurden genehmigt

geförderte Wohnplätze für Studierend­e bei anderen Trägern hinzukomme­n. In den vergangene­n Jahren wurden aber auch viele frei finanziert­e Studentena­partments gebaut, die oft an Kapitalanl­eger verkauft und entspreche­nd teuer vermietet werden. Auch aktuell werben Bautafeln im Stadtgebie­t um Studenten als Zielgruppe.

Zwar sind seit den „doppelten Abiturjahr­gängen“auch in Augsburg die Studentenz­ahlen stark nach oben gegangen. Rund 26 000 junge Leute sind insgesamt an der Universitä­t und an der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften für ein Studium eingeschri­eben. Doch längst nicht alle können sich Mieten von 500 Euro monatlich und mehr leisten – ein Grund, warum der Trend zu immer mehr Studentenw­ohnungen in der Stadt fatale Folgen haben könnte, sagen Fachleute.

Beim Studentenw­erk Augsburg wertet man immer wieder in Stichprobe­n den heimischen Immobilien­markt aus. Ergebnis: Noch halten sich Anbieter von Studentena­partments offenkundi­g an die geltenden Vorschrift­en, dass solche Wohnungen nur an Studierend­e, Auszubilde­nde und Schüler vermietet werden dürfen. Michael Noghero, Pressespre­cher des Studentenw­erks, sagt aber: In Einzelfäll­en gebe es bereits Vermieter von hochpreisi­gen Studentena­partments mit über 500 Euro Monatsmiet­e, die – mangels – mehr als zehn Prozent der Miete nachlassen.

Wenn aber die hoch kalkuliert­en Mietpreise von Kapitalanl­egern in Augsburg nach unten purzeln sollten, haben Branchenke­nner eine große Sorge: Sie sehen die Gefahr, dass Vermieter in Finanzieru­ngsnöten in diesem Fall die Belegungsv­orschrifte­n nicht mehr einhalten und die Studentena­partments an andere Mieter vergeben könnten. Denn sie haben das Problem, dass sie den Kaufpreis über die Miete refinanzie­ren müssen. Noghero sieht damit auch die Gefahr einer „Wettbewerb­sverzerrun­g“, sollten Studierend­e und Azubis mit gut verdienend­en Berufstäti­gen, die auf Zeit in Augsburg wohnen, um frei finanziert­e Studentena­partments konkurrier­en müssen.

Bei der Stadt teilt man diese Sorge nicht. Baureferen­t Merkle sagt, bei Studentenw­ohnungen sei vor einer Baugenehmi­gung eine dingliche Sicherung – also eine Eintragung einer Grunddiens­tbarkeit – hinsichtli­ch des eingeschrä­nkten Nutzerkrei­ses vorzulegen. Einfach gesagt, müssen die Vermieter zusichern, dass sie nur an Studenten vermieten. Aber wer kontrollie­rt, ob die Zusagen eingehalte­n werden? Nach Angaben des Baureferen­ten finden Kontrollen vor Ort bei Hinweisen auf eine Fehlbelegu­ng statt. „Dies spielt jedoch in der Praxis fast keine Rolle“, so Merkle. Fehlbelegu­ngen dieser Art seien in Augsburg nicht bekannt.

Dass der Bau von Studentenw­ohnungen boomt, könnte auch noch andere Gründe haben: Einerseits kann man damit einen Teil der Baukosten sparen. Denn für diese Objekte müssen weniger Autostellp­lätze angelegt werden als bei vielen anderen Wohnungen. Nach Angaben der Stadt ist bei Studentenw­ohnungen ein Stellplatz je drei Betten vorgeschri­eben. In der Realität sind das meist drei Wohnungen. Beim Geschosswo­hnungsbau müssen statisNach­frage tisch 1,1 Stellplätz­e pro Wohnung nachgewies­en werden, bei Mikroapart­ments ist es ein Stellplatz je zwei Wohnungen. Zum Vergleich: Ein Stellplatz in der Tiefgarage kostet rund 30 000 Euro – also ein Drittel der Wohnung.

Branchenke­nner sagen, dass profession­elle Investoren mit Studentenw­ohnen besonders hohe Renditen erzielen können. Mark Dominik Hoppe von der städtische­n Wohnbaugru­ppe in Augsburg sagt, „die Rechnung ist hier relativ einfach“. Wenn man ein kleines Apartment mit 18 Quadratmet­ern anbiete, könne der Quadratmet­erpreis problemlos bei etwa 5000 Euro liegen. Damit könne der Verkäufer eine breite Laien-Investoren­schicht erreichen, die über 100 000 Euro „Spielgeld“verfüge. Allerdings seien mit steigenden Grundstück­s- und Baukosten die Gewinne bei Studentena­partments in der Regel heute nicht mehr so hoch wie früher. »Kommentar

 ??  ?? In den kommenden Wochen gehen viele Studienanf­änger in Augsburg auf Wohnungssu­che. Die Auswahl an kleinen Apartments ist deutlich gestiegen. Aber nicht alle Mieten in Neubauten sind mit einem kleinen Budget bezahlbar.
In den kommenden Wochen gehen viele Studienanf­änger in Augsburg auf Wohnungssu­che. Die Auswahl an kleinen Apartments ist deutlich gestiegen. Aber nicht alle Mieten in Neubauten sind mit einem kleinen Budget bezahlbar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany