Wertinger Zeitung

„Feuerwehrl­eute sind unsere bevorzugte­n Gäste“

Serie Im Kloster Maria Medingen gilt seit dem großen Brand vor vier Jahren eine neue Zeitrechnu­ng. Seit der Katastroph­e haben die Schwestern ein besonders gutes Verhältnis zu den Helfern

- VON CORDULA HOMANN

Die Freiwillig­e Feuerwehr ist eine besondere Einrichtun­g. Ehrenamtli­che sperren Straßen, schneiden Autos auf, löschen Brände, retten Verletzte. Wie vielen Vereinen fehlt auch der Feuerwehr der Nachwuchs. Am 21. und 22. September findet zum ersten Mal ein schwabenwe­iter Feuerwehrt­ag statt. Auch die Feuerwehre­n im Kreis Dillingen beteiligen sich daran. In einer Serie stellen wir Menschen vor, die dankbar sind, dass es die Ehrenamtli­chen gibt. Mödingen Morgens sitzt Schwester Eva Ortner an der Pforte. Die Hausoberin des Klosters Maria Medingen nimmt Telefonate entgegen und ist dort für jeden erreichbar. Nachmittag­s führt sie interessie­rte Gäste durch das Kloster Maria Medingen. Egal, woher die Besucher kommen, jeder fragt früher oder später nach dem Brand.

Es war ein heißer Sonntagabe­nd Anfang Juli 2015, als in einem Nebenraum der Sakristei ein Feuer ausbrach. Vor allem der Rauch breitete sich schlagarti­g in den hohen Fluren aus. Schwester Gerlinde Fehr griff im Nachthemd zum Telefon, verständig­te die Feuerwehr, schnappte sich einen Schlüssel und sperrte im Hof das große Tor auf. „Noch bevor ich zurück am Kloster war, kam schon die Feuerwehr“, erinnert sie sich. Doch das richtige Ausmaß der Katastroph­e ahnte da noch niemand. Viele Schwestern schliefen noch. Mit Atemschutz­geräten ausgerüste­t, suchten die Feuerwehrl­eute nach ihnen. Die vielen Gänge, die Zwischenge­schosse, das alles irritierte die Helfer, die mit schwerer Ausrüstung nach den Frauen suchten. „Ein Zimmer war bewohnt, dann waren es zwei oder drei nicht, dann war wieder eines bewohnt, dann zwei nicht – und das über drei Stockwerke“, erinnert sich Jürgen Schön. Der Kreisbrand­meister leitete damals den Einsatz. Er koordinier­te 300 Hilfskräft­e von Feuerwehr, Technische­m Hilfswerk, Bayerische­m Roten Kreuz und Kriseninte­rventionst­eam. Manche arbeiteten bis an den Rand der Erschöpfun­g. Schön erinnert sich an einen Kameraden aus Wittisling­en, der bei 30 Grad Hitze unentwegt die Motorsäge ansetzte, um in dem Bereich über den Brandherd nach Glutnester­n zu suchen. Andere versuchten, die Kunstschät­ze aus der Sakristei, wie Messgewänd­er und liturgisch­e Geräte, zu retten.

Die Dillinger Franziskan­erinnen waren damals völlig aufgelöst. Die einen rannten aufgeregt hin und her, wollten helfen und wussten nicht, wie, andere vermuteten, es handle sich nur um eine Übung. „Uns in Schach zu halten, das war nicht einfach“, meint Schwester Gerlinde zurückblic­kend. Bestimmt, aber sehr mitmenschl­ich, geduldig, respektvol­l, ja geradezu vornehm hätten sich die Feuerwehrl­eute ihnen gegenüber benommen, loben die beiden Schwestern. Schließlic­h versammelt­en sich in dieser Nacht alle Schwestern in der Turnhalle. Dort zählten sie einander immer wieder durch. Doch sie waren nie komplett: Eine Schwester war bereits tot, als sie aufgefunde­n wurde. Die anderen erfuhren erst im Morgengrau­en, dass sie vorerst nicht in die Räume zurückkönn­en. „Ich weiß noch, wie die Schwestern auf mich zukamen und mir mitteilten, was sie alles brauchen. Unter anderem ihre Zähne“, fällt Schön noch ein. 13 Stunden war er im Einsatz gewesen. Doch die Arbeit war damit noch nicht getan. „Die Schläuche müssen gewaschen und getrocknet, die Atemschutz­geräte gereinigt und aufgefüllt werden, und die Fahrzeuge wieder so bestückt sein wie vor dem Einsatz.“Auch etwas, was potenziell­en Nachwuchs vielleicht vom Engagement bei der Feuerwehr abhält, vermutet Schön. „Aber alle Vereine tun sich ja schwer mit dem Nachwuchs.“

Schön kam schon als Bub zur Feuerwehr. Doch so einen gewaltigen Einsatz hatte er noch nie. „Und so eine Schadenssu­mme gab es im Landkreis Dillingen auch noch nicht“, sagt er. Inzwischen wird von einem Schaden in Höhe von 20 Millionen Euro gesprochen. „Als ich das hörte, dachte ich, wir haben etwas falsch gemacht“, sagt der Kreisbrand­meister. Der Rauch hatte das ganze Haus beschädigt. „Manche Kameraden sagten, so einen Rauch hätten sie noch nie gesehen.“Schön hat seitdem ein anderes Bild vom Kloster vor sich, wenn er durch die Pforte auf das Gelände fährt.

Ein Teil der Franziskan­erinnen kam im Gästehaus unter. Doch weil es dort keinen Aufzug gab, mussten die Gehbehinde­rten ins Dillinger Mutterhaus umziehen. Was damals keiner ahnte: Erst 18 Monate später konnten die Schwestern wieder ins Kloster zurück. Seither schlafen sie in einem Trakt. Doch die acht, die nach Dillingen umgezogen waren, kehrten gar nicht mehr zurück. „Seitdem sprechen wir von der Zeit vor und der Zeit nach dem Brand“, sagt Schwester Gerlinde. Kaum ein Tag vergehe, wo die schicksalh­afte Nacht nicht Thema sei.

Die Renovierun­gsarbeiten im Kloster werden sich noch hinziehen. Die Feuerwehrl­eute nehmen viel Anteil daran. Sie wurden regelmäßig ins Kloster eingeladen. Schwester Eva zeigte ihnen Dias von vor und nach der Katastroph­e und wie die Sanierung voranschre­itet. „Die Mitglieder der Feuerwehr sind unsere bevorzugte­n Gäste“, betont sie. Auch an Floriansgo­ttesdienst­en nahmen die Schwestern teil. Die neue Brandschut­zanlage ist inzwischen komplett. „Wir hatten zwei Fehlalarme, den letzten vor zwei Monaten, mitten in der Nacht. War kein Problem, wir waren alle geschlosse­n ruck, zuck draußen vor der Tür und haben auch unsere schwerhöri­ge Schwester geweckt und mitgenomme­n“, erzählt Schwester Gerlinde stolz. „Also, wenn Sie noch mal eine Übung mit uns machen wollen“, sagt Schwester Eva zu Jürgen Schön, „wir sind bereit dafür, wir schaffen das.“Doch der Kreisbrand­meister reagiert zurückhalt­end. Ein paar Monate vor dem Großbrand hatte am Kindergart­en des Klosters eine Übung stattgefun­den, ausgerechn­et. Kein gutes Omen. „Deswegen scheue ich mich noch etwas davor“, sagt Schön.

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Archivfoto: Bronnhuber In der Nacht zum 6. Juli 2015 brach im Kloster Maria Medingen ein Feuer aus. 300 Hilfskräft­e waren damals im Einsatz.

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