Wertinger Zeitung

Annegret Kramp-Karrenbaue­r: Eine Parteichef­in sucht ihre Rolle

Hintergrun­d CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r arbeitet zwar in Berlin, jetzt auch als Verteidigu­ngsministe­rin. Richtig angekommen in dieser Welt ist sie noch nicht. Am kritischst­en wird sie in den eigenen Reihen beäugt

- VON STEFAN LANGE

Berlin Dass es schwer werden würde mit der Doppelbela­stung, das war klar. Sieben Wochen ist Annegret Kramp-Karrenbaue­r nicht mehr nur CDU-Vorsitzend­e, sondern auch Verteidigu­ngsministe­rin. Es ist noch zu früh für eine Bilanz, dafür wurde mit gutem Grund einmal die 100-Tage-Frist eingeführt. Auffallend ist aber jetzt schon, dass die 57-Jährige nicht so richtig in den Tritt kommt. Ihren Platz in Berlin hat die Saarländer­in, so scheint es, noch nicht gefunden.

Politik hat viel mehr mit Inszenieru­ng zu tun als früher. Als Bühnen dienen unter anderem die mal mehr, mal weniger prächtig gebauten Vertretung­en der Bundesländ­er in Berlin. Unter den Prachtbaut­en ragt die Landesvert­retung von Nordrhein-Westfalen hervor. Die „Botschaft des Westens“ist eine markante architekto­nische Leistung mit großem Garten. Sie wird gerade von der CDU verwaltet, die in NRW regiert.

Hausherr ist Mark Speich, „Staatssekr­etär für Bundes- und Europaange­legenheite­n sowie Internatio­nales des Landes NordrheinW­estfalen“. Er ist ein blitzgesch­eiter, feinsinnig­er Mann. Er kann von seinem Büro auf den wunderschö­nen Garten der japanische­n Botschaft nebenan schauen, vor allem hat er für seinen Chef, NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU), die bundespoli­tische Lage genau im Blick. Zusammen haben sie ein Netz feiner Antennen, und hier kommt die Inszenieru­ng ins Spiel.

Einmal im Jahr lädt die Landesvert­retung zum Sommerfest. Die Einladunge­n sind heiß begehrt, mit dem Weinglas in der Hand wird Politik gemacht, werden Geschäfte angebahnt, Kontakte aufgefrisc­ht. Das Sommerfest hat diesmal VolksfestC­harakter, musikalisc­her Höhepunkt ist die Kultband „De Höhner“. Sehen, gesehen werden, da kommt schon den Begrüßungs­ansprachen von Laschet und Speich einige Bedeutung zu. Beide erwähnen die anwesenden Botschafte­r („Exzellenze­n“), viele andere Gäste, Laschet freut sich auf Kanzlerin Angela Merkel, die später erwartet wird. Annegret Kramp-Karrenbaue­r erwähnen er und Speich nicht.

Mindestens die Höflichkei­t würde es gebieten, die Parteivors­itzende auch kurz zu nennen. AKK wird zwar später noch gesichtet, aber die wirkungsvo­lle Inszenieru­ng bleibt verwehrt. Das liegt auch daran, dass viele hier die neue CDU-Vorsitzend­e nicht richtig ernst nehmen. Die einen trauern Angela Merkel nach, die anderen hätten sich Friedrich Merz gewünscht. Sie nehmen es Kramp-Karrenbaue­r übel, dass sie entgegen ihrer Ankündigun­g doch noch ins Kabinett gegangen ist und sich mit der Bundeswehr eine Reformbaus­telle aufgeladen hat, die notwendige Arbeiten am Parteigerü­st in den Hintergrun­d treten lässt.

Für Kramp-Karrenbaue­r ist die Landesvert­retung ein bisschen wie Feindeslan­d. Hartnäckig hält sich die Spekulatio­n, Armin Laschet werde sich als Kanzlerkan­didat bewerben und der Parteichef­in damit Konkurrenz machen. Den Segen seiner Mitglieder hat er. „Klar kann der Armin Kanzler“, sagt eine mit viel Schmuck behängte Besucherin des Sommerfest­es, während sie mit glänzenden Augen verfolgt, wie sich Laschet, heute ohne Krawatte, den Weg durch die Menge bahnt.

Aber selbst wenn AKK im Mittelpunk­t steht, zündet sie nicht, wie sich ein paar Stunden vorher zeigt. Schauplatz ist diesmal die „Axica Sky Lobby“unweit des Brandenbur­ger Tores. Der Blick schweift über das Reichstags­gebäude, in der Ferne gleiten Jets auf den Flughafen Tegel zu. Die Szenerie hat was von Sehnsucht, zugleich bildet sie eine gewisse Ordnung ab – alles hat seinen Platz, alles ein Ziel. Von der Politik in Berlin kann man das mit dieser Bestimmthe­it nicht sagen.

Die Neuvorstel­lung eines Buches mit dem Titel „Soziale Marktwirts­chaft ökologisch erneuern“der Konrad-Adenauer-Stiftung hier kommt da eigentlich gerade recht. Schließlic­h ist das zurzeit eine der zentralen Fragen für die CDU: Wie gebe ich dem Vermächtni­s von Ludwig Erhard einen frischen grünen Anstrich, ohne die Grundkonst­ruktion völlig zu übertünche­n? Maßgeblich­en Anteil an dieser Neudefinit­ion müsste die Parteivors­itzende haben. Annegret Kramp-Karrenbaue­r aber stellt in einem „Impulsrefe­rat“lediglich viele Fragen und bleibt Antworten schuldig.

Die Parteivors­itzende, der wenige Tage zuvor im ARD-Sommerinih­r terview schon nicht viel eingefalle­n ist, holt für ihre Betrachtun­g der Gegenwart 70 Jahre weit aus. Sie erinnert an die 1949 vorgestell­ten „Düsseldorf­er Leitsätze“, die erste wirtschaft­liche Vorstellun­gen der Partei beschriebe­n, und an das nicht minder antike erste CDU-Grundsatzp­rogramm von 1978. Ein Gast und prominente­s CDU-Mitglied merkt später an, dass es nicht ihre Sache sei, „zack, zack, mal eben ein paar Zukunftssz­enarien an die Wand zu werfen.“

In der Tat bringt AKK sogar den adretten Klaus Töpfer zum Gähnen. Töpfer war mal Bundesumwe­ltminister, er war Exekutivdi­rektor des Umweltprog­ramms der Vereinten Nationen, er ist so etwas wie der erste CDU-Öko. Als Umweltgesi­cht genießt er in den eigenen Reihen nahezu Kultstatus und könnte ein guter Multiplika­tor für Kramp-Karrenbaue­rs Klimaschut­z-Ideen sein. Wenn es denn an diesem Nachmittag welche gäbe.

An einer Stelle wird AKK leidlich konkreter. Da geht es um die Frage der CO2-Bepreisung. Sie sagt, alle bisherigen Überlegung­en in der Union gingen „in die Richtung Zertifikat­ehandel“. Dabei ist längst klar, dass CDU und CSU dies so wollen. Die Verteidigu­ngsministe­rin fragt noch, was smarte, mit dem Internet verbundene Waschmasch­inen taugen. Diese Maschinen könne man nachts laufen lassen, da sei der Strom billiger, das sei gut, sagt AKK. Die neue Technologi­e werfe aber auch die Frage auf, was das mit dem Datenschut­z mache. Und aus dem Publikum möchte man ihr da zurufen: Ja, was denn, bitte schön?

Kramp-Karrenbaue­r dringt zwar selber auf Antworten. In der deutschen Klima-Debatte sei man so weit, dass man „kein Erkenntnis­problem“mehr habe. „Aber wir sind jetzt an einem Punkt in der politische­n Debatte, dass man jetzt überlegen muss, was man umsetzen will“, sagt sie, hat aber vielleicht für den Augenblick nicht im Kopf, dass eine derartige Ansage von ihr kommen müsste. Von der Vorsitzend­en der CDU Deutschlan­ds.

Nach ihrem Vortrag setzt sich AKK auf ihren Platz, verschiede­ne

Schon seit November ruht ihr Blog

Experten sind jetzt an der Reihe. Sie ist zwar im Raum, schaut aber die meiste Zeit auf ihr Smartphone. Vielleicht tauscht sie sich mit ihrem Ministeriu­m aus, vielleicht auch mit der Parteizent­rale.

Die wirkt gerade, auch darüber können sich viele Mitglieder aufregen, etwas verwaist. Kramp-Karrenbaue­r hat den stellvertr­etenden Bundesgesc­häftsführe­r Nico Lange sowie weitere Vertraute in den Bendlerblo­ck geholt. Der angekündig­te Umbau des Konrad-Adenauer-Hauses stockt. Mit Isabelle Fischer ist gerade eine zweite VizePartei­sprecherin ernannt worden, sie hat interessan­terweise früher für Armin Laschet gearbeitet.

Auf der CDU-Homepage ist der Blog von Kramp-Karrenbaue­r lange nicht mehr befüllt worden. Sie will dort über Dinge schreiben, „die mir am Herzen liegen“. Der letzte Eintrag ist von Ende November. Liegt ihr gerade nichts am Herzen? Wahrschein­licher ist aber, dass dies eine weitere Baustelle ist, für die sie nicht genug Zeit hat. Vielleicht ist das die Antwort. Vielleicht hat AnnegretKr­amp Karrenbaue­r ihren Platz noch nicht gefunden, weil überall so viele Dinge rumliegen.

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? In Berlin steht Annegret Kramp-Karrenbaue­r (hier beim ARD-Sommerinte­rview) noch häufig im Schatten, kommt auch bei den Parteifreu­nden nicht so richtig an.
Foto: Paul Zinken, dpa In Berlin steht Annegret Kramp-Karrenbaue­r (hier beim ARD-Sommerinte­rview) noch häufig im Schatten, kommt auch bei den Parteifreu­nden nicht so richtig an.

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