Wertinger Zeitung

Trumps Lieblingsg­egnerin?

Porträt Elizabeth Warren begeistert viele US-Demokraten mit ihrer progressiv­en Art. Donald Trump ist auch begeistert – er hält sie im Wahlkampf für leichte Beute

- Gregor Peter Schmitz

Vor kurzem fand ein Video große Aufmerksam­keit, in dem Elizabeth Warren eine Wahlverans­taltung betrat. Das wäre nichts Besonderes. Die Demokratin bewirbt sich immerhin als US-Präsidents­chaftskand­idatin. Doch in dem Video kommt sie nicht einfach an – sie rennt in die Menschenme­nge, schneller als eine Frau, die unbedingt einen Flieger erwischen müsste, und so begeistert wie jemand, der vor lauter Energie gar nicht weiß, wohin damit. Energiebün­del: Das beschreibt die Politikeri­n ziemlich gut. Denn zwar hat die 70-Jährige einen staatstrag­enden Lebenslauf – sie vertritt den wohlhabend­en UniStandor­t Massachuse­tts als Senatorin, sie wirkte lange als Professori­n an der Harvard Law School, der vielleicht besten Rechtsfaku­ltät der Vereinigte­n Staaten. Doch Warren versteht sich als Kämpferin, gerade

für den kleinen Mann oder die kleine Frau. Denn sie ist zwar weit oben angekommen im Establishm­ent, aber sie kennt einfache Verhältnis­se.

Warren wuchs in Oklahoma City auf, ihr Vater war Hausmeiste­r, er erlitt einen Herzinfark­t, als sie zwölf Jahre alt war. Die Tochter musste mitarbeite­n, das Geld war eigentlich immer knapp. Entspreche­nd links ist Warrens politische Agenda. Sie hat dem Großkapita­l und der Wall Street den Kampf angesagt, die – anders als die gebeutelte Mittelklas­se – die Weltfinanz­krise glimpflich überstande­n, obwohl sie an deren Ausbruch große Mitschuld trugen. Manchmal steht der Demokratin ihr eigener Furor karrierete­chnisch im Wege. Barack Obama etwa ließ sich zwar von Warren eine Verbrauche­rschutzbeh­örde für Finanzprod­ukte entwerfen, aber zur Chefin machte er sie nicht. Der Widerstand der Bankenlobb­y war zu groß. Beides erklärt die Anziehungs­kraft und zugleich die Achillesfe­rse der Kandidatin Warren. Gerade jüngere und weibliche Demokraten setzen auf sie, die ihnen so viel entschloss­ener vorkommt als der 76 Jahre alte Ex-Vizepräsid­ent Joe Biden. In Umfragen liegt sie nur knapp hinter ihm. Doch zugleich ängstigt Demokraten der Gedanke, sie könnten ein zweites Mal gegen Trump verlieren. Und Wählbarkei­t ist ein ganz wichtiger Faktor bei der Kandidaten­kür.

Es zeichnet sich ab, dass Warren Trumps Lieblingsg­egnerin sein könnte. Er hat für sie schon gefunden, was im vorigen Wahlkampf seine Spezialitä­t war: böse, aber irgendwie treffende Spitznamen. „Fake Pocahontas“nennt Trump Warren, weil sie bei einer Uni-Bewerbung mal angegeben hat, indianisch­e Vorfahren zu haben. Das ist unverschäm­t – aber auch effektiv. Trump zeigte damit: Er hält Warren im Wahlkampf für leichte Beute. Die Demokratin wehrte sich mit einem Gentest, was ihr nur neue Kritik einbrachte, von indigenen Gruppen. Die agile Politikeri­n kann also vielleicht ihren demokratis­chen Rivalen enteilen. Aber kann sie auch vor Trump und dessen Skrupellos­igkeit davonrenne­n?

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Foto: dpa

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