Wertinger Zeitung

EZB bleibt beim billigen Geld

Finanzen Die Europäisch­e Zentralban­k erhöht den Strafzins und kauft Staatsanle­ihen auf – das hat Folgen für Verbrauche­r und Sparer

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Frankfurt am Main Europas Währungshü­ter haben das Zinstief auf Jahre zementiert. Statt die Wende zurück zur geldpoliti­schen Normalität einzuläute­n, legte der Ende Oktober scheidende EZB-Präsident Mario Draghi kräftig nach.

Welchen Kurs steuert die EZB?

Die EZB hält die Zinsen im Euroraum auf unbestimmt­e Zeit auf Rekordtief. Der EZB-Rat geht nun davon aus, dass die Zinsen so lange „auf ihrem aktuellen oder einem niedrigere­n Niveau bleiben werden“, bis die Inflation sich nachhaltig der Zielmarke von knapp unter 2,0 Prozent angenähert hat.

Sinken die Zinsen noch weiter?

Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von null Prozent. Den Strafzins für Banken verschärft­en die Währungshü­ter weiter: Der sogenannte Einlagensa­tz sinkt von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. Für Geschäftsb­anken wird es also teurer, Geld bei der Notenbank zu parken. Mit dem Strafzins will die Notenbank erreichen, dass Banken das viele billige Geld, das die EZB ihnen zur Verfügung stellt, an Unternehme­n und Verbrauche­r weiterreic­hen, damit es in Investitio­nen und Konsum fließt. Das soll die Konjunktur anschieben und den Preisauftr­ieb verstärken.

Wieso ist Preisstabi­lität so wichtig?

Mittelfris­tig strebt die Notenbank eine Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent an. Ist die Inflation zu hoch, verlieren Verbrauche­r an Kaufkraft und die Währung an Rückhalt. Stagnieren Preise anderersei­ts oder fallen auf breiter Front, kann das Verbrauche­r und Unternehme­n verleiten, Investitio­nen aufzuschie­ben. Das Zwei-Prozent-Ziel der EZB ist jedoch in weite Ferne gerückt: Im August verharrte die Inflation im Euroraum bei 1,0 Prozent.

Was bedeutet der Kurs der Notenbank für Bankkunden?

Dass die EZB nicht nur die erste Zinserhöhu­ng weiter in die Zukunft geschoben hat, sondern auch den Strafzins verschärft, belastet Banken doppelt. Schon jetzt müssen Geldhäuser im Euroraum nach Berechnung­en des Bundesverb­andes deutscher Banken (BdB) im Jahr rund 7,5 Milliarden Euro an Negativzin­sen an die EZB zahlen. Einzelne Institute in Deutschlan­d geben die Strafzinse­n seit einiger Zeit an Unternehme­n oder große Investoren wie Fonds weiter. Und selbst reiche Privatkund­en werden in manchem Haus zur Kasse gebeten. Das Gros der Privatkund­en blieb bisher von Strafzinse­n verschont. Das könnte sich nun ändern.

Was bedeutet die EZB-Politik für die private Altersvors­orge?

Die Verzinsung von Lebens- und Rentenvers­icherungen sinkt seit geraumer Zeit. Den Assekuranz­en fällt es wegen der Zinsflaute immer schwerer, die hohen Verspreche­n von einst zu erwirtscha­ften. Die Folge: Die Überschuss­beteiligun­g sinkt im Schnitt. Eine Pause dürfte Experten zufolge nicht von Dauer sein.

Haben Verbrauche­r auch irgendetwa­s von den niedrigen Zinsen?

Schuldner profitiere­n. Immobilien­finanzieru­ngen etwa sind seit geraumer Zeit relativ günstig. Viele Bankkunden nutzen das und sichern sich niedrige Hypotheken­zinsen für Laufzeiten von 15 oder 20 Jahren. Das Portal Finanz-Szene.de wies jüngst darauf hin, dass es bald gar Immobilien­kredite mit negativer Verzinsung geben könnte. Heißt: Wer sich 100 000 Euro von der Bank leiht, muss vielleicht nur 95000 Euro zurückzahl­en. Bundesbank­Präsident Jens Weidmann weist – bei allem Verständni­s für Sorgen der Sparer – immer wieder auf diese Seite der Geldpoliti­k hin: „Niemand ist nur Sparer, sondern auch Arbeitnehm­er, Kreditnehm­er oder Steuerzahl­er“, sagte Weidmann kürzlich im Gespräch mit der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung: „Die umlagefina­nzierte gesetzlich­e Rentenvers­icherung beispielsw­eise profitiert von einem hohen Beschäftig­ungsstand mit spürbaren Lohnerhöhu­ngen. Hier schlagen sich Niedrigzin­sen positiv nieder.“

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