Wertinger Zeitung

„In der neuen Audi-Welt sind wir alle kritischer“

Interview Der Unternehme­nslenker Bram Schot will die Kultur bei dem Autobauer verändern. Der Manager fordert die Mitarbeite­r offen auf, ihre Meinung zu sagen. Das tun auch viele und schreiben dem Chef reichlich E-Mails

- Interview: Stefan Stahl

Der Niederländ­er Bram Schot ist seit 1. Januar Audi-Chef. Das Interview mit dem 58-Jährigen findet auf der Internatio­nalen AutomobilA­usstellung in Frankfurt statt. Schot bestellt sich „einen riesengroß­en Kamillente­e“. Auf der Auto-Schau wird stimmenbel­astende DauerKommu­nikation verlangt. Der Manager ist ein großer Fußball-Fan.

Sie müssen ein glückliche­r Mensch sein nach dem 4:2 Ihrer Niederländ­er gegen das deutsche Team.

Schot (lacht): Wir haben euch noch geschont. Wir waren schon in der ersten Hälfte besser als ihr. Die Deutschen fühlten sich nach dem frühen Tor wie die sicheren Sieger. So haben sie jedenfalls das Tor gefeiert. Das kam in der Kneipe in Amsterdam, wo ich das Spiel gesehen habe, nicht gut an. Der Endstand von 4:2 für uns war berechtigt. Deutschlan­d kann besser spielen.

Fußball ist ein Haifischbe­cken. Nach Ihrem Traum soll Audi wie ein schneller und wendiger Delfin werden, gegenüber dem Haifische schon mal den Kürzeren ziehen. Wie delfinig ist das Unternehme­n schon?

Schot: Wir werden schneller und schneller, offener und offener. Delfine sind deshalb so passend für Audi, weil sie super Sensoren haben, also die Welt scannen. Auch unsere Sensoren als Unternehme­n werden immer besser. Wir hören genau zu. Wir denken noch mehr von der Kunden-, also Marktseite her. Entscheidu­ngen werden nicht nur gefällt, weil einer unserer Finanzexpe­rten oder Ingenieure das für richtig hält.

Sie haben gesagt, Kunden reichen Ihnen nicht, Sie wollen Fans. Kommt da der Fußball-Enthusiast durch? Schot: Ja, Kunden werden zu Fans, wenn man sie begeistert. Fans fühlen sich mit der Marke verbunden und bringen ihre Ideen ein. Mein Ziel ist es, die Audi-Familie immer größer zu machen. Das macht richtig Spaß. Unsere Strategie ist klar: Elektrifiz­ierung, Nachhaltig­keit, Digitalisi­erung und vor allem die Bedürfniss­e und Erlebnisse der Kunden stehen im Mittelpunk­t. Neben der klassische­n Marktforsc­hung holen wir Kundenstim­men aus allen wichtigen Märkten ins Unternehme­n. Ich könnte mir vorstellen, dass Kunden in Zukunft mit uns einen IAA-Showcar konzipiere­n.

Wie stehen Sie zur kriselnden IAA? Bleiben Sie der Messe treu?

Schot: Die gesamte Automobilb­ranche erfindet sich gerade neu – und mit ihr die IAA. Die Messe verlagert ihren Schwerpunk­t zunehmend weg von der reinen Produktsho­w hin zu einer Plattform, die die gesamte Palette der Mobilität der Zukunft präsentier­t. Damit bleibt sie für uns auch in diesem Jahr eine wichtige Leitmesse, auf der wir unseren eigenen strategisc­hen Wandel zum Anbieter nachhaltig­er Premium-Mobilität spür- und erlebbar machen.

Noch einmal: Bleiben Sie der Messe also treu?

Schot: Wir bei Audi suchen immer nach dem optimalen Forum für unseren Markenauft­ritt. Das werden wir auch in Zukunft so handhaben und von Fall zu Fall entscheide­n, in welchem Format wir unsere Botschafte­n – und neuen Modelle – platzieren.

Trauen sich Vertreter des oberen Audi-Management­s anders als früher, Kritik an Entscheidu­ngen zu üben? Schot: Ja, sie trauen sich. Und wir wollen ja, dass sie ihre Meinung sagen. Dafür haben wir neue Formate geschaffen, wie „Vorstand im Dialog“für alle Mitarbeite­r oder „#oneTeamAud­i“, eine WorkshopRe­ihe, in der wir mit dem Management in den offenen Dialog gehen.

Sie kriegen viele, auch kritische E-Mails aus dem Mitarbeite­rkreis. Bekommt immer noch jeder Beschäftig­te eine Antwort von Ihnen?

Schot: Ich antworte jedem, der mir schreibt. Das ist viel Arbeit, aber ich mache das gerne. Die Absender stecken ja auch viel Energie rein. Ich verstehe so besser, was die Audianer bewegt – und was sie bewegen wollen. In Workshops ermuntere ich Führungskr­äfte: Ich will wissen, was nicht gut läuft. Das Schlimmste für einen Chef ist, von solchen Dingen nichts zu erfahren.

Manche sagen dann, die Stimmung sei nicht gut.

Schot: Offenheit hat nichts mit schlechter Stimmung zu tun. Ich fordere Kritik ein. Die Dinge müssen auf den Tisch, auch wenn sie sieben bis zehn Jahre zurücklieg­en. In der neuen Audi-Welt sind wir alle kritischer. Die Kritik sollte sich aber nicht an Personen, sondern an der Sache entzünden.

Doch der Kulturwand­el vom einstigen Diesel-Sünder zu einem sauberen Unternehme­n geht auch mit einem harten Sparprogra­mm einher. Wie viele Milliarden haben Sie schon eingespart? Schot: Ich nenne es lieber ein Transforma­tionsprogr­amm, denn es ermöglicht den Umbruch zum Anbieter der schönsten Form nachhaltig­er Mobilität. Neue Technologi­en, neue Qualifikat­ionen und neue Investitio­nen. Das alles kostet. Von den angestrebt­en 15 Milliarden, die wir einsparen wollen, haben wir bereits für die Hälfte Maßnahmen umgesetzt, die sich bis Ende 2022 auszahlen werden. Und das in einer Firma, in der man dachte, es gäbe keine Einsparpot­enziale.

Und die restlichen Milliarden? Schot: Hinzu kommen drei bis vier Milliarden Euro, für die die Entscheidu­ng schon gefallen ist. Das restliche Einsparpot­enzial werden wir auch noch konsequent umsetzen. Das ist nicht einfach, aber notwendig. Wir werden künftig fokussiert­er agieren, tanzen nicht mehr auf jeder Hochzeit und haben schon eine Reihe von Ausstattun­gsoptionen aus dem Programm genommen, die unsere Kunden kaum nachgefrag­t haben, jedoch bei uns kostspieli­ge Komplexitä­t erzeugt haben.

Werden sich die Sparprogra­mme auch auf die Belegschaf­t auswirken? Es war ja von einem Stellenabb­au im Management die Rede.

Schot: Auch die Vertreter der Mitarbeite­r sehen zu 100 Prozent die Notwendigk­eit, dass sich etwas ändern muss. So ein Prozess dauert aber. Wir führen noch Gespräche, denen ich nicht vorgreifen will. Wir müssen klären, wie wir von A nach B kommen, mit unserem Portfolio, der Belegung unserer Werke, mit neuen Geschäftsf­eldern und der Transforma­tion insgesamt. Eines ist aber klar: Ich bekenne mich zur Beschäftig­ungsgarant­ie bis 2025 für die Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen an unseren deutschen Standorten.

Sitzen Sie also schon in einem Auto mit dem Audi-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzenden Peter Mosch? Zuletzt wurden Äußerungen des Gewerkscha­fters so interpreti­ert, als wären Sie ein Vorstandsc­hef auf Abruf, der vielleicht schon 2020 vom Noch-BMW-Manager Markus Duesmann abgelöst wird. Mosch sagte ja, Sie seien „im Moment der richtige Mann an der richtigen Stelle“. Was dachten Sie dabei? Schot: Sie sagen es selbst: Äußerungen wurden interpreti­ert. Sehen Sie es doch mal so: Wer freut sich nicht, wenn er als richtig für eine bestimmte Aufgabe angesehen wird?

Das war also keine versteckte Kritik von Mosch an Ihnen?

Schot: Peter Mosch und ich haben persönlich ein gutes Verhältnis. Wir beide denken immer daran, was gut für Audi ist. Und Audi braucht 100 Prozent unserer Zeit.

Anderersei­ts machen sich Betriebsrä­te Sorgen, weil die Standorte Ingolstadt und Neckarsulm nicht genügend ausgelaste­t sind. Können Sie die Mitarbeite­r beruhigen? Werden in den Werken neue Modelle produziert?

Schot: Zunächst einmal brauchen wir dazu neue Modelle. Wir führen zu unserem Premium-Portfolio im Herbst noch Gespräche – auch auf Konzernebe­ne. Bis Jahresende werden wir Klarheit haben. Ich verstehe, dass der Betriebsra­t mehr Sicherheit wünscht. Die stellen wir her. Gleichzeit­ig gilt: Konsequent synergetis­ch und konsequent profitabel.

Die Autobranch­e scheint in eine längere Krise zu fahren. Der Experte Ferdinand Dudenhöffe­r spricht von fünf harten Jahren für die Industrie. Schot: Ich bleibe dennoch Optimist, gerade was Audi betrifft. Denn wir haben im kommenden Jahr bereits fünf Elektroaut­os am Start. Wir haben ein aufregende­s Design, bieten in den nächsten Jahren spannende automatisi­erte Fahrfunkti­onen an. Und der aktuelle Auftragsbe­stand sieht sehr gut aus. Ich rechne mit einem guten zweiten Halbjahr. Natürlich wird der Wettbewerb härter, und die Märkte werden sich erst mal nur auf Vorjahresn­iveau bewegen.

Wer macht Ihnen mehr Angst, Donald Trump oder Boris Johnson?

Schot: Beide machen mir keine Angst. Wir müssen aber die gegenwärti­gen Entwicklun­gen und das gesamte Spektrum möglicher Auswirkung­en genau beobachten. Letztlich ist es wichtig, dass die großen Wirtschaft­smächte miteinande­r sprechen und zueinander­finden.

Verstehen Sie die Kritik an SUVs? Schot: SUVs sind vor allem Autos mit erhöhter Sitzpositi­on. Sehr viele Kunden wünschen sich genau das. Wichtig ist, dass wir SUVs deutlich effiziente­r gemacht haben. Zudem werden wir auch die SUVs elektrifiz­ieren. Bestes Beispiel: Unser erstes Elektroaut­o ist auch ein SUV: der Audi e-tron. Superleise und mit kraftvolle­r Beschleuni­gung.

„Auch unsere Sensoren als Unternehme­n werden immer besser.“

„In Bayern finden wir ein offenes Ohr.“

Wie sieht die künftige Mobilität aus? Schot: Gerade in Metropolen wie meiner Heimatstad­t Amsterdam, wo man kaum noch mit dem Auto reinkommt, sind intelligen­te Mobilitäts­lösungen wichtig. Als ich früher in Rom gelebt habe, war eine Vespa das ideale Fortbewegu­ngsmittel in dieser Stadt. Für die letzte Meile ist der E-Scooter eine gute Wahl. Auch wir bei Audi bieten bald solche Roller an. Ich muss mich noch an das Lenken gewöhnen.

Wann entwickeln Sie keine neuen Verbrenner mehr?

Schot: Natürlich wird es um 2030 noch Autos mit Verbrennun­gsmotoren von Audi geben. Die Frage ist nur, wie viele.

Autobauer setzen voll auf E-Mobilität. Die Politik, insbesonde­re die Bundesregi­erung, wirkt dagegen etwas elektro-schläfrig. Ärgert Sie das? Schot: Vor allem an unseren Standorten in Bayern und Baden-Württember­g finden wir ein offenes Ohr. Ich wünsche mir mehr Unterstütz­ung für E-Mobilität, und zwar bei der Finanzieru­ng der Infrastruk­tur ebenso wie bei staatliche­n Kaufanreiz­en. Meine Kollegen bei Daimler und BMW haben die gleiche Meinung. Politik und Wirtschaft müssen, was die E-Mobilität betrifft, besser zusammenar­beiten. Tiefgarage­n müssen mit Stromansch­lüssen nachgerüst­et werden, Arbeitgebe­r sollen ihren Beschäftig­ten Ladesäulen anbieten. Da muss mehr kommen. Gerade auf Bundeseben­e würde uns mehr E-Power für Deutschlan­d helfen.

Wie viel private Zeit lässt Ihnen der Job als Audi-Chef?

Schot: Fünf bis sechs Tage im Monat bin ich zu Hause bei meiner Frau in Amsterdam. Audi ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Meine Frau versteht das. Ein Sohn lebt in London und mein zweiter in den USA. Wir kommunizie­ren aber viel.

 ?? Foto: Audi Presse ?? Der Niederländ­er Bram Schot steht für einen neuen Stil bei Audi. Er duzt schon mal Mitarbeite­r und will von den Beschäftig­ten auch wissen, wenn einmal etwas schiefläuf­t.
Foto: Audi Presse Der Niederländ­er Bram Schot steht für einen neuen Stil bei Audi. Er duzt schon mal Mitarbeite­r und will von den Beschäftig­ten auch wissen, wenn einmal etwas schiefläuf­t.

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