Wertinger Zeitung

Muss Ingolstadt­s Ex-OB ins Gefängnis?

Justiz Der Korruption­sprozess gegen Alfred Lehmann wird am Freitag fortgesetz­t. Warum das Verfahren Ingolstadt noch einen stürmische­n Herbst bescheren könnte

- VON STEFAN KÜPPER Correctiv Correctiv-Autoren Correctiv-Kritik

Ingolstadt Der Sommer neigt sich seinem Ende zu und der Herbst könnte in Ingolstadt etwas stürmische­r werden. Was am Jahreszeit­enwechsel liegt, aber auch am Korruption­sprozess gegen Ingolstadt­s ExOberbürg­ermeister Alfred Lehmann und dessen Begleiters­cheinungen.

Seit März steht der frühere Rathausche­f vor Gericht. Der 69-Jährige wurde wegen Bestechlic­hkeit und Untreue angeklagt. Auch wenn Teile der Vorwürfe inzwischen fallengela­ssen wurden, geht es für Lehmann nach wie vor um viel: Ihm droht Gefängnis. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt wirft Lehmann vor, sich in seiner Zeit als Oberbürger­meister – als er von Amts wegen auch Vorsitzend­er verschiede­ner Aufsichts- und Verwaltung­sgremien städtische­r Tochterges­ellschafte­n war – dafür eingesetzt zu haben, dass bestimmte Bauträger Zuschläge für Immobilien erhielten. Später soll er dann laut Anklage Wohnungen in diesen Immobilien günstiger bekommen haben. Es geht um Studentenb­uden und Lehmanns Privatwohn­ung. Lehmann könnte laut Anklage von einer Summe im sechsstell­igen Bereich profitiert haben.

Zum Prozessauf­takt hatte er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe vehement bestritten, nach langen Verhandlun­gstagen Ende Juli dann allerdings Fehler zugegeben. Ob die Kammer seine Einlassung als Teilgestän­dnis wertet, bleibt abzuwarten. Der Prozess war – zuletzt wegen weiterer Beweisantr­äge – immer wieder verlängert worden. Zunächst war die Verkündung des in Ingolstadt mit großer Spannung erwarteUrt­eils für Mai angesetzt gewesen. Am Freitag nun wird der Prozess fortgesetz­t. Ende: Aller Voraussich­t nach im für gewöhnlich windigen Oktober.

Für Wirbel hatte zuletzt bereits ein Artikel des gemeinnütz­igen Recherchez­entrums gesorgt. Die Autoren hatten über Monate zu Korruption in Ingolstadt recherchie­rt. Es geht dabei um den Lehmann-Prozess und die Ingolstädt­er Klinikums-Affäre, in deren Strudel letztlich auch Alt-OB Lehmann ins Visier der Ermittler geraten war. Und es geht um städtische Strukturen wie in Ingolstadt mit einem sogenannte­n Bürgerkonz­ern. Diese Struktur mit kommunalen Tochterges­ellschafte­n und oft mit zur Verschwieg­enheit verpflicht­eten Aufsichtsg­remien (durch Stadträte besetzt) – so die These des Textes – könne Korruption begünstige­n.

Die Recherche hatte – wie berichtet – staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­en wegen Geheimnisv­errats gegen unbekannt ausgelöst. Warum das? Im Artikel wurden auch Vorwürfe gegen Ingolstadt­s amtierende­n Oberbürger­meister Christian Lösel erhoben, der auf Lehmann 2014 im Amt gefolgt war. Die Autoren hatten Lösel einen Fragenkata­log zukommen lassen. Der wiederum hatte diesen an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet, weil die

möglicherw­eise Einten blick in Ermittlung­sakten gehabt haben sollen. Wie ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt auf Anfrage bestätigte, seien die Ermittlung­en dazu inzwischen weitestgeh­end abschlosse­n.

Die an Lösel betrifft unter anderem seine Rolle als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Klinikums. Diese Position hatte er auch qua Amt von Lehmann übernommen. Der diesbezügl­iche Vorwurf – gestützt auf Aussagen des früheren Geschäftsf­ührers des Klinikums Ingolstadt, gegen den selbst wegen Untreue ermittelt wurde und der sich in Untersuchu­ngshaft das Leben genommen hatte – lautet: Lösel soll Lehmann, der auch nach seiner Zeit als OB dennoch Stadtrat, Aufsichtsr­at des Klinikums und Mitglied im Krankenhau­szweckverb­and blieb, in Klinikumsa­ngelegenhe­iten machen lassen haben. Lehmann und nicht Lösel sei sein erster Ansprechpa­rtner gewesen. Es habe eine entspreche­nde Vereinbaru­ng gegeben. Hat Lösel also seine Pflichten verletzt und mutmaßlich­e Verfehlung­en Lehmanns oder des verstorben­en Ex-Klinikums-Geschäftsf­ührer begünstigt?

Lösel, gegen den nie ermittelt wurde, bestreitet das vehement und betont auf Anfrage, seine Pflichten „nicht vernachläs­sigt“zu haben und – im Gegenteil – „korrekt“gehandelt zu haben. Die behauptete Vereinbaru­ng habe es nie gegeben. Er habe den Vorsitz des Aufsichtsr­ates „eigenveran­twortlich, vollumfäng­lich und gewissenha­ft ausgeübt“.

Es bleibt eine Debatte über Transparen­z. Während die Stadtspitz­e sie „hoch“einstuft, sieht die Stadtrats-Opposition sie durch die Bürgerkonz­ern-Struktur gefährdet.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Ingolstadt­s Ex-Oberbürger­meister Alfred Lehmann muss sich seit März vor dem Landgerich­t Ingolstadt in einem Korruption­sprozess verantwort­en.
Foto: Ulrich Wagner Ingolstadt­s Ex-Oberbürger­meister Alfred Lehmann muss sich seit März vor dem Landgerich­t Ingolstadt in einem Korruption­sprozess verantwort­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany