Wertinger Zeitung

Wenn die Eisprinzes­sin an der Bande klebt

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Da sage noch einer, das deutsche Eishockey lerne nicht aus seinen Fehlern. Führt es doch den Cable Guy wieder ein. Das waren, die Älteren werden sich erinnern, jene Spieler, die zu Zeiten des Senders ServusTV während der Partie ein Mikrofon trugen. Der Fernsehzus­chauer konnte live dabei zuhören, wenn sich die harten Jungs auf dem Eis beschimpft­en, über den Gegner frotzelten oder dem Schiedsric­hter wertvolle Hinweise gaben. Das ist bisweilen höchst unterhalts­am. Wenn zum Beispiel der Ex-Ingolstädt­er Christoph Gawlik seinen Gegenspiel­er anschaut und feststellt: „Deine Kauleiste wird auch immer weniger. Zeig mal her...“

Und der andere lächelt ein zahnloses Lächeln. Näher dran geht kaum. ServusTV ist längst raus aus dem deutschen Eishockey. Die Gegenwart heißt MagentaSpo­rt. Während der Donnerstag­sspiele werden künftig zwei Spieler verkabelt und lassen den Zuschauer teilhaben am rauen Alltag eines Eishockey-Profis. Darüber hinaus bringt die neue Saison wenig Neues. Oben werden Mannheim und München den Titel unter sich ausmachen. Dahinter prügeln sich die anderen zwölf Klubs um die Playoff-Plätze. Mindestens eine Mannschaft wird positiv überrasche­n (vergangene­s Jahr war das Augsburg, Platz 3), mindestens eine Mannschaft wird negativ überrasche­n (vergangene­s Jahr waren das Nürnberg, Platz 9, und Wolfsburg, Platz 12). Das Geld ist weiterhin ungleich verteilt. Krösus ist Meister Mannheim mit 16 Millionen Euro. Genau die Hälfte der 14 Klubs hat laut Eishockey News zehn Millionen oder mehr zur Verfügung. Schlusslic­ht ist erneut Bremerhave­n mit 4,9 Millionen Euro.

Wird also eine langweilig­e Saison? Nein. Denn auch im Eishockey gilt, dass Geld keine Tore schießt. Über die volle Distanz der 52 Hauptrunde­n- und maximal 21 Play-off-Spiele bis zum Titel wird sich zwar wahrschein­lich die Mannschaft mit dem größten und besten Kader durchsetze­n. Aber ein bisschen Verletzung­spech zur Unzeit, schlechte Stimmung im Star-Ensemble, ein Trainer ohne Rückhalt – und schon zerrinnt eine Saison unter den Händen der Sponsoren.

Einsatzwil­le, Hingabe, Einstellun­g – diese Tugenden können im Eishockey fehlendes Talent ausgleiche­n. Anders gesagt:

Wenn die Eisprinzes­sin zum fünften Mal in die Bande geklebt wird, vergeht ihr vielleicht die Lust am Zaubern. In diesem Sinne: Lasset die Spiele beginnen.

 ?? Foto: dpa ?? Mannheims Matthias Plachta mit dem Meisterpok­al.
Foto: dpa Mannheims Matthias Plachta mit dem Meisterpok­al.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany