Aus den Augen verloren
FC Bayern Die Münchner dominieren eine Halbzeit lang RB Leipzig – vergessen aber, dass Fußball ein Ergebnissport ist. Am Ende wundert sich der Meister, warum er nur einen Punkt geholt hat
Leipzig Am Ende eines denkwürdigen Spitzenspiels bei RB Leipzig standen die Bayern-Profis mit fragenden Gesichtern in den Katakomben der Red Bull Arena. Trotz bisweilen drückender Überlegenheit flimmerte letztlich nur ein 1:1 auf der Anzeigetafel. Erklärungen gab’s – wenn überhaupt – nur im Ansatz. Mia san ratlos statt Mia san mia, so schien die Stimmungslage beim enttäuschten Rekordmeister Bayern München. „In der ersten Halbzeit war es das beste Spiel, seitdem ich hier bin. Wir haben es natürlich versäumt, das zweite oder dritte Tor zu machen. Unterm Strich bin ich nicht zufrieden, weil wir von den Chancen her das Spiel hätten gewinnen können“, sagte Bayern-Trainer Niko Kovac nach der verpassten Tabellenführung.
Satte 74 Prozent Ballbesitz hatten die Bayern in der ersten Halbzeit, Leipzig dagegen nicht eine vernünftige Chance. „Ich kann mich nicht daran erinnern, mal so eine dominante erste Hälfte erlebt zu haben, seit ich bei Bayern bin“, sagte Nationalspieler Niklas Süle. Allein deshalb hätten die Münchner das Spiel gewinnen müssen. Nach der Führung durch Robert Lewandowski (3.) ließ der Double-Gewinner vor der Pause drei weitere hochkarätige Chancen liegen. Stattdessen bekam Leipzig in der Nachspielzeit der ersten Hälfte einen Foulelfmeter zugesprochen, den Emil Forsberg sicher verwandelte. „Diesen Elfmeter nach so einer Halbzeit zu bekommen, ist natürlich ein Geschenk“, gab Forsberg unumwunden zu.
Dem hoch gehandelten RB-Trainer Julian Nagelsmann genügte eine simple taktische Rochade in der Halbzeit, um Bayern aus dem Tritt zu bringen. Der 32-Jährige stellte von Dreier- auf Viererkette um. „Der Punkt ist nicht mega unverdient. Aber wenn ich nun als Verlierer hier sitzen würde, hätte ich auch nicht gesagt, dass es ein glücklicher Sieg für Bayern war“, sagte Nagelsmann.
Auch er grübelte ein wenig, wie die anfangs so überlegenen Bayern das Spiel so aus der Hand geben konnten. Und war damit nicht allein. „Wir wissen, dass Julian Nagelsmann umstellen kann. Das ist nichts Überraschendes“, betonte Nationaltorwart Manuel Neuer: „Wir müssen darauf reagieren, mutiger sein und mit dem Selbstverständnis der ersten Halbzeit weitermachen.“Taten die Bayern jedoch nicht, weshalb Leipzig plötzlich ein ebenbürtiger Gegner war.
„Wir haben zu lange gebraucht, um uns von der Aggressivität und der Zweikampfführung her darauf einzustellen“, sagte Torvorbereiter Thomas Müller und schob nach: „Ich würde mir wünschen, dass wir uns etwas früher darauf einstellen und schneller reagieren.“Eine Kritik an sich selbst, aber offenbar auch Worte in Richtung Kovac. RB Leipzig Gulacsi – Mukiele, Konaté, Orban – Klostermann (46. Demme), Halstenberg – Laimer – Sabitzer, Forsberg (69. Nkunku) – Poulsen (81. Matheus Cunha), Werner FCB München Neuer – Pavard, Süle, Boateng, Lucas Hernández – Kimmich, Thiago (88. Philippe Coutinho) – Gnabry (62. Davies), Müller (63. Tolisso), Coman – Lewandowski Tore 0:1 Lewandowski (3.), 1:1 Forsberg (45.+3/FE) Zuschauer 42146 (ausverkauft) Schiedsrichter: Stegemann (Niederkassel)