Kein Glück beim Hausbau
Bürokratie Eine Frau will auf dem Grundstück ihrer Eltern ein Haus für ihre junge Familie bauen. Weil es am Ortsrand liegt, formuliert das Landratsamt immer neue Forderungen, erzählt sie. Die Familie muss umplanen und Abstriche machen
Eine Frau möchte im Garten ihrer Eltern ein Haus für ihre Familie bauen. Doch immer neue Forderungen des Landratsamtes machen es ihr schwer.
Glött Dort führt die Treppe in die obere Etage, da geht es zum Wohnbereich. Das daneben, das wird das Esszimmer, davor soll eine Terrasse entstehen. Es war ein weiter Weg, bis Verena Rößle durch den Rohbau ihres Hauses in Glött führen konnte. Und am Anfang war das alles ganz anders geplant. Zum Beispiel war nicht vorgesehen, dass direkt vor dem Fenster des Esszimmers die Erde eine Bruchkante hat. Fast zwei Meter geht es da nach oben. „Wer vorbeifährt, fragt sich doch: Warum sitzen sie da in dem Loch?“, sagt die 31-jährige Bauherrin.
Das hatte sie sich anders vorgestellt. Doch dann kam das Landratsamt, erzählt sie. Die Behörde ist für die Genehmigung der Bauanträge zuständig, und bei Rößles Neubau gibt es eine Schwierigkeit. Das Haus entsteht im Garten ihrer Eltern, die ganz am Rand von Glött wohnen. So sehr am Rand, dass es für den Garten – an der Straße daneben steht das Ortsschild – keinen Bebauungsplan gibt. Es bestanden also keine verbindlichen Vorgaben, was und wie dort gebaut werden kann. Aus Rößles Sicht war sie deshalb der Willkür des Amtes ausgeliefert. Das sorgte für unzählige Mails, für zwölf abgeänderte Pläne und für 15 extrem stressige Monate. „Länger, als der Hausbau dauert“, sagt Rößle.
Als sie die erste Bauvoranfrage bei der Gemeinde Glött abgegeben hat, hatte sie noch keine Ahnung, was auf sie zukommen würde. Das war im Dezember 2017. Die Gemeinde war einverstanden, das war in der Sitzung im Februar 2018. Der Gemeinde sei bewusst gewesen, dass das Gebäude im Außenbereich liegt, wo es keinen Bebauungsplan gibt. Deswegen habe die Gemeinde den Baustil nicht bewertet, weil es ja keine Grundlage gab, was dort erlaubt ist und was nicht – das war Sache des Landratsamtes. Für den Gemeinderat sei entscheidend gewesen, ob da ein Haus hinpasse. Käßmeyer sagt: „Ins Dorfbild passt das Haus da immer.“
Dann ging die Bauvoranfrage an das Landratsamt. Die Behörde lehnte den Antrag im April ab. Laut Rößle sei die Aussage gewesen: „Ein Haus an dieser Stelle verschandelt das Ortsbild.“Das sei für sie schwer nachvollziehbar. Der Neubau ragt genauso weit aus dem Ort heraus, wie das Haus auf dem Nachbargrundstück. Rößle erklärt, dass auf der Fläche bis 1973 ein großes Bauernhaus stand. Man vereinbarte eine Ortsbegehung, die im Juni 2018 stattfand. Dabei habe man sich verständigen können, erklärt Rößle, auch wenn sie nicht alle Vorgaben nachvollziehen konnte. Wichtig sei, dass ein Walnussbaum erhalten bleibt. Den alten Baum wollte die Familie ursprünglich fällen – um Ersatzpflanzungen hatte sie sich gekümmert. Eigentlich sollte eine Vertreterin des Bund Naturschutzes beim Ortstermin dabei sein, das hatte aber nicht geklappt. Auch deswegen war der Baum nicht verhandelbar, erzählt Rößle. Für die Familie bedeute das, dass sie sich um das viele Laub kümmern muss, und dass der Baum Licht nimmt. Dazu sollte ein Abstand zur Grundstücksgrenze eingehalten werden, auf der anderen Seite wollte sie zumindest einen Teil des Gartens der Eltern erhalten. Rößle erzählt: „Da habe ich gesagt: Wie soll ich da ein Haus reinbringen?“Doch eine versöhnliche Lösung schien greifbar. Nur fing der eigentliche Ärger erst an.
Im September 2018 verschickte Rößle den Lageplan für das Haus an das Landratsamt. Da hieß es, das sei so in Ordnung, erzählt sie. Nach der Vermessung reichte sie den Bauantrag ein. Im Januar 2019 kam die Absage. „Ich habe denen gesagt, dass ich ja eine Zusage bekommen hatte, dass das Haus hier stehen darf“, erklärt Rößle. Von da an sei sie fast täglich im Kontakt mit der Behörde gewesen. Die Baufirma war beauftragt, im April sollte es losgehen.
Das Landratsamt bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion, dass es nach dem Ortstermin im Sommer 2018 eine grundsätzliche Zusage gegeben habe, dass der Bau unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben zulässig sei. In der Stellungnahme heißt es: „Dennoch wurde der eigentliche Bauantrag erst am 28. Dezember 2018 beim Landratsamt eingereicht. Nachdem der Bauplan entgegen der beim Ortstermin am 18. Juni 2018 festgelegten Vorgaben eingereicht wurde, war das Bauvorhaben zunächst nicht genehmigungsfähig.“Es gab Krisensitzungen mit dem Landrat. Rößle erzählt, sie habe das persönliche Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter gesucht, doch das sei ihr verwehrt worden. „Wir haben gefragt, was wir ändern müssen, damit wir die Genehmigung kriegen“, erklärt sie. „Da hieß es dann, das kann man uns nicht sagen. Das sei ja unser Haus.“
Das Landratsamt widerspricht: Man habe in mehreren Telefonaten und Gesprächen aufgezeigt, wie die Unterlagen abzuändern sind. „Insofern entbehrt der Vorwurf, das Landratsamt würde sich Gesprächen verweigern, jeglicher Grundlage“, heißt es in dem Statement.
Rößle berichtet, wie die Familie die Pläne immer wieder abänderte. Erst sei es um die Lage des Hauses im Grundstück gegangen. Es musste einige Meter verschoben werden, sodass gerade noch der Zugang zur Gartenhütte der Eltern gewährleistet ist, die Bäume erhalten bleiben, und es nicht zu nah an der Grenze steht. Weiter gab es keine Genehmigung. „Man will einfach nur wissen: Was muss ich machen?“, sagt Rößle. Darauf habe sie keine Antwort bekommen. Ihr wurde dann gesagt, das Haus sei zu wuchtig, zu massiv für die Randlage. Es sei zwar nie höher geplant gewesen, als das danebenstehende Haus der Eltern, trotzdem änderte die Familie die Pläne. Im oberen Stockwerk wurde die Höhe des Kniestocks verringert – statt Panoramafenstern sind dort nun Dachfenster eingebaut. „Da hieß es dann, das sei ein guter Ansatz. Aber es reicht noch nicht.“Man habe ihr gesagt, dass es letztendlich um die Ansicht von der Straße aus gehe. Darum, wie das Haus auf Menschen wirkt, die vorbeigehen. Also wurde auch bei der Garage der Kniestock verringert, dann ein Walmdach statt des ursprünglich vorgesehenen Satteldachs vorgeschlagen. „Das passt jetzt angeblich gut ins Ortsbild. Obwohl es hier nirgends ein Walmdach gibt“, sagt Rößle. Und dann das „Einbuddeln“. Wenn das Haus an der einen Seite 1,5 Meter tief in der Erde des Hanggrundstückes sitze, würde es mit der Genehmigung klappen, hieß es laut Rößle. Das Haus wirkt nicht zu wuchtig, der Walnussbaum bleibt erhalten. Das war keine zwei Wochen vor dem geplanten Baubeginn. Also ließ sich die Familie darauf ein.
Am 1. April holte Rößle die Genehmigung ab. Am 9. April kamen die Bagger.
„Das Schlimme war, dass nie eine richtige Aussage kam, was man ändern muss“, sagt sie. So hätten die Pläne im Blindflug angepasst werden müssen, ohne dass das eigentliche Problem wirklich klar war. „Ich bin sicher, dass wir Sachen geändert haben, die gar nicht nötig waren.“Warum bestimmte Änderungen nötig waren, dazu will sich das Landratsamt nicht äußern. In der Stellungnahme bittet die Behörde um Verständnis darum, „dass wir uns angesichts des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens im Detail nicht weiter zum Inhalt des Bauantrags und zum Verfahren selbst äußern“.
Nun steht er, der Rohbau. Zeit wird es: Rößle ist auf unserem Foto noch hochschwanger – inzwischen hat sie ein Mädchen zur Welt gebracht. Nächsten Frühling will die Familie in das neue Haus einziehen.