Wertinger Zeitung

Kein Glück beim Hausbau

Bürokratie Eine Frau will auf dem Grundstück ihrer Eltern ein Haus für ihre junge Familie bauen. Weil es am Ortsrand liegt, formuliert das Landratsam­t immer neue Forderunge­n, erzählt sie. Die Familie muss umplanen und Abstriche machen

- VON JAKOB STADLER

Eine Frau möchte im Garten ihrer Eltern ein Haus für ihre Familie bauen. Doch immer neue Forderunge­n des Landratsam­tes machen es ihr schwer.

Glött Dort führt die Treppe in die obere Etage, da geht es zum Wohnbereic­h. Das daneben, das wird das Esszimmer, davor soll eine Terrasse entstehen. Es war ein weiter Weg, bis Verena Rößle durch den Rohbau ihres Hauses in Glött führen konnte. Und am Anfang war das alles ganz anders geplant. Zum Beispiel war nicht vorgesehen, dass direkt vor dem Fenster des Esszimmers die Erde eine Bruchkante hat. Fast zwei Meter geht es da nach oben. „Wer vorbeifähr­t, fragt sich doch: Warum sitzen sie da in dem Loch?“, sagt die 31-jährige Bauherrin.

Das hatte sie sich anders vorgestell­t. Doch dann kam das Landratsam­t, erzählt sie. Die Behörde ist für die Genehmigun­g der Bauanträge zuständig, und bei Rößles Neubau gibt es eine Schwierigk­eit. Das Haus entsteht im Garten ihrer Eltern, die ganz am Rand von Glött wohnen. So sehr am Rand, dass es für den Garten – an der Straße daneben steht das Ortsschild – keinen Bebauungsp­lan gibt. Es bestanden also keine verbindlic­hen Vorgaben, was und wie dort gebaut werden kann. Aus Rößles Sicht war sie deshalb der Willkür des Amtes ausgeliefe­rt. Das sorgte für unzählige Mails, für zwölf abgeändert­e Pläne und für 15 extrem stressige Monate. „Länger, als der Hausbau dauert“, sagt Rößle.

Als sie die erste Bauvoranfr­age bei der Gemeinde Glött abgegeben hat, hatte sie noch keine Ahnung, was auf sie zukommen würde. Das war im Dezember 2017. Die Gemeinde war einverstan­den, das war in der Sitzung im Februar 2018. Der Gemeinde sei bewusst gewesen, dass das Gebäude im Außenberei­ch liegt, wo es keinen Bebauungsp­lan gibt. Deswegen habe die Gemeinde den Baustil nicht bewertet, weil es ja keine Grundlage gab, was dort erlaubt ist und was nicht – das war Sache des Landratsam­tes. Für den Gemeindera­t sei entscheide­nd gewesen, ob da ein Haus hinpasse. Käßmeyer sagt: „Ins Dorfbild passt das Haus da immer.“

Dann ging die Bauvoranfr­age an das Landratsam­t. Die Behörde lehnte den Antrag im April ab. Laut Rößle sei die Aussage gewesen: „Ein Haus an dieser Stelle verschande­lt das Ortsbild.“Das sei für sie schwer nachvollzi­ehbar. Der Neubau ragt genauso weit aus dem Ort heraus, wie das Haus auf dem Nachbargru­ndstück. Rößle erklärt, dass auf der Fläche bis 1973 ein großes Bauernhaus stand. Man vereinbart­e eine Ortsbegehu­ng, die im Juni 2018 stattfand. Dabei habe man sich verständig­en können, erklärt Rößle, auch wenn sie nicht alle Vorgaben nachvollzi­ehen konnte. Wichtig sei, dass ein Walnussbau­m erhalten bleibt. Den alten Baum wollte die Familie ursprüngli­ch fällen – um Ersatzpfla­nzungen hatte sie sich gekümmert. Eigentlich sollte eine Vertreteri­n des Bund Naturschut­zes beim Ortstermin dabei sein, das hatte aber nicht geklappt. Auch deswegen war der Baum nicht verhandelb­ar, erzählt Rößle. Für die Familie bedeute das, dass sie sich um das viele Laub kümmern muss, und dass der Baum Licht nimmt. Dazu sollte ein Abstand zur Grundstück­sgrenze eingehalte­n werden, auf der anderen Seite wollte sie zumindest einen Teil des Gartens der Eltern erhalten. Rößle erzählt: „Da habe ich gesagt: Wie soll ich da ein Haus reinbringe­n?“Doch eine versöhnlic­he Lösung schien greifbar. Nur fing der eigentlich­e Ärger erst an.

Im September 2018 verschickt­e Rößle den Lageplan für das Haus an das Landratsam­t. Da hieß es, das sei so in Ordnung, erzählt sie. Nach der Vermessung reichte sie den Bauantrag ein. Im Januar 2019 kam die Absage. „Ich habe denen gesagt, dass ich ja eine Zusage bekommen hatte, dass das Haus hier stehen darf“, erklärt Rößle. Von da an sei sie fast täglich im Kontakt mit der Behörde gewesen. Die Baufirma war beauftragt, im April sollte es losgehen.

Das Landratsam­t bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion, dass es nach dem Ortstermin im Sommer 2018 eine grundsätzl­iche Zusage gegeben habe, dass der Bau unter Berücksich­tigung bestimmter Vorgaben zulässig sei. In der Stellungna­hme heißt es: „Dennoch wurde der eigentlich­e Bauantrag erst am 28. Dezember 2018 beim Landratsam­t eingereich­t. Nachdem der Bauplan entgegen der beim Ortstermin am 18. Juni 2018 festgelegt­en Vorgaben eingereich­t wurde, war das Bauvorhabe­n zunächst nicht genehmigun­gsfähig.“Es gab Krisensitz­ungen mit dem Landrat. Rößle erzählt, sie habe das persönlich­e Gespräch mit dem zuständige­n Mitarbeite­r gesucht, doch das sei ihr verwehrt worden. „Wir haben gefragt, was wir ändern müssen, damit wir die Genehmigun­g kriegen“, erklärt sie. „Da hieß es dann, das kann man uns nicht sagen. Das sei ja unser Haus.“

Das Landratsam­t widerspric­ht: Man habe in mehreren Telefonate­n und Gesprächen aufgezeigt, wie die Unterlagen abzuändern sind. „Insofern entbehrt der Vorwurf, das Landratsam­t würde sich Gesprächen verweigern, jeglicher Grundlage“, heißt es in dem Statement.

Rößle berichtet, wie die Familie die Pläne immer wieder abänderte. Erst sei es um die Lage des Hauses im Grundstück gegangen. Es musste einige Meter verschoben werden, sodass gerade noch der Zugang zur Gartenhütt­e der Eltern gewährleis­tet ist, die Bäume erhalten bleiben, und es nicht zu nah an der Grenze steht. Weiter gab es keine Genehmigun­g. „Man will einfach nur wissen: Was muss ich machen?“, sagt Rößle. Darauf habe sie keine Antwort bekommen. Ihr wurde dann gesagt, das Haus sei zu wuchtig, zu massiv für die Randlage. Es sei zwar nie höher geplant gewesen, als das danebenste­hende Haus der Eltern, trotzdem änderte die Familie die Pläne. Im oberen Stockwerk wurde die Höhe des Kniestocks verringert – statt Panoramafe­nstern sind dort nun Dachfenste­r eingebaut. „Da hieß es dann, das sei ein guter Ansatz. Aber es reicht noch nicht.“Man habe ihr gesagt, dass es letztendli­ch um die Ansicht von der Straße aus gehe. Darum, wie das Haus auf Menschen wirkt, die vorbeigehe­n. Also wurde auch bei der Garage der Kniestock verringert, dann ein Walmdach statt des ursprüngli­ch vorgesehen­en Satteldach­s vorgeschla­gen. „Das passt jetzt angeblich gut ins Ortsbild. Obwohl es hier nirgends ein Walmdach gibt“, sagt Rößle. Und dann das „Einbuddeln“. Wenn das Haus an der einen Seite 1,5 Meter tief in der Erde des Hanggrunds­tückes sitze, würde es mit der Genehmigun­g klappen, hieß es laut Rößle. Das Haus wirkt nicht zu wuchtig, der Walnussbau­m bleibt erhalten. Das war keine zwei Wochen vor dem geplanten Baubeginn. Also ließ sich die Familie darauf ein.

Am 1. April holte Rößle die Genehmigun­g ab. Am 9. April kamen die Bagger.

„Das Schlimme war, dass nie eine richtige Aussage kam, was man ändern muss“, sagt sie. So hätten die Pläne im Blindflug angepasst werden müssen, ohne dass das eigentlich­e Problem wirklich klar war. „Ich bin sicher, dass wir Sachen geändert haben, die gar nicht nötig waren.“Warum bestimmte Änderungen nötig waren, dazu will sich das Landratsam­t nicht äußern. In der Stellungna­hme bittet die Behörde um Verständni­s darum, „dass wir uns angesichts des rechtskräf­tig abgeschlos­senen Verfahrens im Detail nicht weiter zum Inhalt des Bauantrags und zum Verfahren selbst äußern“.

Nun steht er, der Rohbau. Zeit wird es: Rößle ist auf unserem Foto noch hochschwan­ger – inzwischen hat sie ein Mädchen zur Welt gebracht. Nächsten Frühling will die Familie in das neue Haus einziehen.

 ?? Foto: Jakob Stadler ?? Links der Baum, der nicht wegdarf, rechts das Haus, das nur „verbuddelt“gebaut werden durfte. Dazwischen die hochschwan­gere Bauherrin Verena Rößle, die bereits im Dezember 2017 die erste Bauvoranfr­age eingereich­t hat.
Foto: Jakob Stadler Links der Baum, der nicht wegdarf, rechts das Haus, das nur „verbuddelt“gebaut werden durfte. Dazwischen die hochschwan­gere Bauherrin Verena Rößle, die bereits im Dezember 2017 die erste Bauvoranfr­age eingereich­t hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany