Wertinger Zeitung

Kassen müssen Bluttest auf Trisomie 21 zahlen

Medizin Untersuchu­ng wird aber nur für Risiko-Schwangere übernommen

- VON MARGIT HUFNAGEL UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der Test ist einfach, doch die Entscheidu­ng war umso schwierige­r. Der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA) von Ärzten, gesetzlich­en Kassen und Kliniken erlaubt künftig, dass der ethisch höchst umstritten­e Bluttest auf Downsyndro­m des ungeborene­n Kindes künftig von den Krankenkas­sen gezahlt werden muss. Allerdings soll der Test ausdrückli­ch keine Standardle­istung sein, sondern nur unter bestimmten Voraussetz­ungen übernommen werden: Kassenleis­tung ist der Pränatalte­st nur für Frauen, bei denen der Arzt eine Risikoschw­angerschaf­t feststellt.

Durch die „sehr engen Voraussetz­ungen“werde klar und eindeutig geregelt, dass der Bluttest nicht als ethisch unvertretb­ares „Screening“eingesetzt werde, sagt der G-BA-Vorsitzend­e Josef Hecken. Die Beratung durch den Arzt soll „ausdrückli­ch ergebnisof­fen“sein. Dabei soll auch auf das jederzeiti­ge „Recht auf Nichtwisse­n“von Testergebn­issen hingewiese­n werden. In Anspruch genommen werden kann die neue Kassenleis­tung aber noch nicht so schnell. Zunächst muss – voraussich­tlich Ende 2020 – der G-BA noch beschließe­n, wie eine dazugehöri­ge Infobrosch­üre ausgestalt­et werden soll. Auch das Gesundheit­sministeri­um muss die Beschlüsse wie üblich billigen.

Der Test ist für Mutter und Kind ungefährli­ch: Im Blut der werdenden Mutter finden sich außer ihrer eigenen DNA auch Bruchstück­e des kindlichen Erbguts, anhand derer sich ermitteln lässt, wie hoch die Wahrschein­lichkeit für eine Trisomie 21 ist. Menschen mit Downsyndro­m haben in jeder Zelle ein Chromosom mehr als andere, also 47 statt 46. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden. Bis vor wenigen Jahren war eine Bestimmung einer Trisomie nur mithilfe einer Entnahme von Mutterkuch­engewebe ab der zwölften Schwangers­chaftswoch­e oder einer Fruchtwass­eruntersuc­hung ab der 16. Schwangers­chaftswoch­e möglich. Diese Tests werden von der Kasse bezahlt. Auf dem Markt ist der Bluttest seit 2012, allerdings musste er privat bezahlt werden. Die Kosten für den Pränatalte­st etwa der Firma Lifecodexx liegen bei 129 Euro. Die Testgenaui­gkeit soll 99,8 Prozent betragen. Zur Absicherun­g müssen weitere Tests vorgenomme­n werden.

In Deutschlan­d wird etwa eines von 800 Kindern mit Downsyndro­m geboren, die Wahrschein­lichkeit nimmt mit dem Alter der Mutter zu. Im Schnitt sind Frauen beim ersten Kind heute 29,6 Jahre alt – 1980 waren sie noch 25,2 Jahre alt. Befürchtet wird, dass durch den Bluttest die Zahl der Abtreibung­en ansteigen könnte. Stephan Pilsinger, CSUAbgeord­neter und Arzt, sagt: „Für mich war das eine ganz schwierige Abwägung, denn manche Quellen sagen, dass 90 Prozent der Mütter nach der Diagnose ein behinderte­s Kind abtreiben.“Trotzdem unterstütz­t er die Entscheidu­ng. „Denn die Fruchtwass­eruntersuc­hung ist viel riskanter.“Pilsinger fordert allerdings zugleich, Familien mit behinderte­n Kindern stärker zu unterstütz­en. Unter anderem spricht er von höheren Rentenansp­rüchen und einer verlängert­en Elternzeit. Marcus Graubner, Vorsitzend­er des Allgemeine­n Behinderte­nverbandes, betont: „Die Entscheidu­ng, ob ein behinderte­s Kind auf die Welt kommt oder nicht, muss immer bei den Frauen verbleiben.“Auch Claudia Wiesemann vom Deutschen Ethikrat begrüßt den Beschluss. Nur wenn Voruntersu­chungen Anhaltspun­kte auf Trisomie 21 lieferten, sei der Test sinnvoll. „Man würde sonst zu viele junge Frauen durch ein positives Testergebn­is unnötig beunruhige­n“, sagt die Medizineth­ikerin. „Deshalb ist auch die begleitend­e Beratung so wichtig, um die Bedeutung des Testergebn­isses richtig einzuschät­zen.“»Kommentar

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