Wertinger Zeitung

Selbst eine Mutti kann nicht alles richten

Beim Klimaschut­z wird Kanzlerin Merkel vielfach Versagen vorgeworfe­n. Dabei hat sie die Misere nicht alleine zu verantwort­en

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Das Foto ist zwölf Jahre alt, aber es wird in diesen Tagen gerne wieder herausgeho­lt – auch von uns: Kanzlerin Angela Merkel im roten Anorak vor einem Gletscher in Grönland. Das Foto wurde 2007 gemacht, seitdem ist das Gletschere­is weiter geschmolze­n, das Wetter noch verrückter geworden. Gerne wird der „Klimakanzl­erin“die Schuld an dieser Entwicklun­g gegeben. Doch das greift zu kurz.

Unbestritt­en ist, dass Merkel damals hohe Erwartunge­n weckte. Da stand eine Frau, die sich nichts weniger als die Klimarettu­ng zutraute. Und zwar weltweit.

Viele Jahre und verschiede­ne Klimaschut­zabkommen später ist Ernüchteru­ng eingetrete­n. Die Staatengem­einschaft und mit ihr Deutschlan­d hat Ziele beim CO2-Ausstoß gerissen, die Welterwärm­ung steigt und steigt. Die Bundesregi­erung unternimmt mit dem Klimakabin­ett gerade einen weiteren Versuch, dem Treibhausg­asAusstoß Einhalt zu gebieten. Der Erfolg wird sich, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren zeigen. Er ist vor allem davon abhängig, wie Bevölkerun­g und Wirtschaft auf die Beschlüsse reagieren.

In den letzten Jahren hat sich in Deutschlan­d die Haltung verfestigt, dass die Politik es richten muss. Auch beim Umweltschu­tz. Oder salopp ausgedrück­t: „Mutti macht das schon.“Diese Haltung ist auch deshalb bequem, weil ein Sündenbock parat steht, wenn es mal nicht so läuft. Dabei kann Politik nur Angebote machen und die Weichen stellen. Die Alternativ­e wäre die konsequent­e Anwendung des Ordnungsre­chts. Doch niemand will in einem Staat leben, der sich nur durch Verbote regelt.

Viele Milliarden Euro hat die Bundesregi­erung in die Erforschun­g alternativ­er Antriebe gesteckt. Die Automobilb­ranche, ihr kommt bei der CO2-Minderung eine wichtige Rolle zu, müsste den Ball nur aufnehmen. Tut sie aber nicht. Bei den E-Autos fährt Deutschlan­d hinterher, die Brennstoff­zelle wird nur am Rande angeboten. Stattdesse­n werfen die Autokonzer­ne einen SUV nach dem anderen auf den Markt und sorgen so dafür, dass der CO2-Ausstoß trotz modernerer Motoren nicht sinkt.

Der Kohlendiox­idpegel sinkt auch deshalb nicht, weil immer mehr Verbrauche­r Kleidung und andere Dinge im Internet bestellen, statt in den nächsten Laden zu gehen. So sind noch mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs. Und statt die womöglich etwas teureren regionalen Produkte zu kaufen, wird viel zu oft der Billigtoma­te aus fernen Landen der Vorzug gegeben.

All das kann kaum der Kanzlerin angelastet werden. Merkels Klimabilan­z wird offenbar außerhalb der medialen Betrachtun­g auch gar nicht als so schlecht empfunden. Schließlic­h ist die CDU unter ihrer Führung im Bund seit Jahren stärkste Kraft. Wenn die Mehrheit der Menschen das Gefühl hätte, Merkels Umweltpoli­tik bringe Leid übers Land, hätte sie ihr WahlKreuz in der Zwischenze­it an anderer Stelle gesetzt.

Bei ihrem Gletscher-Foto war Merkel zudem nicht allein. Mit dabei war Sigmar Gabriel, damals Umweltmini­ster. Außer viel heißem Dampf brachte der SPD-Politiker allerdings nicht viel hervor. Auch seine Kolleginne­n und Kollegen in Merkels Kabinetten müssen sich fragen lassen, ob sie die Chefin immer ausreichen­d unterstütz­t und selber genug zum Klimaschut­z beigetrage­n haben.

Wenn die Regierung jetzt ihre neuen Klimabesch­lüsse vorlegt, dann wird sich die Regierungs­chefin daran messen lassen müssen, keine Frage. Aber die Messlatte wird auch an die Minister angelegt. Am Ende kommt es jedoch darauf an, was das Volk draus macht. Es ist schließlic­h unsere Welt.

Es liegt an uns, das eigene Verhalten zu ändern

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