Die Regierung hat erst die Hälfte zusammen
Koalition Der Entwurf des Klimapakets zeigt, dass die Maßnahmen nur einen Teil der nötigen CO2-Einsparungen brächten
Berlin Als sich Minister und Kanzlerin am Donnerstagabend zur Rettung des Klimas versammelten, lag eine Mammutaufgabe vor ihnen. Denn ihre Beamten und Experten hatten nur eine ungenügende Grundlage, noch dazu mit einer großen Lücke, vorbereitet: Der Entwurf des Klimaschutzplans, der unserer Redaktion vorliegt, deckt nur rund die Hälfte des bis 2030 einzusparenden Kohlendioxids ab. Es war an der Regierungsmannschaft, die andere Hälfte der Ideen zu liefern, wie Deutschland seinen Ausstoß an Treibhausgasen drücken kann. Wegen der großen Lücke wurde per se nicht mit einer schnellen Einigung gerechnet, weshalb am Freitag weiterverhandelt wird.
Im Jahr 2030 will die Bundesrepublik 300 Millionen Tonnen weniger CO2 in die Luft blasen als heute. In dem Papier mit Stand Montagabend finden sich aber nur Vorschläge für 125 bis 150 Millionen Tonnen. „Der Freitag wird ein schwarzer Freitag für den deutschen Klimaschutz. Der vorliegende Entwurf ist der niederschmetternde Beleg für den Klimastillstand der Großen Koalition“, kritisierte der Klimaexperte der Linken, Lorenz Gösta Beutin, die Arbeit von Schwarz-Rot.
CDU-Kanzlerin Angela Merkel hatte die Devise ausgegeben: Alles, nur kein „Pillepalle“. Vor allem im Verkehrsbereich wird das mit Zumutungen verbunden sein, wie die Koalition in ihrem Klimaschutzplan einräumt. Die deutliche Senkung des Ausstoßes an Treibhausgasen wird „an die Grenzen der absehbaren technischen Machbarkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz gehen“, wie es in dem Dokument heißt.
Die bisher versammelten Vorschläge, wie zum Beispiel die Stärkung der Bahn, deutlich mehr Busse auf den Straßen, Förderung von Elektroautos, Steueraufschlag für Spritschlucker und höhere Preise für das Fliegen, reichen aber bei weitem noch nicht aus. Die geplanten Schritte bringen höchstens eine Einsparung zwischen 15 bis 25 Millionen Tonnen. Nötig wären aber 60 Millionen in diesem Sektor.
Für die Grünen ist der bekannt gewordene Aufschlag zu schwach. „Das, was bisher auf dem Tisch liegt, ist eher ein Schmalspur-Konzept“, sagte Vize-Fraktionschef Oliver Krischer unserer Redaktion. Es wimmele nur so von Forschungsvorhaben und Ankündigungen, „dass man sich demnächst auf etwas einigen wird“.
Noch keine Einigung zwischen SPD und Union gibt es im zentralen Streitpunkt. Beide Lager wollen den CO2-Ausstoß im Verkehrsbereich und beim Heizen von Gebäuden teurer machen, damit sich die Verbraucher ein umweltfreundliches Auto kaufen oder eine alte Heizung austauschen lassen.
Der Entwurf des 140 Seiten starken Katalogs lässt den Punkt offen, ob das über höhere Steuern auf Öl, Gas und Sprit (SPD) oder über einen Handel mit Luftverschmutzungsrechten erreicht werden soll (CDU/ CSU). Damit verbunden ist die Frage, wie soziale Härten vermieden werden können. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) plant eine Klimaprämie für jedermann, die Union hat sich für die Senkung der Stromsteuer ausgesprochen.
Auch das Gesamtvolumen, wie viel Geld der große Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft kosten wird, ist bisher nicht beziffert. An der Stelle findet sich als Platzhalter ein dreifaches X. Deutlich abzulesen an der Rohfassung ist allerdings, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden soll.
Die bisherigen Limits für Windräder an Land und in der See und für Solarfelder werden angehoben. Die Koalition verlässt sich hier darauf, dass sie den lokalen Widerstand gegen Windräder und neue Stromleitungen besänftigen kann. Im Gebäudesektor soll die seit Jahren diskutierte steuerliche Förderung von Sanierungen kommen, wenn es bei der Vorlage bleibt. Der Einbau neuer Ölheizungen wird nach den Vorstellungen der Koalition ab 2030 verboten.
Wie aus dem Parlament zu hören ist, wird das Kabinett am Freitag zunächst ein rund 20-seitiges Eckpunktepapier beschließen. Dieses soll in den nächsten Wochen zu einem Gesetz ausgearbeitet werden. Für Merkel ist wichtig, dass sie auf dem UN-Klimagipfel in New York Anfang nächster Woche nicht mit leeren Händen vor die Weltgemeinschaft tritt. Deutschland ist vom einstigen Primus des Klimaschutzes in das Mittelfeld abgerutscht.