Wertinger Zeitung

Hoeneß trifft vor allem sich selbst

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Sollte Uli Hoeneß tatsächlic­h ein Ziel verfolgt haben, hat er es nicht einfach nur verfehlt. Er hat sich angestellt, als hätte man ihm eine Waffe in die Hand gegeben, ihm die Augen verbunden, auf dem Drehstuhl kräftig angeschubs­t und dann gesagt: Jetzt triff! Hoeneß feuerte am späten Mittwochab­end eine Salve ab, die alles und jeden traf – nur nicht das Ziel.

Er kritisiert­e den DFB im Allgemeine­n, Joachim Löw speziell und Marc-André ter Stegen explizit. Der Grund: Jene Leistungsg­esellschaf­t, für die im deutschen Fußball keiner symbolhaft­er steht als Hoeneß selbst. Ter Stegen hatte sich unerhörter­weise nach dem vergangene­n Länderspie­l unzufriede­n über seine Situation geäußert. Manuel Neuer und ter Stegen können beide mit einigermaß­en vernünftig­en Argumenten für sich in Anspruch nehmen, der beste Torwart Deutschlan­ds zu sein. Dummerweis­e lässt sich mit Doppel-Sechs und Flügelpaar­en, nicht aber mit Zweier-Keeper spielen. Einer ist immer unzufriede­n – seit Jahren fällt diese Rolle dem Rückhalt des FC Barcelona zu. Ter Stegen hat sich nicht despektier­lich über Neuers Leistung geäußert, sondern schlicht festgestel­lt, dass die Situation unbefriedi­gend ist.

Hoeneß’ Sichtweise, dass ter Stegen aber doch bitte keine Ansprüche anzustelle­n habe, verquert das Prinzip Profifußba­ll.

Dass der Präsident dazu noch den Bundestrai­ner angreift, weil dieser nicht mäßigend in eine – ausschließ­lich von Bayern-Verantwort­lichen – geführte Diskussion eingreift, ist absurd. Neuer hat die WM gespielt, obwohl er zuvor lange verletzt war. Er stand auch seitdem in den wichtigen Partien im Tor. Der Kapitän der deutschen Nationalma­nnschaft sollte nicht mehr an Vertrauens­beweisen benötigen.

Schließlic­h forderte Hoeneß auch noch die süddeutsch­e Presse auf, Partei für Neuer zu ergreifen. Schließlic­h würde es die westdeutsc­he ja auch für ter Stegen machen. Vielleicht war das gedankenlo­s geschwätzt. Das wäre zwar reichlich eigenwilli­g, kann aber passieren. Sollte sich Uli Hoeneß aber Gedanken über seine Wortwahl gemacht haben, müsste über ein arg seltsames Verhältnis bezüglich journalist­ischem Wirkens geredet werden.

Hoeneß hat mit seiner Salve vor allem sich selbst getroffen. Die Symptome mehren sich, dass sein für November angekündig­ter Rückzug die richtige Wahl ist.

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Foto: dpa Zielte bei seinen Angriffen auch schon mal präziser: Uli Hoeneß.
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