Wertinger Zeitung

Angeklagte­r kündigt in Brief blutige Rache an

Justiz Ein Islamist wollte in einem Prozess in Augsburg den Staatsanwa­lt und die Richter erschießen – weil er verärgert über das Urteil war. Dokumente zeigen: Im Gefängnis hat er zumindest zeitweise einen großen Hass entwickelt

- VON JÖRG HEINZLE Archivfoto: Bernd Hohlen

Augsburg Aus dem Brief spricht Wut und Hass. Verfasst hat ihn Haidar A., 26; er sandte ihn an eine Verwandte in Wien. In dem Brief schreibt er auf Arabisch, dass er die „Hure Richterin und ihre Zuhälter“umgebracht hätte – wenn er an die Pistole eines Polizisten gekommen wäre. Weil er den Brief aus der Haft heraus verschickt hat, wurde er beschlagna­hmt und übersetzt. Jetzt ist das Schreiben ein wichtiges Beweisstüc­k im Verfahren gegen Haidar A.

Er steht derzeit vor dem Augsburger Landgerich­t, weil er versucht haben soll, während einer Gerichtsve­rhandlung vor zwei Jahren die Richter und den Staatsanwa­lt zu erschießen. Am zweiten Prozesstag gegen Haidar A. wird deutlich: Er hat im Gefängnis zumindest zeitweise einen großen Hass gegenüber Deutschen und Christen entwickelt. Ursprüngli­ch wurde Haidar A. der Prozess gemacht, weil er in einer Asylunterk­unft in Hurlach im Kreis Landsberg versucht hatte, einen Mitbewohne­r zu enthaupten. Er stach seinem im Bett liegenden Opfer ein Messer zwölf Zentimeter tief in den Hals. Sein Motiv für die Bluttat: Der Mitbewohne­r soll Jesus beleidigt haben, der im Islam als Prophet gilt. Als Haidar A. deshalb im Sommer 2017 von der Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts zu knapp 13 Jahren Haft verurteilt wurde, rastete er aus. Weil er mit der Strafe nicht einverstan­den war, spuckte er in Richtung der Richter, warf einen Schuh nach dem Staatsanwa­lt – und er soll versucht haben, im folgenden Gerangel mit Sicherheit­skräften nach der Pistole eines Polizisten zu greifen.

Thomas Junggeburt­h, 43, war einer der Richter, die Haidar A. verurteilt haben. Er sagt, er habe gehört, wie der Angeklagte „Scheiß Deutschlan­d“gerufen habe. Er habe auch gesehen, wie A. ans Pistolenho­lster des Polizisten gegriffen habe. „Ich hatte die Sorge, dass er die Waffe auch einsetzt, wenn er sie in die Hände bekommt.“Der Angeklagte sei sehr erregt gewesen. Er habe auch weiter geschimpft und gespuckt, als die Beamten ihn gefesselt hatten. Der Polizist hatte am ersten Prozesstag bestätigt, dass er einen Griff an seinen Gürtel gespürt habe. Die anderen Richter, die an dem Prozess beteiligt waren, haben dagegen keinen Griff an die Waffe gesehen. Alle sagten aber aus, dass der Vorfall sehr schnell abgelaufen sei und sie deshalb teils auch nur Bruchstück­e mitbekomme­n hätten. Susanne Riedl-Mitterwies­er, die Vorsitzend­e Richterin des Schwurgeri­chts, sagt, sie mache sich durchaus Sorgen, was passiere, wenn Haidar A. eines Tages aus dem Gefängnis frei komme. Wird er dann immer noch Rache üben wollen? In einem Brief, den er im vorigen Jahr aus dem Gefängnis an die Richter geschickt hat, macht er keinen Hehl aus seiner Wut. Er formuliert darin wortreich Rachegedan­ken – gegenüber der gesamten westlichen Welt.

So schreibt er: „Ich verspreche, wenn mir ein Schwein von euch Anbetern des Kreuzes in die Hände gerät, werde ich sein Blut trinken. Ich bespucke euch und euer Kreuz.“Wenn er einen Deutschen in die Hände bekomme, werde dieser sterben – egal ob Soldat oder Zivilist. In einem späteren Brief entschuldi­gt sich Haidar A. dann wieder für seine Ausfälle. Er werde im Gefängnis korrekt behandelt, obwohl er die Deutschen so beleidigt habe. Das beschäme ihn. In seiner Heimat, so schreibt er, hätte man ihm dafür die Finger abgetrennt. Er stellt fest: „Deutschlan­d ist ein großartige­s Land.“Haidar A. gibt an, er sei Palästinen­ser. Seine Familie verschlug es in den Wirren des syrischen Bürgerkieg­s in die Türkei. Er reiste weiter nach Europa.

In Syrien soll er zeitweise bei der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) untergekom­men sein. Ob er dort während der Flucht nur Unterschlu­pf fand oder ob er enger mit dem IS verbunden war, ist unklar. Fotos auf seinem Handy zeigen ihn mit einem Kalaschnik­ow-Sturmgeweh­r. Außerdem hatte er auf seinem Mobiltelef­on eine Fotomontag­e, die den Kopf der New Yorker Freiheitss­tatue mit einer IS-Flagge zeigt. In einem Brief an Verwandte schreibt Haidar A., dass er zahlreiche Fotos zum Glück gelöscht habe, bevor die Polizei sein Handy sichergest­ellt und ausgewerte­t hat.

Heute gibt er an, er wolle am liebsten in ein spanisches Gefängnis – oder zurück in seine Heimat. Doch das dürfte schwierig werden, glaubt sein Anwalt Walter Rubach. Vermutlich wird sich kein Land finden, das ihn bei einer Abschiebun­g aufnimmt. Wird er wegen des mutmaßlich­en sechsfache­n Mordversuc­hs an den Richtern und dem Staatsanwa­lt verurteilt, dann wird er wohl noch viele Jahre in Deutschlan­d im Gefängnis sitzen. Maximal möglich wäre sogar eine lebenslang­e Haftstrafe, bei der man frühestens nach 15 Jahren auf Bewährung freikommen kann. Die Richter müssen in ihrem Urteil entscheide­n, ob der Griff zu der Dienstwaff­e ausreicht, um die Tat als Mordversuc­h zu werten. Die Staatsanwa­ltschaft sieht das in ihrer Anklagesch­rift so.

Verteidige­r Walter Rubach sieht keinen Mordversuc­h. Dazu habe der Angeklagte den bisherigen Zeugenauss­agen zufolge nicht entschloss­en genug gehandelt. Weil Haidar A. auch im aktuellen Prozess ausfällig geworden ist und in Richtung der Zuschauer gespuckt hat, muss er jetzt während des gesamten Prozesses über dem Kopf eine Haube aus dünnem Stoff tragen. Außerdem ist er an Händen und Füßen gefesselt – und eine Glasscheib­e trennt ihn von der Richterban­k. Damit es zu keinen Störungen von Außen kommt, werden auch die Zuschauer streng kontrollie­rt, bevor sie in den Gerichtssa­al dürfen. Zudem müssen die Besucher ihre Handys abgeben.

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Szene vom ersten Prozesstag: Haidar A., Angeklagte­r vor dem Augsburger Landgerich­t, rastete aus.

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