Marx weckt Hoffnung auf Reformen
Katholische Kirche Bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe geht es viel um Erneuerung. Doch in Rom sieht man einen möglichen deutschen Sonderweg kritisch. Wie realistisch sind also die Versprechen?
Fulda Er hat für Reformen geworben, ist Befürchtungen eines frühen Scheiterns entgegengetreten und auf Kritikerinnen zugegangen: Kardinal Reinhard Marx, Deutschlands oberster Katholik, hat zum Beginn der Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz Zeichen gesetzt. Kurz vor dem viertägigen Treffen der Oberhirten in Fulda zeigte sich der Vorsitzende volksnah und diskutierte am Montag bei einer Frauen-Demonstration einige Minuten mit Demonstrantinnen.
Neben dem Dom hielt die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands lautstark eine Kundgebung ab. Sie fordert Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche und einen gleichberechtigten Zugang für Frauen zu allen Diensten, auch zu Weiheämtern. Marx räumte ein: „Ich weiß, es braucht Bewegung. Ich dränge und pusche, aber manchmal geht es nur langsam voran.“Er könne ihr Anliegen verstehen, aber die Entscheidungen könne er auch nicht allein fällen.
Der Ruf nach Modernisierung wird in der katholischen Kirche immer lauter, von Frauen- bis zu Reformund Opferschutzgruppen. Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), gerät zunehmend unter Zugzwang. Als Reaktion auf den Skandal um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche hatten die deutschen Bischöfe angekündigt, zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken Reformen anstoßen zu wollen. Dabei geht es um den Umgang der Kirche mit Macht, die kirchliche Sexualmoral, die umstrittene Ehelosigkeit von Priestern und die Position von Frauen in der Kirche.
Marx machte klar, dass die Katholiken in diesen Krisenzeiten auf Reformen hoffen dürfen. Mit Blick auf die jüngsten Reaktionen aus dem Vatikan sagte er: „Es gibt kein Stoppschild.“Der Weg für Gespräche der Oberhirten mit Laien sei frei. Er könne auch nicht erkennen, dass die Reformpläne, der „synodale Weg“, gefährdet seien. Marx hatte vor kurzem Papst Franziskus zu einem Gespräch getroffen. Es sei ein „konstruktiver Dialog“gewesen. Details nannte er nicht. Der Vatikan hatte die deutschen Bischöfe bereits darauf hingewiesen, dass sie in zentralen Fragen keine Entscheidungen treffen könnten. Das sei der Weltkirche vorbehalten. Nationale Alleingänge würden nicht geduldet. Deswegen sagte Marx auch: Es sei anspruchsvoll, sich zwischen den verschiedenen Interessengruppen zu bewegen. Er versicherte, dass man in Deutschland keine Sonderwege gehen werde, die nicht den Gesetzen der Weltkirche entsprächen. „Aber man kann dafür werben, dass das Kirchenrecht sich ändert“, sagte Marx. Für ihn sei oberste Maxime: Die Kirche dürfe nicht gespalten werden.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) betonte, dass es den Konflikt mit dem Vatikan nicht auf die Spitze treiben wolle. „Wir wollen nicht gegen das Kirchenrecht verstoßen. Es war nie die Absicht, Beschlüsse zu fassen und umzusetzen, die in die weltkirchliche Kompetenz gehören“, sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. „Wir wollen keine Nationalkirche, das will niemand. Einer der großen Vorteile der katholischen Kirche sei, dass sie global sei.
In Fulda wollen die Bischöfe erst mal über ein Statut, eine Art Regelwerk für den Reformprozess debattieren. Wichtige Fragen sind dabei: Wer darf alles mitreden? Mit welchen Mehrheiten kommen Beschlüsse zustande? Und wie verbindlich wird das Ganze dann?
Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“sieht die Würdenträger an einer Wegscheide. Die Frage sei: Sind die Oberhirten entschlossen genug, sich gegen alle Widerstände aus den eigenen Reihen und aus dem Vatikan zu dem Vorhaben zu bekennen, sagte Christian Weisner vom Bundesteam der Organisation am Montag. Dass die deutschen Bischöfe gleichberechtigt mit Laien über diese strittigen Themen beraten wollten, möge aus römischer Sicht unerhört sein, sagte Weisner. Doch die Organisation will sich nicht länger zurücknehmen.
Jörn Perske und Christoph Driessen, dpa