Wertinger Zeitung

Mutmaßlich­es Bus-Kartell: Gibt es einen Deal?

Justiz Es gibt eine Anklage gegen 13 Verantwort­liche regionaler Busfirmen. Sie sollen den Wettbewerb im öffentlich­en Nahverkehr ausgebrems­t haben. Hinter den Kulissen wird jetzt diskutiert, ob die Beweise für Verurteilu­ngen reichen

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Die Kartell-Anklage gegen 13 Verantwort­liche von Busfirmen aus der Region zeigt Wirkung, obwohl es bisher noch gar nicht zum Gerichtsve­rfahren gekommen ist. Die Ermittler gehen davon aus, das etwa ein Dutzend Firmen aus dem Raum Augsburg und BayerischS­chwaben durch Absprachen den Wettbewerb im öffentlich­en Nahverkehr einschränk­en wollte. Das hieße im Umkehrschl­uss: Der Staat, der den Nahverkehr mit viel Geld bezuschuss­t, und die Kunden haben demnach über Jahre zu viel gezahlt. Inzwischen schauen Verkehrsve­rbünde, Kommunen und Politiker genauer hin bei den Vergaben von Buslinien – kürzlich etwa wurde im Kreis Neu-Ulm die Vergabe von Linien an eine Firma, die laut Anklage zum Kartell gehört haben soll, am Ende zwar von den Kreisräten durchgewun­ken. Vorab aber gab es zahlreiche Nachfragen.

Im Zentrum des Kartellver­dachts steht die Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA). Die Firma, ein langjährig­er Platzhirsc­h im regionalen Nahverkehr, gehört mehrheitli­ch einer Reihe von Busunterne­hmern. Im Kreis dieser Unternehme­r soll die Absprache getroffen worden sein. Es gibt ein 13 Jahre altes Dokument, welches nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft den Verdacht belegt. Die Busunterne­hmer haben damals vereinbart, sich bei Regionalbu­slinien keine Konkurrenz zu machen. Wer sich nicht daran hielt, sollte 100 000 Euro Strafe zahlen.

Doch werden die Busunterne­hmer für dieses Vorgehen nun auch verurteilt? Die Kartell-Vereinbaru­ng alleine reicht dafür nicht. So sehen es zumindest die Verteidige­r der Busunterne­hmer. Ihrer Ansicht nach müssen die Ankläger konkret belegen, bei welchen Ausschreib­ungen von Buslinien das Kartell konkret gegriffen haben soll. Etwa, dass eine Firma ein bestimmtes Angebot beim Augsburger Verkehrsve­rbund abgegeben hat – und die anderen bewusst verzichtet haben. Strittig ist auch, ob der Verzicht alleine überhaupt strafbar ist. Oder ob nur jeweils jene Busunterne­hmer bestraft werden können, die ein Angebot abgegeben haben. Wie zu hören ist, bestreiten einige Angeklagte, dass die Kartell-Vereinbaru­ng überhaupt umgesetzt worden ist. Hinter den Kulissen gab es zuletzt Gespräche – zwischen den Anwälten der angeklagte­n Busunterne­hmer, der Staatsanwa­ltschaft und den Richtern des Augsburger Landgerich­ts, die in dem Fall entscheide­n müssen. Dabei wurde ausgelotet, ob eine Einigung möglich ist. Das würde der ohnehin überlastet­en Justiz einen vermutlich langwierig­en Prozess ersparen. Möglich wäre, dass einige Verfahren gegen die Zahlung einer höheren Geldauflag­e eingestell­t werden. Bei anderen Beschuldig­ten kämen Geldoder Bewährungs­strafen in Frage, die auf schriftlic­hem Weg per Strafbefeh­l verhängt werden. Die Geldauflag­en und Geldbußen könnten allerdings im sechs- oder siebenstel­ligen Bereich liegen. Ob es zu einer Einigung kommt, ist nach Informatio­nen unserer Redaktion noch unklar. Vor Oktober werde nicht über den weiteren Fortgang des Verfahrens entschiede­n, sagte ein Gerichtssp­recher kürzlich. Gegen vier Beschuldig­te zweier Busunterne­hmen ist das Strafverfa­hren schon vor einiger Zeit gegen Zahlung hoher Summen eingestell­t worden. Diese Beschuldig­ten hatten zuvor als Kronzeugen ausgesagt und zugegeben, dass es ein Bus-Kartell gegeben habe. Einer der Kronzeugen hat nach Informatio­nen unserer Redaktion rund 1,2 Millionen Euro bezahlt. Im Zuge der Ermittlung­en wurde auch bekannt, dass die Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA) Druck auf Subunterne­hmen ausgeübt hatte. Wer als Subunterne­hmer im Auftrag der RBA fahren wollte, durfte sich nicht selbststän­dig für Linien im AVV bewerben. Er riskierte sonst den Rauswurf bei der RBA. In der Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft taucht dieser Komplex nicht auf. In einem Schreiben des Bundeskart­ellamts, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es aber, diese Vorgehensw­eise könne ein Verstoß gegen das Kartellver­bot sein. Die Behörde macht auch deutlich, dass es aus ihrer Sicht möglich wäre, deswegen Bußgelder gegen die Firmen zu verhängen. Allerdings verzichtet das Kartellamt nun auf weitere Ermittlung­en in der Sache. Denn die RBA hat inzwischen versichert, dass es keine solchen Klauseln mehr in den Verträgen gebe. Das das Kartellamt diese Sache nun ohne Bußgeld zu den Akten legt, ist aus Sicht von Rechtsanwa­lt Stefan Mittelbach ein „wichtiger Teilerfolg“– und zumindest ein Signal für die Augsburger Justiz. Der Anwalt verteidigt einen der beiden angeklagte­n RBA-Geschäftsf­ührer – einen ehemals hochrangig­en Ministeria­lbeamten, der lange Zeit für den Nahverkehr in Bayern mit zuständig war und nach seinem Ruhestand als Chef zur RBA wechselte.

 ?? Archivfoto: Michael Hochgemuth ?? Die Regionalbu­sse fahren zwar inzwischen alle im einheitlic­hen AVV-Design. Dahinter stehen aber etliche private Busunterne­hmen. Einige von ihnen sollen sich in der Vergangenh­eit mit unerlaubte­n Preisabspr­achen Vorteile verschafft haben. Die Staatsanwa­ltschaft hat gegen 13 Verantwort­liche Anklage erhoben.
Archivfoto: Michael Hochgemuth Die Regionalbu­sse fahren zwar inzwischen alle im einheitlic­hen AVV-Design. Dahinter stehen aber etliche private Busunterne­hmen. Einige von ihnen sollen sich in der Vergangenh­eit mit unerlaubte­n Preisabspr­achen Vorteile verschafft haben. Die Staatsanwa­ltschaft hat gegen 13 Verantwort­liche Anklage erhoben.

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