Das Eis wird dünn
Umwelt Der Weltklimarat schlägt in seinem Report Alarm. Der Meeresspiegel steigt immer schneller, die Gebirgsgletscher schmelzen. Die Wissenschaftler fordern die Politik deshalb zu entschlossenem Handeln auf
Monaco Der Meeresspiegel steigt doppelt so schnell wie im vergangenen Jahrhundert, ganze Küstenstreifen könnten unbewohnbar werden und Wetterkatastrophen werden extremer. Mit diesen Aussagen hat der Weltklimarat IPCC der Politik in seinem Report ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Er zeichnet darin eine düstere Zukunft, wenn nicht schnell etwas unternommen wird. Die Welt müsse die Emission der Treibhausgase unverzüglich drastisch reduzieren, mahnte der Vorsitzende des Weltklimarates, Hoesung Lee. Das sei die Botschaft der Wissenschaft an die Politik.
Das Papier zeigt auf, dass die menschengemachte Erderwärmung Meere und Eismassen auf unserem Planeten massiv schädigt und dass dies unwiderrufliche Folgen mit sich bringt. So könnten Küstenstreifen und Inseln unbewohnbar werden. Eine besondere Gefahr könne die beschleunigte Eisschmelze in der Antarktis werden, falls das Eis einmal irreversibel instabil werde. Das könnte den Meeresspiegel innerhalb von Jahrhunderten um mehrere Meter steigen lassen. Es sei noch unsicher, ob und wann dies beginne.
Gleichzeitig würden durch die Veränderungen im Ozean extreme Wetterereignisse wie Stürme und Hochwasser häufiger und stärker, sagte die Co-Vorsitzende des Klimarats, Valérie Masson-Delmotte. „Menschen, die diesen Veränderungen am meisten ausgesetzt und am verletzlichsten sind, sind oft diejenigen, die am wenigsten reagieren können“, so die Expertin. Der Bericht zeigt außerdem auf, dass die durchschnittliche Stärke von Wirbelstürmen zunimmt. Viele KüstenMegastädte und kleine Inseln müssen mit extremen Wetterereignissen rechnen, die eigentlich nur einmal im Jahrhundert auftreten. Bis 2050 können diese in vielen Regionen sogar einmal jährlich stattfinden. Nur eine starke Reduzierung der Treibhausgase, der Schutz der Ökosysteme und der bedachte Umgang mit den natürlichen Ressourcen können eine dramatische Entwicklung eindämmen, so die Experten. „Was wir sehen, ist, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel einen großen Einfluss auf die Systeme hat, von denen wir abhängig sind“, sagte Debra Roberts, Co-Vorsitzende des Rates. Sie betonte die „Dringlichkeit rechtzeitiger, ehrgeiziger und koordinierter Maßnahmen“.
In manchen Regionen wie den Tropeninseln und Küsten ist die Existenz ganzer Gemeinschaften auch ohne eine instabile Antarktis durch Überschwemmungen bedroht. In Küstenregionen bis zu zehn Metern Höhe wohnen laut IPCC 680 Millionen Menschen. Auf kleinen Inselstaaten sind es 65 Millionen. Vier Millionen Menschen leben dauerhaft in der Arktis, deren Eis und Permafrostböden in vielen Gebieten tauen. In Bergregionen werden durch das Schmelzen der Gletscher und das Auftauen dort bestehender Permafrostböden Lawinen, Steinschläge oder Bergrutsche begünstigt. Sind die Gletscher schließlich ganz verschwunden, ist die Trinkwasserversorgung gefährdet. In Hochgebirgsregionen leben 670 Millionen Menschen.
In Deutschland sind vor allem die Alpen betroffen: Die Gletscher in den Gebirgen von Mitteleuropa und anderen Regionen werden bis 2100 ohne stärkeren Klimaschutz im Schnitt 80 Prozent ihrer Eismasse verlieren. Viele sind dem IPCC zufolge selbst mit besten Klimaschutzbemühungen nicht mehr zu retten.
Der Meeresspiegel steigt dem Report des Weltklimarates zufolge immer schneller an: Der Anstieg sei mit 3,6 Millimeter pro Jahr derzeit doppelt so hoch wie im Schnitt des 20. Jahrhunderts. Während er im gesamten 20. Jahrhundert um 15 Zentimeter geklettert sei, könnte er bei einer starken Erhöhung der Treibhausgase von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 2100 um rund einen Meter steigen.
Erst Anfang der Woche hatten mehr als 60 Länder in New York beim Klimagipfel der Vereinten Nationen zusätzliche Anstrengungen im Kampf gegen die gefährlich schnell zunehmende Erderwärmung versprochen. Doch der Klimareport zeige, dass die Maßnahmen der Politik völlig unzureichend seien, sagte Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz beim WWF Deutschland. Die Umweltorganisation fordert, dass den Erkenntnissen der Wissenschaft nun „schnell Meilensteine in Politik und Wirtschaft folgen“. Der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig mahnt, dass sich wegen „der verantwortungslos schwachen Ziele, die sich die meisten Länder unter dem Pariser Abkommen gesetzt haben“, die Welt auf eine Erwärmung um drei bis vier Grad zubewege. „Auch Deutschland trägt dazu bei.“