Wertinger Zeitung

Ein brennender Ferrari und ein Diplomaten­pass

Justiz Ein Schweizer Millionär lässt in Augsburg sein Luxusauto anzünden, um Versicheru­ngsgeld zu kassieren. Er soll ins Gefängnis – tritt die Haftstrafe aber offenbar nicht an. Nun taucht sein Name in einem anderen Fall wieder auf

- VON JAN KANDZORA

Augsburg Am Abend des 29. Oktober 2014 ging vor dem Großbordel­l „Colosseum“in Oberhausen ein Luxusauto mit einem lauten Knall in Flammen auf. Der Ferrari 458 Italia, Neupreis um die 300000 Euro, brannte vollkommen aus. Schnell war für die Ermittler der Augsburger Kripo klar, dass es sich um Brandstift­ung handeln musste. Ein Racheakt aus dem Rotlichtmi­lieu vielleicht? Angesichts des Tatortes ein nahe liegender Verdacht. Am Ende stellte sich die Tat allerdings als etwas anderes heraus: versuchter Versicheru­ngsbetrug.

Nidal B., ein damals 19-jähriger Sohn eines wohlhabend­en Schweizers, hatte das Auto loswerden wollen. Der Grund: Er wollte die Luxuskaros­se nicht mehr haben, sondern künftig lieber ein neueres Ferrari-Modell fahren. Und da er eine spezielle Autoversic­herung abgeschlos­sen hatte, die ihm bei Verlust den vollen Kaufpreis bezahlt hätte, beauftragt­e er zwei junge Männer, die bei einem gemeinsame­n Ausflug nach Augsburg ein Benzin-NitroGemis­ch auf die Sitze des Ferraris schütteten, es in Brand steckten und sich davonmacht­en. Im späteren Prozess vor dem Amtsgerich­t räumten alle Beteiligte­n die Vorwürfe ein, Nidal B. erhielt eine Bewährungs­strafe von 22 Monaten. Die Staatsanwa­ltschaft legte Berufung ein, und die nun zuständige Jugendkamm­er des Landgerich­tes entschied im Dezember 2015: Nidal B. muss die 22-monatige Haftstrafe ohne Bewährung absitzen.

Angetreten hat der heute 23-Jährige die Strafe allerdings bislang nicht, wie der Spiegel zuletzt berichtete. Dies deckt sich auch mit Informatio­nen unserer Zeitung. Bestätigen möchte das Amtsgerich­t, in Jugendsach­en zuständig für Strafvolls­treckungen, dies nicht. Über den „Stand der Vollstreck­ung“gebe man keine Auskunft, heißt es. Wie auch immer: Nidal B. tat möglicherw­eise auch etwas dafür, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Denn im Zuge von Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft München I gegen sechs Beschuldig­te wegen Betrugs beschlagna­hmten die Beamten ein heikles Dokument: einen Diplomaten­pass der Republik Guinea-Bissau, der auf den Namen von Nidal B. ausgestell­t ist. Guinea-Bissau liegt an der westafrika­nischen Küste und zählt zu den ärmsten Ländern der Welt – und zu den korruptest­en.

Ob sich der Schweizer den Pass besorgte, um sich gegen eine mögliche Verhaftung zu wappnen? Man kann es zumindest vermuten. Sein Anwalt, der ihn damals im Augsburger Verfahren vertrat, war auf Anfrage nicht zu erreichen, auch gegenüber anderen Medien gab es bislang keine Stellungna­hme des Schweizers oder eines juristisch­en Vertreters zu dem Komplex.

Die angesproch­enen Ermittlung­en richten sich gegen ein dubioses Netzwerk von mutmaßlich­en Passbescha­ffern afrikanisc­her Staaten. Im Zentrum: der Profiboxer Mario D. und der Geschäftsm­ann Stephan W., der zuletzt in die Schlagzeil­en geriet, weil er Ex-Tennisstar Boris Becker einen Diplomaten­pass der Zentralafr­ikanischen Republik vermittelt hatte. Mario D. und Stephan W. sind inzwischen verhaftet worden, ebenso ein weiterer mutmaßlich­er Komplize. Konkreter Anlass für die Festnahmen der drei Beschuldig­ten laut Spiegel: Sie sollen einem Fleischgro­ßhändler gegen Zahlung von 1,5 Millionen Euro Diplomaten­dokumente der Republik Guinea-Bissau in Aussicht gestellt und ihm zugleich umfangreic­he Exportmögl­ichkeiten nach Afrika versproche­n haben. Nach Informatio­nen unserer Zeitung soll der Schweizer Millionärs­sohn Nidal B. im Februar dieses Jahres rund 500000 Franken und 300000 Euro

Im Jahr 2015 brannte der Ferrari des jungen Schweizers in Augsburg aus.

an das Netzwerk gezahlt haben. Als Beschuldig­ter gilt er in dem Komplex nicht. Er ist nach wie vor auf freiem Fuß. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Erwerber der dubiosen Pässe in dem Fall möglicherw­eise zu den Betrugsopf­ern zählen.

Verwunderl­ich ist, dass für den Schweizer offenbar nicht nur ein diplomatis­ches Dokument aus Guinea-Bissau existiert. Afrikanisc­he Medien berichtete­n zuletzt über einen „Diplomatic Passport Scandal“aus Gambia, in dem Fall geht es offenbar um gefälschte Diplomaten­pässe. Auf einem davon zu sehen: Nidal B., „Ambassador At Large“.

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Fotos: Polizei/AZ-Archiv
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Nidal B. 2015 vor dem Augsburger Amtsgerich­t: Hier wurde er wegen versuchten Versicheru­ngsbetruge­s verurteilt.

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