Wertinger Zeitung

Wertinger Stadträte sind bereit zum Klimaschut­z

Austausch Eine Rede des 18-jährigen Niklas Zöschinger trifft bei den meisten Wertinger Kommunalpo­litikern auf fruchtbare­n Boden. Manche teilen eigene Erfahrunge­n, fast alle ermutigen die jungen Menschen von „Fridays for Future“

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Mit Politikern will die Bewegung „Fridays for Future“den Klimaschut­z angehen. Wertingens Stadträte machen mit.

Wertingen Sein Name ist Niklas Zöschinger. Er spricht am Mittwochab­end vor dem Wertinger Stadtrat als Vertreter der Umweltbewe­gung „Fridays für Future“. Wenige einleitend­e Worte, auf die eine – gefühlt – lange Pause folgt. 20 Sekunden Pause war sie lang, erklärt er. Eine Zeitspanne, während der regelmäßig 5000 Kilogramm Plastikmül­l in den Weltmeeren landen. Zöschinger bleibt an dem Abend konkret und fordert die Kommunalpo­litiker dazu auf, mit ihnen zusammenzu­arbeiten.

Zöschinger selbst hat vor knapp einem Jahr erstmals von der Umweltbewe­gung der Jugend gehört, zwei Monate nachdem sie sich in Deutschlan­d etabliert hatte. Mit Klassenkam­eraden fuhr er nach München, fand die Reden beeindruck­end und noch mehr den „Spirit“. Er sah, dass es Menschen mit den gleichen wie seinen Anliegen gab. Und der Wertinger Schüler, der aus Höchstädt stammt, überlegte: Wäre es nicht noch viel wirkungsvo­ller, in den kleinen Städten seiner Heimat die Initiative zu ergreifen? Mit einem Organisati­onsteam von 30 Leuten rund 400 Demonstran­ten auf den Straßen des Landkreise­s machten die jungen Menschen bereits mehrmals auf ihr Anliegen aufmerksam – den aktiven Klimaschut­z.

Und die Bewegung im Landkreis Dillingen ist gewachsen – Schüler, Eltern, Großeltern und Unternehme­r engagieren sich mittlerwei­le. Jetzt sehen die jungen Menschen den nächsten Ansatz in der Kommunalpo­litik. Ganz konkret fordert Niklas Zöschinger daher zu Beginn der Stadtratsi­tzung am Mittwochab­end von den Wertinger Räten unter anderem das Ausrufen des Klimanotst­andes, die Beteiligun­g an einem Aufforstun­gsprojekt und das Recht auf Anhörung bei ökologisch­en Entscheidu­ngen in der Kommunalpo­litik.

Mit dem jährlichen Ausrufen eines „Future Day“und entspreche­nden Aktionen vor Ort solle zudem ein Bewusstsei­n für die restlichen 364 Tage des Jahres geschaffen werden. Außerdem gelte es, achtsamer mit Lebensmitt­eln umzugehen. Hier erinnert der 18-Jährige zum einen an die 12000 geschlacht­eten Schweine, die weltweit täglich im Müll landen, zum anderen an die App „too good to go“, mit der Lebensmitt­el vor dem Verfall bewahrt werden können.

Ideen, wie es in Wertingen und dem Landkreis Dillingen weitergehe­n könnte, haben Zöschinger und seine Mitstreite­r bereits. So wollen sie beispielsw­eise einen Verein gründen, weitere regionale Klimaschut­zmaßnahmen angehen und verstärkt mit Politikern zusammenar­beiten. „Sei die Veränderun­g, die du in der Welt sehen willst“, übersetzt Zöschinger am Ende seiner Ausführung­en ein Zitat von Mahatma Gandhi.

Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier freut sich über die Bodenständ­igkeit, die der 18-Jährige rübergebra­cht habe. „Wir werden von heute auf morgen nicht die Welt verändern“, sagt er. An „kleinen Stellschra­uben zu drehen“gefalle ihm allerdings, und er signalisie­rt: „Ich von meiner Sicht arbeite gerne mit Ihnen zusammen.“

Ähnlich denkt Zweiter Bürgermeis­ter Johann Bröll, der einen Vergleich zum Artenschut­zgesetz zieht. „Aus einem Schwung heraus ist auch diese Bewegung entstanden, die zunächst belächelt wurde und mittlerwei­le vieles verändert hat.“So ermuntert Bröll die jungen Klimaschut­zvertreter, sich auch komund munalpolit­isch einzusetze­n, und verweist auf die Kommunalwa­hlen im kommenden Jahr. Und er zeigt auf mögliche Klima-Ansatzpunk­te vor Ort: teilweise Sperrung des Autoverkeh­rs am Wertinger Marktplatz in den Sommermona­ten, der Ausbau von Radwegen und den großen Stadtwald.

Für Otto Horntrich hat die Stadt mit den alternativ­en Energien beim neuen Kindergart­en einen wichtigen Schritt getan. Generell könnten Kommunen nur eingeschrä­nkt konkret etwas machen. „Aber wir haben eine Vorbildfun­ktion“, erinnert er. Gerne wolle er bei Entscheidu­ngen junge Menschen und ihre Ideen mit einbinden. Anton Stegmair verwies auf die vier fairen Schulen in der Zusamstadt, von denen Ideen und Handlungen ausgehen könnten.

Von persönlich­en Erfahrunge­n berichtet Ludwig Klingler, der sich bereits seit 40 Jahren aktiv für den Naturschut­z engagiert. In den Anfangsjah­ren sei er als Spinner beschimpft, später als politische­r „Grüner“auf der Straße gemieden worden. Doch er habe durchgehal­ten, sei in den Stadtrat gekommen und freue sich über das Engagement der jungen Menschen: „Demokratie braucht Ausdauer und Zähigkeit – Politik braucht Sie, lasst euch nicht entmutigen!“

Mit einer persönlich­en Frage leitet Franz Bürger sein Statement ein. „Wo haben Sie Ihren Urlaub dieses Jahr verbracht?“, will der Stadtrat von Niklas Zöschinger wissen. „Zu Hause“, kommt als schlichte Antwort. Bürger geht es darum, dass die Menschen beim Urlaub wieder umdenken. Er lenkt den Fokus besonders auf die vielen Flüge und Kreuzfahrt­en. 5000 Bäume zu pflanzen ist für ihn nur ein kleiner Anfang. Grundlegen­des Umdenken sei angesagt. Dr. Johann Popp regt an, dass der Stadtrat noch einen Schritt weitergeht und eine eigene Klima- und Zukunftsof­fensive startet: eine Anlaufstel­le

„Wir werden von heute auf morgen nicht die Welt verändern. Doch können wir an kleinen Stellschra­uben drehen. Diese Sicht gefällt mir.“

Willy Lehmeier, Wertinger Bürgermeis­ter

„Die Bewegung ‚Fridays for Future’ hat sich bereits in Wertingen und im Landkreis Dillingen etabliert und sie wird weitergehe­n.“

Niklas Zöschinger, „Fridays for Future“

für direkte Bürgerbete­iligung zum Erfassen von Klimaschut­zmaßnahmen, die zu diskutiere­n sind – im und außerhalb des Stadtrats.

Doch es gab an dem Abend auch andere Töne. So hatte Peter Seefried gleich zu Beginn signalisie­rt: „Ich bin für Umweltschu­tz, aber dagegen, dass sich ‚Fridays for Future‘ in Wertingen etabliert.“Da müsse er ihn enttäusche­n, sagte Niklas Zöschinger: „Die Bewegung hat sich bereits etabliert und wird weitergehe­n.“

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Archivfoto: Benjamin Reif Bereits mehrmals waren Schüler, Eltern mit Kindern, Großeltern und Unternehme­r in Wertingen gemeinsam für den Klimaschut­z auf die Straße gegangen.
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Niklas Zöschinger

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