Wertinger Zeitung

Im Fahrwasser des Skandals

Ukraine Während in den USA über eine Amtsentheb­ung Donald Trumps gestritten wird, richtet sich der Blick auch nach Kiew. Was hat es mit dem Job von Hunter Biden auf sich? Und was ist mit den Vorwürfen gegenüber Deutschlan­d?

- VON INNA HARTWICH

Moskau Es war an einem Dienstag im Mai 2014, als der ukrainisch­e Gasproduze­nt Burisma auch über die Grenzen der Ukraine hinaus bekannt geworden war. Hunter Biden, der Sohn des damaligen US-Vizepräsid­enten Joe Biden, übernahm einen Posten im Aufsichtsr­at des Privatunte­rnehmens, das in der Ukraine Gas fördert, den Firmensitz jedoch in Limassol auf Zypern hat. Monatsgeha­lt: offenbar bis zu 50 000 Euro. Eine durchaus delikate Personalie, die das Weiße Haus erst auf Nachfrage amerikanis­cher Journalist­en wie folgt kommentier­te: „Hunter Biden und die anderen Mitglieder der Biden-Familie sind freie Bürger der USA. Ihr berufliche­s Engagement geht die Regierung ebenso wenig an, wie den Präsidente­n oder seinen Stellvertr­eter.“

Warum der damals 44-jährige Anwalt den Posten in der Ukraine übernahm, ist bis heute nicht bekannt. Sein Vater, in der Administra­tion Obama für die Ukraine-Politik zuständig, sah sich angesichts des ungewöhnli­chen Jobs genötigt, jeglichen Interessen­konflikt zurückzuwe­isen. Hunter Biden sollte als Chef-Lobbyist Kontakte zu internatio­nalen Partnern pflegen. Er war nicht der einzige Amerikaner im Burisma-Aufsichtsr­at. Ukrainer jedenfalls gab es in dem Gremium nicht. Auch der frühere polnische Präsident Aleksander Kwasniewsk­i sitzt im Aufsichtsr­at von Burisma. Das Unternehme­n ist erst seit 2002 auf dem ukrainisch­en Gasmarkt tätig. Lange Zeit war nicht klar, wer hinter der Firma steckt, die sich als „der größte private Gasfördere­r der Ukraine“bezeichnet.

Traditione­ll dominieren Seilschaft­en aus Politik und Wirtschaft das einträglic­he Gasgeschäf­t im Land. Als Mitbegründ­er von Burisma gilt der Kiewer Mykola Slotschews­kyj. Der heute 53-Jährige war Umweltmini­ster unter Viktor Janukowits­ch, der 2014 nach den Massenprot­esten auf dem Kiewer Maidan nach Russland geflohen war. Als Burisma auf den Markt ging, saß Slotschews­kyj als Abgeordnet­er von Janukowits­chs Partei der Regionen im ukrainisch­en Parlament. Der ausgebilde­te Elektrotec­hniker hatte bereits da im Verdacht gestanden, seine berufliche­n Kontakte für seine privaten Geschäfte ausgenutzt zu haben. Später, als bereits Hunter Biden bei Burisma war, ermittelte die ukrainisch­e Generalsta­atsanwalts­chaft gegen Slotschews­kyj und sein Unternehme­n wegen Korruption, ließ die Ermittlung­en jedoch 2016 zunächst ruhen, 2017 schließlic­h fallen.

An dieser Stelle fällt ein weiteres schiefes Licht auf die Familie Biden, das Donald Trump nun auszuschla­chten versucht. 2016 hatte der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o dem höchst umstritten­en Generalsta­atsanwalt Wiktor Schokin den Rücktritt nahe gelegt. Schokin war bereits unter Janukowits­ch in der ukrainisch­en Justiz aktiv und galt nach dem Maidan als Reformbrem­ser. Auch der Internatio­nale Währungsfo­nds und westliche Geldgeber hatten damals zur Absetzung Schokins gedrängt. Die USA knüpften Milliarden­kredite an den Rücktritt des Generalsta­atsanwalts. Joe Biden bezeichnet­e Schokin öffentlich als „Mistkerl“und freute sich über dessen Demission.

Trump wirft Biden nun vor, seinen Posten damals ausgenutzt zu haben, um seinen Sohn vor Korruption­sermittlun­gen zu schützen. Diese aber waren vor Schokins Amtsantrit­t bereits eingeschla­fen. Ein fahler Nachgeschm­ack aber bleibt.

Für den im April gewählten ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj ist die Angelegenh­eit nicht einfach. Seinem Land hat er Frieden im Donbass versproche­n. Dafür braucht er diplomatis­che, finanziell­e und auch militärisc­he Hilfe. Der 41-Jährige hofft vor allem auf US-Hilfe, um das geschwächt­e Militär der Ukraine zu stärken. Er will es sich weder mit Trump noch mit Biden verscherze­n. Ohne Finanzhilf­en des Westens wäre die Ex-Sowjetrepu­blik längst pleite.

Umso schlimmer, dass Selenskyj nun noch in Verlegenhe­it gerät, weil er deutliche Kritik an Bundeskanz­lerin Angela Merkel und dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron äußert – auf deren Hilfe die Ukraine noch stärker angewiesen ist als auf Trumps Wohlwollen. „Sie arbeiten nicht so viel für uns, wie sie sollten“, sagt Selenskyj laut Protokoll über Merkel und Macron und stimmt Trump „zu 1000 Prozent zu“, dass die USA sehr viel für die Ukraine getan hätten, die Europäer dagegen fast nichts. Dabei baut der ukrainisch­e Präsident auch in seiner Hoffnung auf Frieden im Osten seines Landes auf Berlin und Paris: Beide Länder gehören zum sogenannte­n Normandie-Format, das sich um die Beilegung des Konflikts im Donbass bemüht. Trump ist hingegen in diesem diplomatis­chen Kreis nicht vertreten.

Präsident Selenskyj sitzt in der Zwickmühle

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Foto: Efrem Lukatsky, dpa Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj.

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