Warum erst jetzt?
Arznei Vor einer Woche starben eine Mutter und ihr Baby an einer giftigen Glukose-Mischung. Nun wurden in Köln drei Apotheken geschlossen. Politiker üben scharfe Kritik
Köln Die Verkaufstheke ist leer, die Lichter sind aus, am Fenster hängt ein weißer Zettel. „Apotheke heute geschlossen“, hat jemand darauf geschrieben. Dass es bei dem einem Tag bleibt, ist unwahrscheinlich. Nach den tragischen Todesfällen durch eine vergiftete Arznei aus einer Kölner Apotheke haben die Behörden diese und zwei weitere Filialen desselben Verbundes schließen lassen – bis mehr Klarheit herrscht.
„Ich war nicht bereit, ein Restrisiko in irgendeiner Art und Weise in Kauf zu nehmen“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der die Schließung veranlasst hatte, am Donnerstag. Da noch unklar ist, ob das Gift versehentlich in einen Behälter mit Glukose gelangt oder kriminelle Energie im Spiel war, müsse man Patienten so gut wie möglich schützen.
Seit dem Tod einer jungen Mutter und ihres Säuglings ist bereits eine Woche vergangen – eine Woche, in der man in der Heilig-GeistApotheke Köln-Longerich, aus der das vergiftete Pulver stammte, noch fast ganz normal einkaufen und auch arbeiten konnte. Lediglich das Mischen und Abfüllen von Arzneimitteln war der Apotheke von der Stadt untersagt worden.
Die Mutter war gestorben, nachdem sie eine Glukose-Mischung aus der Apotheke zu sich genommen hatte, um einen Diabetes-Test durchzuführen. Auch der Versuch, ihr Baby per Kaiserschnitt zu retten, blieb erfolglos. Beide starben an multiplem Organversagen.
Am Montag gaben die Ermittler dann bekannt: Für den Tod verantwortlich war ein giftiger Stoff – festgestellt in dem Glukose-Behälter in der betroffenen Apotheke. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien soll es sich bei dem giftigen Stoff um ein Betäubungsmittel handeln. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Stadt Köln wollten das nicht kommentieren. Polizei und Stadt warnten aber ausdrücklich davor, Glukose-Präparate aus der HeiligGeist-Apotheke einzunehmen. Diese sollten stattdessen bei der Polizei abgegeben werden – was am Dienstag auch passierte. Eine Frau, die von ihrer Frauenarztpraxis informiert worden sei, habe ein GlukosePräparat aus der Apotheke bei der Polizei abgegeben, bestätigte die Staatsanwaltschaft.
Dass die Schließung erst jetzt erfolgte, liegt nach Angaben des Ministeriums nicht daran, dass man mittlerweile mehr weiß. „Wir mussten uns den Sachverhalt erst einmal anschauen und prüfen, was juristisch möglich und geboten ist“, sagte ein Sprecher. Als Kritik an den Kölner Behörden will Minister Laumann seine Maßnahme nicht verstanden wissen. Die Kölner Behörden hätten bislang einen „klasse Job“gemacht und machten weiter einen „klasse Job“, sagte er.
Für die Opposition im Düsseldorfer Landtag ließen sich die Behörden dagegen viel zu viel Zeit. „Wie nach Bekanntwerden dieser Ereignisse die zu dem betroffenen Unternehmen gehörenden Apotheken noch mehrere Tage geöffnet bleiben konnten, ist für mich schlicht nicht nachvollziehbar“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPDFraktion, Josef Neumann, am Donnerstag. „Bürgerinnen und Bürger sind viel zu lange in Unsicherheit gelassen worden.“
Gemeinsam mit den Grünen hat seine Fraktion beantragt, die Vorfälle bei der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses am 2. Oktober zu diskutieren. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nannte die Schließung einen nachvollziehbaren, aber sehr drastischen Schritt. Die Schließung sei nicht durch die Staatsanwaltschaft veranlasst worden, erklärte Staatsanwältin Natalie Traut am Donnerstag. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet; eine Mordkommission ermittelt in alle Richtungen.