Wertinger Zeitung

Kein Mann für gewisse Stunden

Bundesliga Mario Götze befindet sich in Dortmund in seinem letzten Vertragsja­hr. Bislang scheint Trainer Lucien Favre wenig Wert darauf zu legen, dass er auch weiterhin beim BVB bleibt. Die Vergangenh­eit aber kann Götze Mut machen

- VON TILMANN MEHL

Mario Götze ist durchaus präsent im Dortmunder Stadtbild. Wer will, kann dem Star Tag für Tag bei der Arbeit zuschauen. Der 27-Jährige wirkt zwar äußerst statisch und schlägt nicht die von ihm gewohnten Haken – aber jeder Job bringt nun mal ein anderes Anforderun­gsprofil mit sich. Zusammen mit seiner Frau Ann-Kathrin posierte er leicht bekleidet und wirbt nun auf Plakaten für die Unterwäsch­ekollektio­n seiner Gattin. Der Name „Götze“zieht immer noch. Daran liegt es auch, dass die Fußballnat­ion stets Anteil am Schicksal des Hochbegabt­en nimmt. Sein Aufstieg in Dortmund, der für unmöglich gehaltene Wechsel nach München – Götze polarisier­te früh. Katalysato­risch sein Tor zum WM-Titel. Wechsel zurück, Krankheit. Eine Karriere als Seifenoper. Deutschlan­d nimmt Anteil. Mehr als es Götze lieb ist.

Derzeit sorgen sich wieder jene, denen am schönen Spiel gelegen ist. Götze nämlich kam in den ersten Wochen der Saison über alle Wettbewerb­e hinweg erst 37 Minuten zum Einsatz. In sieben Spielen.

Es ist nicht die Bilanz eines Stammspiel­ers. Eher die eines Nachwuchss­pielers. Im Fach des beständige­n Bundesliga­profis ist Götze trotz all seiner Erfahrung und Erfahrunge­n immer noch nicht angekommen.

Sein Trainer beteuert glaubwürdi­g, dass er keinerlei Aversionen gegen den Offensivsp­ieler hege. „Ich habe absolut nichts gegen Mario – er weiß das“, so Lucien Favre. Und trotzdem traute er ihm in den ersten Saisonwoch­en noch nicht zu, die Hochgeschw­indigkeits­kombinatio­nen des BVB zu veredeln oder zumindest daran mitzuwirke­n. Dabei schien vor allem die vergangene Partie wie gemacht für den ersten Startelfei­nsatz in dieser Saison. Wenige Tage vor dem Spiel bei Eintracht Frankfurt hatten die Borussen den FC Barcelona phasenweis­e überforder­t. Die Katalanen bedankten sich am Ende bei ihrem Keeper Marc-André ter Stegen, dass sie die Heimreise letztlich doch noch zumindest mit einem 0:0 antreten durften.

Das enorme Dortmunder Pensum veranlasst­e Favre allerdings nicht dazu, einigen seiner Stammspiel­er eine Pause zu verschaffe­n. Gegen Frankfurt spielten jene elf Akteure, die unter der Woche schon gegen Barcelona in der Startelf standen. Nach der Partie empörte sich Marco Reus über die Frage nach mangelnder Mentalität. Tatsächlic­h fehlte es der Borussia in einigen Momenten an der notwendige­n Präzision. Präzision leidet als Erstes bei körperlich­er Erschöpfun­g. Götze aber wurde erst in der Schlusspha­se eingewechs­elt.

Er wird künftig wieder häufiger in Aktion zu sehen sein. Nicht mit entblößtem Oberkörper für Unterhosen werbend, sondern mit Ball am Fuß in den Stadien der Republik. In der vergangene­n Saison kam Götze an den ersten sechs Spieltagen der Bundesliga keine einzige Minute zum Einsatz. Danach aber spielte er in fast jeder Partie – einmal fehlte er wegen einer Bronchitis, eine andere Partie verpasste Götze mit einem Rippenbruc­h.

Auch im Herbst 2019 wird er wieder vermehrt auf dem Platz stehen. „Wir brauchen alle Spieler im Kader. Das werden wir ziemlich schnell sehen“, kündigt Favre an. Am Samstag spielen die Dortmunder gegen Bremen. Möglich, dass Götze dann erstmals von Beginn an spielt. Sein Konkurrent im Sturmzentr­um, Paco Alcacer, hielt in den vergangene­n beiden Partien nicht jene Form, die ihm zuvor seinen Stammplatz bescherte.

Götze aber wird es schwer haben, so beständig zum Einsatz zu kommen, wie noch in der vergangene­n Saison. Die Dortmunder Offensive ist mit Alcacer, Julian Brandt, Jadon Sancho, Marco Reus, Thorgan Hazard und Jacob Bruun Larsen recht üppig besetzt. Der BVB-Angriff ist perspektiv­isch der talentiert­este der Bundesliga. Im kommenden Sommer läuft der Vertrag Götzes in Dortmund aus. Bislang konnten sich beide Seiten nicht auf eine Verlängeru­ng einigen. Grundsätzl­ich würden sie Götze ja schon gerne halten und ebenso grundsätzl­ich würde der ja auch gerne bleiben – nur eben zu anderen Bedingunge­n. Bislang zählt der 27-Jährige zu den Großverdie­nern des Kaders. Verständli­cherweise aber will Sportdirek­tor Michael Zorc in den kommenden Jahren

Eine Partie, wie gemacht für Götze – und doch ohne ihn

Götze steht mal wieder vor einer wichtigen Etappe

nicht das Signal aussenden, einen Ergänzungs­spieler wie einen absoluten Leistungst­räger zu entlohnen. Götze wiederum möchte im besten Fußballera­lter keine Abstriche machen.

Die Karriere des letzten deutschen WM-Helden steht vor einer Gabelung. Mal wieder. Götze hat die Fähigkeite­n, dass sie in den kommenden Monaten noch einmal Fahrt aufnimmt. Dass er wegen seines auslaufend­en Vertrages zu einem der begehrtest­en Spekulatio­nsobjekte auf dem internatio­nalen Spielermar­kt wird. Möglich aber auch, dass Götzes Saison schleppend verläuft. Dass er im Mai kommenden Jahres seinen Arbeitgebe­r nicht zwischen Dortmund, Liverpool und Juventus auswählen kann, sondern zwischen Everton, Sevilla und Lazio Rom. Luxusprobl­eme.

Die Nation wird weiter Anteil nehmen am Werdegang dieses außergewöh­nlichen Kickers und gewöhnlich­en Menschen. Der am liebsten sein Wirken für sich sprechen lassen würde. Und nur selten darf. Mal wieder.

 ?? Foto: Guido Kirchner, dpa ?? Mario Götze konnte in dieser Saison bislang selten sein Können auf dem Platz zeigen. Dabei ist der 27-Jährige auf Spielzeit angewiesen, um bessere Karten in den Vertragsve­rhandlunge­n mit dem BVB zu haben.
Foto: Guido Kirchner, dpa Mario Götze konnte in dieser Saison bislang selten sein Können auf dem Platz zeigen. Dabei ist der 27-Jährige auf Spielzeit angewiesen, um bessere Karten in den Vertragsve­rhandlunge­n mit dem BVB zu haben.

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