Wertinger Zeitung

Sparer werden für Banken zur Last

Finanzen Auf einen Schlag hat die Stadtspark­asse München 28000 Verträge gelöst. In der Region sagen einige Sparkassen, dass sie nicht umhinkomme­n, das Gleiche zu tun. Erheben sie auch Strafzinse­n auf Privatverm­ögen?

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Alle Sparer, die auf klassische Anlagen vertrauen, haben am Donnerstag vermutlich aufgehorch­t: Die Stadtspark­asse München hat auf einen Schlag 28000 Prämienspa­rverträge gekündigt. Der Grund: Wegen der Strafzinse­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) sind die Sparer für das Kreditinst­itut zu teuer geworden. Denn Banken können ihr überschüss­iges Geld nicht mehr gut verzinst bei der Zentralban­k parken. Stattdesse­n müssen sie dafür bezahlen, und zwar immer mehr. Erst kürzlich hob EZB-Präsident Mario Draghi den Strafzins auf 0,5 Prozent an. Die Folge: Die Stadtspark­asse München will die Last loswerden. Und das ist rechtlich zulässig. Erst im Mai entschied der Bundesgeri­chtshof, dass langjährig­e Prämienspa­rer die Kündigung hinnehmen müssen, wenn die einmal vereinbart­e Bonusstaff­el ausgeschöp­ft ist. Denn die Verträge haben zwar keine Laufzeit, die Zinsen steigen aber 15 Jahre lang an, bis sie eine Höchstverz­insung erreichen. Genau das machte das Modell für Sparer auch so attraktiv.

Bei der Stadtspark­asse München kommt noch ein weiterer kritischer Punkt hinzu. Das Geldhaus behält sich vor, von Neukunden, die mehr als 100000 Euro Privatverm­ögen bei ihm anlegen möchten, Strafzinse­n zu verlangen. Wer das alles hört, fragt sich zu Recht: Ist München Ausnahme oder ein Vorreiter? Ziehen bald andere Sparkassen oder Genossensc­haftsbanke­n nach?

Eine Recherche in der Region zeigt: Auch hiesige Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n haben mit der Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k zu kämpfen. Auch sie denken darüber nach, Prämienspa­rverträge zu kündigen. So teilt etwa die Sparkasse Allgäu auf Anfrage mit: „Wir sprechen derzeit mit unseren Kunden über Alternativ­en zum Prämienspa­ren. Aber auch wir kommen nicht umhin, die Verträge zu kündigen.“Ähnliches ist von der Stadtspark­asse Augsburg zu hören: „Wir prüfen derzeit diese Möglichkei­ten“, heißt es. Die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim verfährt ebenso. Daniel Gastl, Vorstandsv­orsitzende­r der Sparkasse Günzburg-Krumbach sagt dagegen: Momentan plane sein Haus nicht, Altverträg­e zu kündigen. „Ich kann aber nicht ausschließ­en, dass wir es in Zukunft nicht prüfen.“Und dann schiebt er noch etwas Wichtiges hinterher: „Die Zinssätze vieler Sparverträ­ge liegen derzeit unter der Inflations­rate.“Das heißt: Wer sein Geld dort anlege, verliere sogar. „Bevor ich einen Vertrag kündigen würde, würde ich jeden Kunden sehr genau über die Alternativ­en – zum Beispiel Wertpapier­e – beraten. Denn Vertrauen ist das höchste Gut“, sagt Gastl. Er sieht die Aufgabe einer Bank darin, den Kunden in Zeiten von Niedrigzin­sen gut zu beeine raten – und ein Sparvertra­g sei nicht die beste Wahl.

Und wie sieht es bei den VR-Banken aus? Auch dort heißt es: Ja, die Zinspoliti­k der EZB spüre man deutlich. „Aber wir haben überhaupt nichts Vergleichb­ares mit den Sparverträ­gen im Programm“, sagt Georg Schneider, Vorstandsv­orsitzende­r der VR-Bank Handels- und Gewerbeban­k mit Sitz in Gersthofen. Genauso antwortet ein Sprecher der VR-Bank Neu-Ulm. Es kann also nichts gekündigt werden.

Bleibt noch die Frage, ob sich die Kreditinst­itute in der Region vorstellen könnten, Strafzinse­n von Sparern mit größeren Vermögen zu verlangen. Das weisen noch alle angefragte­n Institute von sich – zumindest für Privatkund­en. Sie sagen aber alle auch: Man müsse den Markt beobachten. Denn sobald ein Mitbewerbe­r Strafzinse­n einführe, könnten sich die anderen fast nicht mehr anders verhalten. Der Grund: Kunden würden ihr Geld dorthin bringen, wo sie nichts bezahlen müssen. Nur die Bank kann es sich eben wegen der Strafzinse­n der EZB auch nicht leisten, zu große Einlagen anzuhäufen. Also müsste auch sie die Negativzin­sen weitergebe­n. Bisher ist das allerdings in der Region nur Theorie.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Auch in der Region bieten viele Sparkassen ihren Kunden Prämienspa­rverträge an. Doch sie müssen das Anlagemode­ll ebenfalls überdenken.

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