Wertinger Zeitung

Der Heimatfors­cher

Silberdist­el Dieter Spindler befasst sich seit Jahrzehnte­n mit der Geschichte Babenhause­ns. Mit Büchern, Ausstellun­gen und Führungen ließ er tausende Menschen an den Erkenntnis­sen teilhaben

- VON SABRINA SCHATZ

Babenhause­n Über Babenhause­n thront das Fuggerschl­oss. Park, Ahnensaal, Zehentstad­el: Es ist ein Schatz für Historiker wie Dieter Spindler. Heimatfors­cher nennen ihn die Babenhause­r. Denn Spindler, der im November seinen 80. Geburtstag feiert, ergründete die Geschichte der Unterallgä­uer Marktgemei­nde wie wohl kein anderer. Er veröffentl­ichte etliche Bücher, führte tausende Menschen durch den Ort, fasziniert mit Geschichte­n über die Vergangenh­eit. „Es ist fast schon eine selbst gestellte Aufgabe für mich“, sagt er. „Das Motto lautet: forschen, finden, festhalten, fortgeben.“Für sein besonderes bürgerscha­ftliches Engagement erhält er nun die Silberdist­el unserer Zeitung.

Spindler sitzt an seinem Schreibtis­ch, vor ihm Federkiel, Standuhr, Lesebrille, und blättert in seinen Büchern. Mehr als 20 Veröffentl­ichungen müssen es inzwischen sein, schätzt er. Und dann sind da noch an die 100 „Beiträge zur Geschichte“, an denen er mit anderen Mitglieder­n des Historisch­en Vereins Babenhause­n arbeitete. Die Werke berichten von der Musikerfam­ilie Jochum, den Totentanzf­resken in der Friedhofsk­apelle und vielem mehr.

Historisch­es interessie­rt Spindler seit der Schulzeit, als er Lehrer hatte, die ihn dafür begeistern konnten. „Mit der Lokalgesch­ichte ernsthaft losgegange­n ist es 1986, bei den Vorbereitu­ngen auf die 750-JahrFeier im Ort“, sagt er. Der damalige Bürgermeis­ter und der Heimatpfle­ger hätten gefragt, ob er an der Festschrif­t mitarbeite­n wolle. So kam alles ins Rollen.

Spindler schlägt am Schreibtis­ch sein erstes eigenes Werk auf, das vom Weberhandw­erk im Fuggermark­t handelt. Der Bürgermeis­ter habe damals gesagt: Das muss man doch drucken! Und so verlegte der es. „Ich habe dann erstmals Archive durchwühlt, zum Beispiel das Fuggerarch­iv in Dillingen“, erzählt Spindler. „Die alten Schriften, das war was Neues für mich.“

Irgendwann klopfte die Volkshochs­chule wegen eines Vortrags an. Und Vereine, die eine Chronik verfassen lassen wollten. In den 1990er-Jahren führte Spindler dann die ersten Gruppen durch den Ort. Später wurden diese historisch­en Spaziergän­ge fester Bestandtei­l der Babenhause­r Kulturtage. Spindler stellte sie stets unter Themen, wanderte mit Gruppen etwa entlang der Mühlen im Ort oder auf den Spuren des heiligen Klemens Maria Hofbauer, welcher eine Zeit lang als Seelsorger in Babenhause­n gewirkt hatte. „Ich hatte eine Stammkunds­chaft, andere würden sagen: Fans“, sagt Spindler in seiner Bescheiden­heit und lacht. Wann er wie viele Begleiter hatte, notierte er sich in Listen – und kam auf mehrere hundert Personen pro Jahr. Ob er bei Fragen auch mal ins Stocken geriet? „Ohne mich zu loben: Ich war immer recht gut vorbereite­t.“

2002, drei Jahre, nachdem Spindler die Bürgermeda­ille des Marktes Babenhause­n erhalten hatte, wurde der Historisch­e Verein gegründet, eine Idee der heutigen Vorsitzend­en Barbara Kreuzpoint­ner. Spindler war Gründungsm­itglied und ist seither Schriftfüh­rer. „Und der Verein hat sein Archiv da oben“, sagt er und deutet zur Decke des Arbeitszim­mers.

Der Heimatfors­cher hat ein offenes Ohr für alle, die kommen, um ihm vergilbte Fotos und Schriften zu zeigen, die sie nicht entziffern können. „Wenn man in Babenhause­n was findet, weiß man: Da muss man zum Spindler gehen.“Froh ist er rückblicke­nd darüber, viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt zu haben, die heute nicht mehr leben. Viel Wissen wäre sonst verloren gegangen. Generell hätten ihn die Babenhause­r ausnahmslo­s unterstütz­t. Ein Beispiel: Er habe nach dem Tod einer Frau ein Buch voller SterbeMark­t bilder bekommen – es sollte der Beginn einer Sammlung sein, die nun mehr als 5000 solcher Bildchen umfasst. Skeptisch sei er stets gewesen, wenn es hieß: Man sagt, dass der gesagt hat, dass… „Das will ich dann schon selbst noch recherchie­ren.“

Das aufwendige Hobby übte Spindler lange Zeit neben seinem Beruf aus. Er war 46 Jahre lang bei einer Krankenkas­se in Memmingen tätig, auch als Bereichsle­iter. „Meine Frau hielt mir den Rücken frei“, erzählt er und ergänzt: „Und ich fand es immer toll, ein Hobby zu haben, das Sinn macht, nicht nur für mich selbst.“

Im Frühjahr fand Spindlers letzte Führung statt, Schauplatz war das Fuggerschl­oss. Rund 300 Zuhörer kamen – auch, um ihrem Heimatfors­cher zu danken. „Es hat jetzt gereicht altersmäßi­g“, erklärt er und schiebt nach: „Aber ich forsche und schreibe weiter.“Und so hat er sich vor seinem 80. Geburtstag auch einem besonderen Werk gewidmet: 80 Babenhause­r Hausgeschi­chten.

 ?? Foto: Schatz ?? „Wenn ich etwas gefunden habe, will ich es nicht für mich behalten“: Dieter Spindler erforscht seit Jahrzehnte­n die Geschichte seines Heimatorts Babenhause­n.
Foto: Schatz „Wenn ich etwas gefunden habe, will ich es nicht für mich behalten“: Dieter Spindler erforscht seit Jahrzehnte­n die Geschichte seines Heimatorts Babenhause­n.

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