Sie hat die Dillinger Filmwelt geprägt
Geburtstag Lisel Striegel wird am Sonntag hundert Jahre alt. Ihr Name ist untrennbar mit dem Kino verbunden
Dillingen Da muss sie nicht überlegen. Dieser eine Film mit dem österreichischen Schauspieler Willi Forst. An den kann sie sich genau erinnern. Es ist ihr Lieblingsfilm. Zwar fällt Lisel Striegel in diesem Moment nicht der exakte Filmtitel ein. Aber wen wundert’s? Vermutlich gibt es im Landkreis Dillingen niemanden, der in seinem Leben so viele Kinofilme wie sie gesehen hat. Und das liegt nicht nur daran, dass Lisel Striegel am Sonntag ihren 100. Geburtstag feiert. Ihr Name ist untrennbar mit dem Dillinger Kino verbunden. Mittlerweile wird das urige Filmcenter im Herzen der Kreisstadt in dritter Generation ihrer Familie geführt. Enkeltochter Claudia Mayr und Partner Andreas Penthaler haben das Ruder übernommen. Das freut Oma Lisel besonders, wie sie sagt. „Claudia sagt, dass ich ihr Vorbild bin. Dabei bewundere ich sie dafür, was sie alles bewegt. Die Zeiten haben sich sehr verändert“, sagt die Jubilarin.
Lisel Striegel – ihr richtiger Vorname ist Elisabeth – ist am 29. September 1919 als ältestes Kind in Dillingen geboren. Zusammen mit einer Schwester und einem Bruder ist sie hier aufgewachsen, ihre Eltern hatten viele Jahre einen Papier- und Schreibwarenladen in der Königstraße. „Ich hatte eine wunderbare Kindheit. Trotz aller Umstände haben unsere Eltern es sehr gut mit uns gemeint“, sagt sie und lächelt. Sie spielte Klavier und war im Dillinger Turnverein aktiv. Von klein an habe sie mit im Laden gearbeitet, ihr Vater war Buchbindermeister. Seinen Beruf erlernte die junge Lisel damals auch – unter anderem in Thüringen und Füssen. Bis der Krieg ausbrach. Dann holte sie ihr zukünftiger Ehemann Willi nach Hause. „Meine Eltern brauchten meine Hilfe im Geschäft in Dillingen“, erinnert sie sich.
Und dort begann auch ihre Kinogeschichte. Denn ihr Willi war als Kunde im Laden, er brauchte eine komplette Büroausstattung – weil der gebürtige Stuttgarter das Dillinger Kino gekauft hatte. „Und die Frau dazu“, sagt Striegel und schmunzelt. Nachdem ihr Willi aus dem Krieg zurückgekehrt ist, haben die beiden 1941 geheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Als seine Ehefrau übernahm Lisel Striegel die Buchführung und war die gute Seele hinter der Leinwand. „Es war eine sehr schöne Zeit, aber auch eine sehr intensive Zeit. Wir haben viel erlebt“, schildert die 100-Jährige, die sich an jedes Detail erinnert. Ihr Alter merkt man ihr nicht an.
Während des Krieges mussten die Striegels aus ihrem Kino, damals hieß es noch Dilli, raus, eine Jüdin betrieb es. Die Einführung des Fernsehers war ein großer Einbruch für ihr Geschäft mit den Filmen. Es gab kaum freie Wochenenden und die Anlieferung der neuesten Blockbusters war immer eine Herausforderung. „Die Rollen kamen mit der Eisenbahn nach Dillingen. Und wenn nicht ordentlich gearbeitet wurde, dann sind sie nach Dillingen an der Saar geliefert worden. Das war dann immer sehr kompliziert“, erzählt Striegel. Trotzdem: Ihr Mann, der 1997 gestorben ist, und sie haben ihre Arbeit im Kino geliebt, wie sie erzählt. Tag ein, Tag aus. Ob hinter der Kasse, als Filmvorführer oder bei den Getränken – für die Striegels war ihr Kino ein Zuhause. „Und ich habe auch fast alle Filme sehen“, sagt sie.
Dass sie ihre Leidenschaft für das Kino erst an ihre Tochter Charlotte und nun Enkeltochter Claudia weitergegeben hat, mache sie glücklich. Mehr aber noch die Tatsache, dass ihre Familie zusammenstehe und sich regelmäßig treffe. So auch am Sonntag, an ihrem 100. Geburtstag. „Eigentlich wollte ich gar nichts machen, aber meine Töchter meinten, dass ich da nicht drumherum komme.“
Deshalb wird dieser besondere Geburtstag mit der ganzen Familie – dazu zählen mittlerweile vier Enkel und drei Urenkel – in Dillingen gefeiert. Es gibt Musik und auch der Oberbürgermeister schaut vorbei. Das alles hat die Jubilarin organisiert, wie Siegfried Huber sagt. „Das ist für ihr Alter enorm. Aber sie hat noch immer alles im Griff“, sagt der Leiter im Heilig-Geist-Stift Seniorenund Pflegeheim Dillingen. Seit acht Jahren lebt Lisel Striegel dort, sie hat sich damals ihr Zimmer selbst ausgesucht. Das Haus in Hausen sei für sie alleine zu groß geworden.
Bis vor wenigen Jahren ist sie täglich noch einen Kilometer geschwommen – angefangen in der Donau, dann im Eichwaldbad oder im Hallenbad. „Das hat mich fit gehalten“, verrät sie und: „Ich habe mich gesund ernährt und christlich gelebt.“Mit ihrem Alter beschäftige sie sich nicht. „Ich bin einfach hundert geworden. Vielleicht darf ich noch ins neue Jahrhundert ein wenig reinleben.“
Und ins Kino gehen. Ein Filmnachmittag mit den Heimbewohnern ist auf jeden Fall geplant.