Die Frage der Woche In der Partytracht auf die Wiesn?
Die Partytracht dient doch vorwiegend einem Zweck: der Party. Und da muss es nicht immer das teure Stück sein. Schließlich geht es dem Träger nur darum, auf dem Oktoberfest zu feiern. Wieso also sollte man da nicht zu Dirndl und Lederhose von der Stange greifen? Warum so viel Geld für ein Kleidungsstück ausgeben, das man ohnehin nur einbis zweimal im Jahr trägt – und dann auch noch Bier oder Schlimmeres darüber schüttet?
Die Partytracht, ihres Zeichens kostengünstiger als das Original und bei richtiger Auswahl trotzdem schick, bietet da eine gute Alternative.
Da mag manch einer jetzt die Moralkeule schwingen und sagen, dass die teuren Trachten ja wenigstens aus heimischer Produktion stammen, beste Qualität bei fairen Arbeitsbedingungen bieten, womöglich sogar klimaneutral sind. Fakt ist aber, dass in vielen Fällen auch die original bayerische Hose aus Hirschleder im gar nicht so original bayerischen Sri Lanka genäht und danach nach Deutschland verschifft wird.
Die Partytracht bietet noch einen Vorteil: Wenn es auf der Wiesn schon der einheitliche Lederhosen- und DirndlLook sein soll – vor nicht allzu langer Zeit war das übrigens noch nahezu undenkbar, die angebliche „Tradition“der OktoberfestTracht wurde nämlich vom Münchner Stadtmarketing während der Bewerbung für die Olympischen Spiele 1972 erfunden – so können sich so wenigstens alle Gäste eine Tracht leisten, von der Gruppe 16-jähriger Erstbesucher bis zum Touristen aus Übersee.
Übrigens lässt sich in der günstigen Variante auch viel ungehemmter feiern. Und den Unterschied zwischen teuer und billig merkt nach ein paar Maß auch keiner mehr.
Grundsätzlich gilt ja: Mia san mia, ihr seid ihr. Wer zur Wiesn geh, mag doch daher bitte anziehen, was er möchte. Und wenn der-/diejenige es mag, dann halt auch in Faschingsverkleidung. Denn nichts anderes sind ja die knisternden, glänzenden Polyesterkleiderl oder die peppigen Pseudo-Lederhosen samt Trachten-Shirt Hangover. Mit Tracht jedenfalls hat das Ganze nichts oder wenig zu tun, mit Party aber natürlich jede Menge. Wie gesagt: Muss man halt mögen.
Fürs Nichtmögen aber spricht einiges. Und jetzt soll hier nicht wieder die Uralt-Debatte aufgerollt werden, von wegen, das sei doch schlimme Verhunzung, ja sogar folkloristischer Missbrauch der ursprünglichen Tracht. Wären das Dirndl und die Lederhose nicht wieder hip geworden, wären sie vermutlich auch im Werdenfelser Land oder wo auch immer heute lang nicht mehr so stolz aufs alte Gewand.
Entscheidend aber ist dies: Wer im in China oder Bangladesch genähten Billigfummel auf die Wiesn geht, könnte vielleicht auch ganz kurz bedenken, ob er eigentlich wirklich nichts Schöneres im Kleiderschrank hängen hat? Irgendetwas, das vielleicht auch mit der eigenen Identität zu tun hat, das man nicht den Rest des Jahres aus gutem Grund im Schrank versteckt? Mit Sicherheit schon, auch wenn Modedesignerin Vivienne Westwood einst erklärte: „Würde jede Frau ein Dirndl tragen, gäbe es keine Hässlichkeit mehr auf der Welt.“Das ist aber schon zwei Jahrzehnte her, und Westwood konnte da noch gar nicht wissen, was man mit so einem Dirndl alles Hässliche anstellen kann. Hatte zum Beispiel noch nie die Flamenco-Version in Orange-Rot gesehen. Dazu passend der Herr im T-Shirt mit der Aufschrift: Zünftig – Brünftig – Unvernünftig. Muss man schon mögen – oder eben nicht.