So erfolgreich – so unterschiedlich
Österreich Dass Sebastian Kurz wieder Kanzler wird, galt als sicher. Doch der smarte Jungstar übertraf alle Erwartungen. Nur einer machte ihm Konkurrenz: ein Grüner mit eher rauem Charme. Passen die beiden zusammen?
Wien Der strahlende Sieger? Eh klar: der Sebastian Kurz! Die Geschichte des „Wunderwuzzi“, wie ihn die Österreicher halb spöttisch, halb ehrfürchtig nennen, wird also weitergehen. Aber zumindest zeitweise stahl dem 33-jährigen Politstar ein Mann die Show, der so ganz anders daherkommt als der perfekt inszenierte Held der Konservativen. „Willkommen an diesem Sunday for Future“, rief der grüne Parteichef Werner Kogler seinen Anhängern auf der Wahlparty im Wiener Metropol-Kino zu.
Mit eher rauem Charme hat der 57-Jährige seine Grünen nach zwei Jahren in der außerparlamentarischen Opposition nicht nur wieder in den Nationalrat geführt. Er hat wie aus dem Nichts das beste Ergebnis geholt, das die Partei in Österreich erzielt hat. Natürlich hat die Hochkonjunktur für das Klimathema den Grünen geholfen. Doch dass ihr Erfolg so groß werden würde, kam für viele überraschend. Und nun sind sie plötzlich heißer Anwärter auf den Platz an Kurz’ Seite in einer möglichen Koalition.
Jetzt kommt es also auf den Kanzler an. Seine „Liste Kurz – Neue Volkspartei“landete mit unerwartet großem Vorsprung ganz vorne. Fast 4000 vor allem junge Anhänger feierten ihn auf der türkisen Wahlpareuphorisch. „Die Bevölkerung hat uns zurückgewählt“, rief er und gestand, er habe so ein Ergebnis nicht erwartet und sei sprachlos. „Ich bin unendlich dankbar. Wir werden mit allen im Parlament vertretenen Parteien sprechen und hoffen auf eine ordentliche Zusammenarbeit.“
2017 war Sebastian Kurz mit 31 Jahren als Traumkandidat vieler Konservativer zum ersten Mal angetreten und hatte seine Partei aus dem politischen Tief geholt. Am Sonntag fiel das Ergebnis für ihn nach Hochrechnungen vom Abend mit gut 37 Prozent sogar noch deutlich besser aus als damals. Die 40 Prozent wurden es zwar nicht, die sich empörte ÖVP-Mitglieder im Mai gewünscht hatten, nachdem die Regierung Kurz von der Parlamentsmehrheit per Misstrauensvotum abgewählt worden war. Aber das schmälerte die Freude der Wahlkämpfer im früheren Tanzlokal „Kursalon Hübner“nicht, wo einst Walzerkönig Johann Strauß aufspielte. Hunderte adrette junge Leute in türkisfarbenen T-Shirts wurden durch das Wahlergebnis für ihr wochenlanges Engagement belohnt. In den vergangenen Tagen sich Wiener kaum bewegen, ohne über die Wahlhelfer von „Basti“zu stolpern. Sie verteilten frühmorgens an belebten Kreuzungen der Hauptstadt Broschüren an Autofahrer. Und am Nachmittag verschenkten sie noch immer türkise Kugelschreiber in der U-Bahn. Dabei hat Sebastian Kurz das Gros seiner Fans eigentlich auf dem Land. Doch in Zeiten des InternetWahlkampfes ist das ja völlig egal. Wer einmal seine E-Mail-Adresse angegeben hatte, wurde bis zum letzten Moment bearbeitet. So war es Kurz am Samstag noch „wichtig, mich noch einmal ganz persönlich bei dir zu melden“, um die Stimme zu bitten und für die Unterstützung zu danken.
Kurz und seine Türkisen wissen, wie ein erfolgreicher Wahlkampf läuft. Früher wusste das auch die rechtspopulistische FPÖ. Doch ihr Ergebnis fiel so aus wie ihr letzter Auftritt am Viktor-Adler-Markt in Wien am Freitagabend vor der Wahl. Ein trauriges Häuflein mit Spitzenkandidat Norbert Hofer und dem früheren Innenminister und Scharfmacher Herbert Kickl hatte bedingt enthusiastisch die rot-weißroten Fahnen zu den Klängen der John-Otti-Band geschwenkt. Die Zahl der Teilnehmer blieb weit hinter den Vorjahren zurück. Die Affären um den früheren Vizekanzler und Ex-Parteivorsitzenden Heinzty Christian Strache, die mit dem Ibiza-Video begonnen hatten und kurz vor der Wahl mit einem großdimensionierten und auch strafrechtlich relevanten Spesenskandal endeten, verdarben offensichtlich auch vielen Stammwählern die Lust, sich hinter die neue Parteiführung zu stellen. Straches Rolex und die Chanel-Taschen seiner Frau und seiner Mutter, die in den Tagen vor der Wahl in Zeitungen abgebildet wurden, haben die möglichen FPÖ-Wähler dann doch nicht unberührt gelassen. Nach der Wahlschlappe sehen fühkonnten rende FPÖ-Leute ihre Zukunft eher in der Opposition. Monatelang hatte Parteichef Hofer zuvor hemmungslos um die Fortsetzung der türkisblauen Regierung gebuhlt. Dabei wurden die Freiheitlichen für Kurz immer unattraktiver als Partner. Denn über ihnen schwebt das Damoklesschwert der Spaltung. Die FPÖ kann dem strahlenden Wahlsieger keine reibungslose Legislaturperiode garantieren, in der er seine politischen Ziele umsetzen kann.
Ob dies mit den Sozialdemokraten möglich wäre, ist für Kurz allerdings auch nicht kalkulierbar. Die Chemie zwischen Kurz und der erst seit kurzem amtierenden SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stimmt jedenfalls nicht. In den ungezählten Wahlduellen im Fernsehen wurde das mehr als offensichtlich. Doch je mehr die SPÖ-Chefin Kurz nervte, desto stärker stieg ihr Ansehen in den eigenen Reihen. Der frühere sozialdemokratische Kanzler Franz Vranitzky lobte sie bei der Abschlussveranstaltung im überfüllten Zelt der SPÖ neben dem Burgtheater in Anspielung auf die Zeile „Mit uns geht die neue Zeit“aus einem alten Arbeiterlied: „Pam, du bist die neue Zeit.“Sie war mit dem Motto „Menschlichkeit siegt“angetreten. Die Wähler haben diese unklare Botschaft nicht belohnt. Die SPÖ erhielt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.
Die FPÖ sieht ihre Rolle eher in der Opposition