„Der nächste Skandal kommt bestimmt“
Lebensmittel Nach dem „Bayern-Ei-Skandal“vor fünf Jahren steht nun der frühere Firmeninhaber in Regensburg vor Gericht. Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick
Regensburg Einer der größten Lebensmittelskandale Deutschlands wird ab diesem Montag vor dem Regensburger Landgericht verhandelt: der Bayern-Ei-Skandal. Es geht um mit Salmonellen verseuchte Eier, dutzende kranke Menschen, einen Todesfall – und die Frage, was sich seither eigentlich verändert hat.
Was war der Bayern-Ei-Skandal?
Zwischen Juni und Oktober 2014 erkrankten in Deutschland, Österreich, Frankreich und England hunderte Menschen an heftigem Brechdurchfall. Sie hatten sich mit Salmonellen angesteckt, die wohl auf Eier aus Ställen der niederbayerischen Firma Bayern-Ei zurückzuführen waren. Ein 94-jähriger Österreicher soll an den Folgen der Bakterieninfektion sogar gestorben sein. Das wirft die Staatsanwaltschaft jedenfalls dem Inhaber des LegehennenMastbetriebs aus Aiterhofen (Landkreis Straubing-Bogen) vor. Er soll aus Sicht der Ermittler Eier mit der Kennzeichnung Güteklasse A ausliefern haben lassen, obwohl in den Produktionsstätten Salmonellen nachgewiesen worden waren. Handelspartner zahlten für die demnach nahezu wertlose Ware rund fünf Millionen Euro.
Was hat sich seither verändert?
Die wesentliche Konsequenz aus dem Bayern-Ei-Skandal war aus Sicht des Verbraucherschutzministeriums die Gründung einer neuen bayerischen Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) zum 1. Januar 2018. Deren mittlerweile 99 Mitarbeiter kontrollieren seither speziell Groß- und Risikobetriebe: Schlachthöfe, Molkereien, Fleischwarenhersteller und Sprossenerzeuger, große Hersteller von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder sowie große Geflügelbetriebe mit mindestens 40000 Tieren. Dadurch sollten unter anderem die Amtstierärzte in den Landratsämtern entlastet werden. Nach Angaben der KBLV wurden bis April dieses Jahres 3068 Kontrollen durchgeführt, bei denen 801 Mängel beanstandet wurden, der größte Teil betraf die Hygienezustände in den Betrieben. Im Landtag wurde nach dem Skandal ein Untersuchungsausschuss einberufen, der 80 Zeugen hörte. Die CSU sah danach die Vorwürfe gegen Umweltministerium und Behörden widerlegt, die Firma Bayern-Ei sei begünstigt oder die Bevölkerung mangelhaft über den Skandal aufgeklärt worden. Die Opposition aus SPD, Grünen und Freien Wählern sah das anders und blieb bei der Meinung, die Staatsregierung habe Interessen der Industrie vor das Interesse der Verbraucher gestellt.
Sind Lebensmittel heute sicherer?
„Ein Stück weit schon“, sagt Sabine Hülsmann, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Bayern. Die Kontrollen von komplexen, überregional tätigen Großbetrieben seien durch die Bündelung bei der Spezialbehörde effizienter geworden und „hoffentlich auch schärfer“. Martin Holle, Professor für Lebensmittelrecht in Hamburg, sieht zudem einen Vorteil darin, „dass der bisher latent bestehende Interessenkonflikt – Landkreis ist einerseits Überwachungsbehörde, andererseits ist der große Betrieb ein wichtiger Gewerbesteuerzahler im Kreis – aufgelöst wurde.“Gerade beim Thema Salmonellen sei aber auch der Konsument selbst gefordert, für Sicherheit zu sorgen, indem er sich an gewisse Hygieneregeln im Umgang mit frischen und rohen Lebensmitteln halte, sagt Verbraucherschützerin Hülsmann. Salmonellen werden abgetötet, wenn sie mindestens zehn Minuten lang auf über 70 Grad erhitzt werden.
Kann sich der Skandal wiederholen?
„Der nächste große Salmonellenskandal kommt ganz sicher“, ist Friedrich Mülln von der durch mehrere spektakuläre Skandal-Recherchen bekannt gewordenen „Soko Tierschutz“überzeugt. Weil die Menge der Tiere in vielen Betrieben einfach so groß sei, dass eine wirkliche Kontrolle gar nicht möglich sei. Auch Biobauern hätten oft 6000 bis 12000 Legehennen: „Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis wieder etwas passiert.“Selbst ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums räumt ein: Auch die neue Spezialbehörde könne keine hundertprozentige Sicherheit geben. In erster Linie seien immer noch die Unternehmen für die Sicherheit ihrer Produkte verantwortlich.
Wie steht es um den Tierschutz?
„Rein gesetzlich hat sich zwar tatsächlich etwas gebessert“, sagt Mülln von der „Soko Tierschutz“. So soll nach der Käfighaltung künftig ebenso die sogenannte Kleingruppenhaltung der Hühner verboten werden – „weil sie auch eine Form der Käfighaltung ist“. Trotzdem sei es um den Tierschutz weiterhin schlecht bestellt. „Das Problem ist nach wie vor, dass die Behörden zu wenig kontrollieren“, sagt Mülln. Zumal auch die Bodenhaltung – mehrere tausend Hühner in einem Raum – für die Tiere albtraumhaft sei. „Niemand geht gern in einen solchen Raum hinein. Da fliegen einem die Hühner auf dem Kopf herum. Und es ist kaum möglich, in diesem Haufen zu sehen, ob irgendwo der Kadaver einer Henne liegt oder ob ein Tier verletzt ist.“Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft leben zwei Drittel der Legehennen in Deutschland in Bodenhaltung. Deutlich besser sei die Lage in der Öko-Freilandhaltung, wo die Tiere Auslauf und mehr Platz haben.
Wer steht jetzt vor Gericht?
In Regensburg angeklagt ist Stefan Pohlmann, der frühere Inhaber und Geschäftsführer von Bayern-Ei. Ihm werden unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge, gewerbsmäßiger Betrug sowie lebensmittelund tierschutzrechtliche Verstöße vorgeworfen. Laut seinem Anwalt weist Pohlmann alle Vorwürfe zurück. Für den 48-Jährigen ist es nicht der erste Auftritt vor Gericht. Gemeinsam mit seinem oft als „Hühnerbaron“betitelten Vater Anton Pohlmann musste er sich 1996 schon einmal vor Gericht verantworten. Damals unter anderem, weil in einem Hühnerstall Nikotin zur Schädlingsbekämpfung versprüht wurde, woraufhin unzählige Tiere verendeten und ein Arbeiter beinahe getötet wurde. Anton Pohlmann wurde zu zwei Jahren auf Bewährung und 3,1 Millionen Mark Geldstrafe verurteilt. Zudem wurde ihm ein lebenslanges Tierhaltungsverbot auferlegt. Das Verfahren gegen Stefan Pohlmann wurde gegen die Zahlung von 100000 Mark eingestellt.
Was ist aus Bayern-Ei geworden?
Die Firma Bayern-Ei hat zwischenzeitlich ihren Betrieb eingestellt und firmiert laut Süddeutscher Zeitung mittlerweile als EBE-Agrar GmbH. An den vormals durch die Bayern-Ei betriebenen Standorten zur Eierproduktion sind nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit derzeit keine Legehennen mehr eingestallt, es wird dort somit auch nicht produziert. Im Sommer 2018 gab es in der Gemeinde Aiterhofen Streit um die zukünftige Nutzung der Betriebsgebäude durch einen interessierten Investor. Einen erneuten HühnerMastbetrieb lehnten Bürger und Gemeinderat aber ab. Inzwischen sind die Firmengebäude verkauft und werden laut Landratsamt für die Lagerung und Verpackung von Kartoffeln genutzt.