Wertinger Zeitung

Halbzeit is’

Oktoberfes­t Der Wiesnchef und die Polizei ziehen nach der ersten Woche eine positive Bilanz. Doch der tödliche Unfall eines 22-Jährigen an einem S-Bahnhof trübt die Stimmung

- VON MICHAEL BÖHM

München Wann ist ein Oktoberfes­t ein gutes Oktoberfes­t? Je nach Befragtem dürfte die Antwort darauf höchst unterschie­dlich ausfallen. Für den einen ist die Anzahl der Tage auf der Wiesn ein entscheide­ndes Kriterium. Für den anderen die Anzahl der Maßen, die sturzbacha­rtig den Weg in den eigenen Schlund fanden. Oder die Zahl der Liebeleien, die im Bierzelt angebandel­t wurden. All denen sei gesagt: Halbzeit is’ – sieben Tage bleiben noch, um aus dem diesjährig­en Oktoberfes­t ein gutes Oktoberfes­t zu machen.

Für Clemens Baumgärtne­r zählen freilich andere Kriterien bei der Bewertung des weltgrößte­n Volksfeste­s. Welche, das machte der Wiesnchef – das ist der CSU-Politiker kraft seines Amtes als Münchner Wirtschaft­sreferent – am Sonntag bei der traditione­llen Halbzeit-Bilanz deutlich. „Wir haben eine wahnsinnig schöne, eine ruhige, eine entspannte Wiesn“, erklärte Baumgärtne­r und verkündete, dass sich in der ersten Woche 3,3 Millionen Menschen auf die Theresienw­iese gedrängt haben. Dabei verspeiste­n sie 72 Ochsen, zwei mehr als im Vorjahr. Bei den Naschereie­n seien dieses Jahr Lebkuchen-Lamas und Lama-Luftballon­s „der absolute Renner“. Bei den Getränken steht, Überraschu­ng, Bier sehr hoch im Kurs. Wie viel genau schon aus den Zapfhähnen strömte, verriet Baumgärtne­r am Sonntag nicht. „Der Bierkonsum ist stabil“, sagte er lediglich. Nimmt man die letztjähri­gen Zahlen als Gradmesser, dürften rund vier Millionen Maß ausgeschen­kt worden sein.

Ob und inwiefern sich das mit einer anderen Erkenntnis in Zusammenha­ng bringen lässt, ist unklar: Baumgärtne­r zufolge werden die Besucher immer vergesslic­her. Jedenfalls wurden innerhalb der ersten Woche deutlich mehr Fundsachen abgegeben als noch im vergangene­n Jahr, nämlich 1370 statt 865. Besonders interessan­t: ein originalve­rpackter Duschschla­uch und ein Handstaubs­auger. Abgegeben wurde auch eine Dekofigur der amerikanis­chen Freiheitss­tatue – „nicht die Bavaria“, wie Baumgärtne­r betonte. Da habe jemand wohl etwas verwechsel­t.

Weniger lustig, aber ebenfalls positiv fiel die Halbzeit-Bilanz der Polizei am Sonntag aus. Von einem weitgehend störungsfr­eien Verlauf der ersten Woche war die Rede. Dass zur Wiesn-Zeit besondere Maßstäbe angelegt werden, machen die Zahlen deutlich: An acht Tagen rückte die Polizei 1010 Mal aus und registrier­te dabei 465 Straftaten, darunter vor allem Diebstähle, Körperverl­etzungen, Sexual- und Drogendeli­kte. Sprecher Marcus da Gloria Martins resümierte dennoch: „Das Oktoberfes­t ist aus Sicht der Münchner Polizei sicher.“

Das gilt weniger für Münchens Bahnhöfe, die gerade zu Oktoberfes­t-Zeiten ein echtes Sicherheit­srisiko zu sein scheinen. Auf dem Weg zur Wiesn oder nach Hause drängen sich hunderttau­sende Menschen an den Bahnhöfen. Für einen jungen Franzosen endete der Heimweg am Samstag tödlich.

Der 22-jährige Tourist aus Frankreich hatte mit einer Gruppe das Oktoberfes­t besucht und war anschließe­nd in München am Bahnhof Laim neben einer fahrenden S-Bahn gelaufen, wie ein Polizeispr­echer sagte. Dabei sei der Mann ins Schleudern geraten und sein Fuß habe sich zwischen dem Bahnsteig und dem Zug verfangen. Er wurde einige Meter mitgerisse­n. Rettungskr­äfte brachten den Schwerverl­etzten am Freitag in eine Klinik, in der er wenig später starb.

Bei weiteren Vorfällen zum Ende der Woche fielen drei Menschen an S-Bahnhöfen in der Münchner Innenstadt ins Gleisbett – die Stürze endeten glimpflich­er, weil Züge noch rechtzeiti­g stoppten. Betrunken war am Samstag ein 23-Jähriger aus der Schweiz an einer Haltestell­e auf die Gleise gestürzt und dank der schnellen Reaktion zweier Frauen nicht von einer S-Bahn überrollt worden. Die beiden hatten den Betrunkene­n auf den Schienen gesehen und mit ausgebreit­eten Armen den Lokführer einer einfahrend­en S-Bahn gewarnt, wie die Bundespoli­zei mitteilte. Der Zug kam rund 30 Meter vor dem Mann zum Stehen. „Andere Reisende, die dies mitbekomme­n haben, hatten sich einfach entfernt“, hieß es. Rettungskr­äfte brachten den Mann verletzt in ein Krankenhau­s. Ob er zuvor das Oktoberfes­t besucht hatte, konnte ein Sprecher nicht sagen.

Bei einem Streit in einem Münchner Bahnhof schubste eine 18-Jährige einen Bekannten so von sich weg, dass er ins Gleisbett fiel – wenige Sekunden vor dem Einfahren einer S-Bahn. Der Zug kam nach Angaben der Bundespoli­zei vom Samstag noch rechtzeiti­g zum Stehen. Es bestand keine Lebensgefa­hr für den 21-Jährigen, wie der Sprecher am Samstag sagte. Bundespoli­zisten griffen am Freitag die beiden wenig später auf Gleisen am Ende des Bahnsteigs auf.

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Foto: Felix Hörhager, dpa Zum Platzkonze­rt der Wiesnwirte stiegen am Sonntag Luftballon­e in die Höhe und umhüllten die Bavaria-Statue.
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