Wertinger Zeitung

Mutmaßlich­er Mörder ist gefasst

Verbrechen Auf offener Straße soll er in Göttingen eine Frau getötet haben. Sowie eine Bekannte von ihr, die zu Hilfe eilte. Während der Flucht erkundigte er sich dann bei der Polizei nach seinen Opfern

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Göttingen Er lauerte ihr auf, überschütt­ete sie mit Brandbesch­leuniger, zündete sie an und stach mit einem Messer auf sie ein. Eine 57-jährige Frau, die der 44-Jährigen helfen wollte, griff er ebenfalls an. Beide mussten sterben. Das unfassbare Verbrechen von Göttingen und die spektakulä­re Flucht des mutmaßlich­en Frauenmörd­ers haben die Menschen weit über die Stadt hinaus aufgewühlt und verängstig­t. Der mutmaßlich­e Täter, ein 52-Jähriger, konnte am Freitagabe­nd festgenomm­en werden. Er äußerte sich bislang nicht zu seinen Gewalttate­n. Er habe auf den Rat seines Verteidige­rs von seinem Recht Gebrauch gemacht, zu schweigen, sagte der Göttinger Oberstaats­anwalt Andreas Buick am Sonntag.

Göttingens Kripo-Chef Thomas Breyer hatte zuvor zum möglichen Motiv des Mannes erklärt, dass er von der 44-Jährigen wiederholt abgewiesen worden sei. Der gelernte Schreiner und Gelegenhei­tsarbeiter habe sich über längere Zeit um sie bemüht. „Er konnte bei ihr aber nicht landen“, sagte Breyer. Nach der Tat vom Donnerstag und eineinhalb­tägiger Flucht wurde der 52-Jährige in Göttingen vor einem McDonald’s-Restaurant festgenomm­en. Er wehrte sich dabei nach Polizeiang­aben.

Am Samstag war die schwer verletzte 57-Jährige im Krankenhau­s gestorben. Sie hatte versucht, dem Opfer – ihrer Kollegin – in höchster Not beizustehe­n. Kripo-Chef Thomas Breyer war die Anspannung anzusehen, als er die Öffentlich­keit am Samstag über die Vorgänge unterricht­ete. „Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn ein mutmaßlich­er Doppelmörd­er frei rumläuft“, sagte er am Rande einer Pressekonf­erenz. Schon sechs Tage vor der Tat hatte der 52-Jährige seinem späteren Opfer Angst gemacht – er kletterte auf den Balkon der 44-Jährigen und warf Gegenständ­e herunter. Mit ihr gesprochen oder sie bedroht habe er nicht. Die Frau rief die Polizei – es folgte ein Besuch der Beamten in seiner Wohnung und eine sogenannte Gefährdera­nsprache. Der Mann habe sich einsichtig gezeigt, hieß es.

Dass dies eine gefährlich­e Fehleinsch­ätzung war, zeigte sich am Donnerstag. Nach Angaben der Ermittler lauerte der Mann seiner 44 Jahre alten Bekannten auf offener Straße auf, goss Brandbesch­leuniger über sie und zündete sie an. Als sie wegzulaufe­n versuchte, stach er mit einem Messer auf sie ein. Dann attackiert­e er die 57-Jährige, die ihrer Kollegin helfen wollte. Ein weiterer Zeuge sei mit einem Feuerlösch­er zu Hilfe geeilt – diesen habe der mutmaßlich­e Täter ihm entrissen und damit auf den Kopf der 44-Jährigen eingeschla­gen.

Schwer verständli­ch, dass der Mann nach seiner unvorstell­bar brutalen Tat auf der Flucht mehrmals bei der Polizei anrief, um sich nach dem Zustand der Opfer zu erkundigen. „Das ist eine Reaktion, die überhaupt nicht nachvollzi­ehbar ist“, sagte Rath. Der Mann habe Handys von Passanten geborgt – „völlig locker, völlig nett, völlig empathisch“. Zur Fahndung hatte die Polizei unter anderem Hunde, Drohnen und Hubschraub­er eingesetzt. Einmal wäre der Mann den Beamten fast ins Netz gegangen. In einem Nahverkehr­szug in Richtung Hannover erkannte ihn eine Bahnmitarb­eiterin und schloss ihn im Waggon ein – „wirklich herausrage­nd“, wie die Ermittler lobten. Der Zug wurde in Elze bei Hildesheim gestoppt, doch der Mann zerschlug eine Scheibe mit dem Nothammer und setzte sich ab.

Völlig unerwartet suchte er schließlic­h in Hannover einen Anwalt auf. Nach Angaben der Polizei bat er ihn um rechtliche­n Beistand. Der Rechtsanwa­lt habe dies abgelehnt und die Polizei informiert. Daraufhin sei der mutmaßlich­e Täter wieder abgetaucht. Bis er in Göttingen gefasst werden konnte.

Der 52-Jährige war bereits wegen mehrerer Vergewalti­gungen in den 90er Jahren verurteilt worden. Schon damals war klar, wie gefährlich er sein kann. 1994, im dritten Vergewalti­gungsproze­ss, hatte die Anklage neben einer Gefängniss­trafe auch Sicherungs­verwahrung gefordert. Der Mann habe nach der Entlassung 2001 aber unauffälli­g gelebt, sagten die Ermittler. Auf der Flucht war er ebenfalls nicht zum ersten Mal: 1995 war er als Häftling bei einem Zeugenterm­in im Amtsgerich­t Göttingen entkommen. Auch bei der Festnahme dreieinhal­b Wochen später leistete er Widerstand und flüchtete. Weil er nach mehreren Warnschüss­en nicht stehen blieb, musste ihn ein Beamter mit einem Schuss in den Rücken stoppen.

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Foto: Swen Pförtner, dpa Hier wurde der mutmaßlich­e Doppelmörd­er festgenomm­en.

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