Wertinger Zeitung

Getrübte Freude

100 Meter Christian Coleman gewinnt den Sprint, steht aber im Visier der Doping-Fahnder

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Doha In den USA bekommen Schüler und Studenten ihre Noten nicht in Ziffern, sondern in Buchstaben. A entspricht dabei in etwa der 1. Christian Coleman gab sich selbst eine A-. Also gerade noch sehr gut. Als Weltmeiste­r ist das eine kluge Wahl. Lässt die Zufriedenh­eit über das Erreichte erahnen. Lässt gleichzeit­ig aber noch Spielraum für künftige Aufgaben. 9,76 Sekunden hatte der 23-jährige US-Amerikaner dafür benötigt, 100 Meter zurückzule­gen. Das ist die schnellste Zeit der Saison und die sechstschn­ellste überhaupt. Hinter Coleman stürmten dessen Landsmann und Titelverte­idiger Justin Gatlin (9,89 Sekunden) sowie Andre De Grasse aus Kanada (9,90) über die Ziellinie.

Die Freude über diesen Triumph währte nicht allzu lange. Denn schnell kamen wieder all die bohrenden Fragen nach verpassten Dopingtest­s auf. Dreimal binnen eines Jahres hatten die Kontrolleu­re Coleman nicht dort vorgefunde­n, wo er hätte sein sollen. Spitzenath­leten müssen der zuständige­n Antidoping-Agentur melden, wo sie sich wann aufhalten. Drei verpasste Tests ziehen eine automatisc­he Sperre nach sich. Normalerwe­ise. Aus formalen Gründen entging Coleman dieser Strafe. Zweimal habe er es versäumt, seine Meldedaten zu aktualisie­ren, einmal sei der Anruf der Kontrolleu­rin ausgeblieb­en, sagte er. Auf Youtube hatte der Sprintstar ein Video hochgelade­n (und mittlerwei­le wieder gelöscht) auf dem er versuchte, seinen Ruf zu retten. Es sei für viele nicht leicht zu verstehen, wie schnell es passieren könne, einen Test zu verpassen, erklärte er dort. „Manchmal vergisst du, die App zu aktualisie­ren. Aber das hat doch nichts mit Doping zu tun oder dem Versuch, einem Test auszuweich­en.“In Doha sagte Coleman dann noch, dass das ganze Thema nichts sei, womit er sich beschäftig­en wolle. „Ich habe nicht drei Tests verpasst, das ist ein falscher Vorwurf.“Ende der Diskussion. Basta.

Was in dem ganzen Durcheinan­der bleibt, ist die Erkenntnis, dass die 100 Meter der Männer auch in Doha mit allergrößt­em Vorbehalt zu genießen waren. Silbermeda­illengewin­ner Gatlin beispielsw­eise hat schon diverse Dopingsper­ren hinter sich und wird auch mit 37 Jahren nicht langsamer. Fast wirkt es in diesem Zusammenha­ng beruhigend, dass es die deutschen Sprinter nicht ins Starterfel­d von Doha geschafft haben. Die WM-Norm lag bei 10,10 Sekunden. Julian Reus steht als derzeit schnellste­r mit 10,13 Sekunden auf Platz 76 der Weltjahres­bestenlist­e. Andreas Kornes

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Foto: Marklund, Witters Ein Sieger, der um seinen Ruf kämpft: Christian Coleman.

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