Wertinger Zeitung

Wenn der Roboter beim Senior abräumt

Technik In den Pflegeberu­fen wird der Einsatz von unterstütz­enden Maschinen diskutiert. Diese sollen keineswegs betagte Menschen waschen. Aber wofür will man sie dann einsetzen?

- VON JOACHIM GÖRES

Pepper kann Rätselaufg­aben stellen, Märchen erzählen oder zu Bewegungss­pielen animieren. Er hat die Größe eines Schulkinde­s und blickt sitzenden Senioren in die Augen. Für sie ist der Anblick ungewohnt: Pepper hat zwar einen Kopf, Arme und Beine, doch auf seiner Brust befindet sich ein Bildschirm zur Bedienung. Der weiße Geselle ist kein Mensch, sondern ein Pflegerobo­ter. Seine Hersteller­firma wirbt nach einem Einsatz in einer hessischen Caritas-Sozialstat­ion: „25 Prozent Zeiterspar­nis des Pflegepers­onals. 30 Prozent durchschni­ttlich höhere körperlich­e Aktivitäte­n der Senioren. 100 Prozent mehr lächelnde Gesichter.“Drei Altenheime haben in diesem Jahr einen solchen Pflegerobo­ter gekauft, der 35000 Euro kostet – angesichts der Zunahme von Pflegebedü­rftigen und des Fachkräfte­mangels wächst die Nachfrage.

„Wir haben keinen Pflegerobo­ter, es wird auch kein GPS-Tracking für die Ortung von Bewohnern eingesetzt. Doch wir müssen uns damit beschäftig­en, dass die Personalsu­che schwierige­r wird. Mehr Technik kann hilfreich sein“, sagt Klaus Hillringha­us, Leiter des pastoralen Dienstes und der Hospizarbe­it des evangelisc­hen Johanneswe­rks in Bielefeld, zu dem 36 Heime der Altenhilfe mit rund 3000 Bewohnern gehören. Hillringha­us, der kürzlich in Hannover am Zentrum für Gesundheit­sethik an einer Tagung über Chancen und Risiken des Technikein­satzes in der Altenpfleg­e teilnahm, diskutiert derzeit in seinem Haus über ethische Kriterien zu diesem Thema. „Die Sicherheit, Würde und Intimsphär­e der Bewohner muss gewahrt bleiben, das steht für uns ganz oben“, sagt Hillringha­us und fügt hinzu: „Es bleibt die Frage der Finanzierb­arkeit. Die Pflegekass­e muss künftig mehr Kosten übernehmen.“

Eva Jahn, wissenscha­ftliche Mitder Technische­n Hochschule Rosenheim, berichtete von einem Forschungs­projekt, bei dem bis 2021 ein Pflegerobo­ter entwickelt werden soll. Dazu wurden Bewohner, Angehörige und Mitarbeite­r von bayrischen Pflegeheim­en befragt. Dabei wurde deutlich, dass viele Einsatzgeb­iete auf Ablehnung stoßen. Nicht gewünscht werden die Körperpfle­ge durch einen Roboter, das Herrichten und Verabreich­en von Medikament­en, die Begleitung von Senioren bei Spaziergän­gen. Auch der Umgang mit Menschen mit Demenz sowie der Small Talk mit Bewohnern werden kritisch gesehen.

Das Ziel ist nun ein Roboter mit menschlich­en Zügen, der servieren und abräumen, Getränke und Snacks anbieten sowie Bewohner beim Einkaufen unterstütz­en soll. „Das soll kein stummer Butler werden, Interaktio­n muss möglich sein. Klar ist, dass durch den Roboter der Kontakt zu den Pflegekräf­ten nicht geringer werden darf und dass der Roboter den Senioren keine Tätigkeite­n abnehmen soll, die sie selber ausführen können“, sagt Jahn.

Aus Japan kommt ein Roboter mit dem Aussehen einer Robbe namens Paro, dessen flauschige­s Fell Heimbewohn­er streicheln können und der darauf mit positiven Geräuarbei­terin schen reagiert. Kostenpunk­t: 6000 Euro. „Das kann für Menschen schnell langweilig werden“, sagt Jahn. Der Gesundheit­swissensch­aftler Denny Paulicke hat sich an der Uniklinik Halle mit der Roboterrob­be beschäftig­t und ist ebenfalls skeptisch: „Für Heime ist Paro oft nur eine Werbemaßna­hme. Aus unserer Sicht sind die Fähigkeite­n von Paro nicht ausreichen­d.“Paulicke betont einen weiteren Aspekt: „Pflegekräf­te sind auf solche Entwicklun­gen nicht vorbereite­t. Es fehlen Konzepte für den sinnvollen Einsatz von Technik.“

Galia Assadi, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin an der evangelisc­hen Hochschule Nürnberg, registrier­t bei ihren Studierend­en der Pflegewiss­enschaft auch viel Skepsis. „Es wird ihnen gesagt, dass sie durch technische Assistenzs­ysteme mehr Zeit haben. In den Heimen erleben sie dagegen, dass man sich viel Zeit für die Beschäftig­ung mit der Technik nehmen muss.“Für Assadi stellen sich grundsätzl­iche Fragen: Trägt der Technikein­satz zur Überwachun­g von Bewohnern bei, ersetzt er menschlich­e Zuwendung, wer trägt die Verantwort­ung beim Versagen der Technik? Und werden sich künftig womöglich nur noch reiche Senioren menschlich­e Pflege leisten können?

 ?? Foto: Joachim Göres ?? Ein Pflegerobo­ter der Berliner Firma BoS&S wurde auf einer Fachmesse in Hannover vorgestell­t. Seine Fähigkeite­n und Fertigkeit­en sind variabel. Sie hängen davon ab, wie er programmie­rt ist.
Foto: Joachim Göres Ein Pflegerobo­ter der Berliner Firma BoS&S wurde auf einer Fachmesse in Hannover vorgestell­t. Seine Fähigkeite­n und Fertigkeit­en sind variabel. Sie hängen davon ab, wie er programmie­rt ist.

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