Eine Betrachtung des Menschen und Menschlichen
Vernissage Die drei Künstler der Wertinger Ausstellung laden die Besucher zum mehrmaligen Hinschauen und Hinspüren ein
Wertingen Kunst ist ein schöpferisches Gestalten, ebenso eine Lebensweise, eine Leidenschaft. Wertingens Kunstreferent Friedrich Brändle zitiert zur Eröffnung der Kunstausstellung in der städtischen Galerie am Sonntagmittag den Duden. Und Kunst erzähle eine Geschichte. „Diese zu hören ist das Geheimnis – sie löst Emotionen aus, stellt Fragen und sprengt Grenzen.“Dafür sei Wertingen seit Jahrzehnten offen und öffne immer wieder Raum dafür. Erneut in den kommenden vier Wochen. „Holz – Körper – Kontext“, unter diesem Motto stellen drei Künstler bis 27. Oktober ihre Arbeiten vor: der Augsburger Eugen W. Müller, der in Weißrussland geborene Maxim Wakultschik und die gebürtige Südkoreanerin Nana Heim-Kwon. Drei Künstler, deren Fokus allesamt auf dem Menschen liegt. Menschen, die einen anund wegblicken, verschleiert durch moderne Technik und zusammengewürfelte Einzelteile. Und Menschen, die allein durch Hinweise auf ihre Geschichte anwesend scheinen.
„Holz – Körper – Kontext“– mit Körper sei in dieser Ausstellung unmissverständlich der menschliche Körper gemeint, stellt die Kunstwissenschaftlerin Dr. Flora Nieß zu Beginn ihrer Rede klar. Dieser kenne ebenso wie das Holz einen natürlichen Alterungs- und Erneuerungsprozess und sei von ihm gezeichnet. Nieß bezieht bei dem Begriff Holz nicht nur das Material mit ein, sondern auch den Ursprung des Holzes, den Baum. „Der lebendige Baum ist ebenso wie der lebendige Körper fähig, sich zu erneuern, sich wachsend zu verändern.“Wunden würden unsichtbarer, nur noch für den genauen Blick erkennbar. So sei es jedem einzelnen überlassen, mit welchem Blick er beispielsweise die Werke von Nana Heim-Kwon betrachtet. Sie thematisiert die Zwangsprostitution von Frauen und Mädchen im Zweiten Weltkrieg, die Geschichte der sogenannten „Trostfrauen“. Der Mensch könne immer selbst entscheiden, welche Position er einnimmt. „Auch in der Betrachtung ihrer Arbeiten können wir entscheiden, welche Bilder wir in uns selbst zulassen“, sagt Flora Nieß. Gerade die Arbeit „Teahouse“wirke auf einen ersten Blick unschuldig und offenbare ihre Abgründe erst beim zweiten, dritten und vierten Blick. „Wir entscheiden, wie weit wir dabei gehen können.“
Eugen Wilfried Müller zeigt in seiner Serie „Bella Figura“laut Nieß einen weiteren Aspekt des menschlichen Körpers. Der Künstler abstrahiert seine Figuren stark und verfremdet sie mit einer Struktur, die er durch den Einsatz digitaler Medien darüberlegt, bis schließlich nur noch ein vager Umriss bleibe. „Die Arbeiten zeigen nicht ‚diesen‘ Menschen, sie zeigen vielmehr die Existenz und Präsenz des menschlichen Körpers im Raum und des Menschlichen an sich.“Damit deute Müller laut Nieß auf ein wesentliches menschliches Merkmal: „Wir erleben uns in Bezug aufeinander und auf unsere Umwelt.“
Was macht uns zum Menschen? Diese Frage stelle sich im Zeitalter der Digitalisierung unter gänzlich neuen Vorzeichen. So entstünden die Werke von Maxim Wakultschik sowohl in der Technik (angeordnete Holzstäbe und -würfel) als auch motivisch durch ein Raster. „Seine idealisierten Frauenportaits erinnern an die künstlichen Gesichter, die Robotern gegeben werden, geformt und gestaltet anhand von Erkenntnissen darüber, was im Durchschnitt als schön empfunden wird – genormte Schönheit also“, erklärt die Eröffnungsrednerin.
„Holz – Körper – Kontext“– am Ende ihrer Ausführungen lädt Dr. Flora Nieß die Besucher ein, die Bedeutungsebenen der drei Worte anhand der gezeigten Arbeiten miteinander zu verknüpfen und sich selbst als menschliche Betrachter dazu in Beziehung zu setzen. In diesem Sinne wünschte sie allen ein „Kunsterleben“.
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Geöffnet ist die Ausstellung wochentags von 8 bis 12 Uhr, sowie Montag, Donnerstag und Sonntag (sowie Feiertag) von 14 bis 17 Uhr.