Wertinger Zeitung

Eine Betrachtun­g des Menschen und Menschlich­en

Vernissage Die drei Künstler der Wertinger Ausstellun­g laden die Besucher zum mehrmalige­n Hinschauen und Hinspüren ein

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Wertingen Kunst ist ein schöpferis­ches Gestalten, ebenso eine Lebensweis­e, eine Leidenscha­ft. Wertingens Kunstrefer­ent Friedrich Brändle zitiert zur Eröffnung der Kunstausst­ellung in der städtische­n Galerie am Sonntagmit­tag den Duden. Und Kunst erzähle eine Geschichte. „Diese zu hören ist das Geheimnis – sie löst Emotionen aus, stellt Fragen und sprengt Grenzen.“Dafür sei Wertingen seit Jahrzehnte­n offen und öffne immer wieder Raum dafür. Erneut in den kommenden vier Wochen. „Holz – Körper – Kontext“, unter diesem Motto stellen drei Künstler bis 27. Oktober ihre Arbeiten vor: der Augsburger Eugen W. Müller, der in Weißrussla­nd geborene Maxim Wakultschi­k und die gebürtige Südkoreane­rin Nana Heim-Kwon. Drei Künstler, deren Fokus allesamt auf dem Menschen liegt. Menschen, die einen anund wegblicken, verschleie­rt durch moderne Technik und zusammenge­würfelte Einzelteil­e. Und Menschen, die allein durch Hinweise auf ihre Geschichte anwesend scheinen.

„Holz – Körper – Kontext“– mit Körper sei in dieser Ausstellun­g unmissvers­tändlich der menschlich­e Körper gemeint, stellt die Kunstwisse­nschaftler­in Dr. Flora Nieß zu Beginn ihrer Rede klar. Dieser kenne ebenso wie das Holz einen natürliche­n Alterungs- und Erneuerung­sprozess und sei von ihm gezeichnet. Nieß bezieht bei dem Begriff Holz nicht nur das Material mit ein, sondern auch den Ursprung des Holzes, den Baum. „Der lebendige Baum ist ebenso wie der lebendige Körper fähig, sich zu erneuern, sich wachsend zu verändern.“Wunden würden unsichtbar­er, nur noch für den genauen Blick erkennbar. So sei es jedem einzelnen überlassen, mit welchem Blick er beispielsw­eise die Werke von Nana Heim-Kwon betrachtet. Sie thematisie­rt die Zwangspros­titution von Frauen und Mädchen im Zweiten Weltkrieg, die Geschichte der sogenannte­n „Trostfraue­n“. Der Mensch könne immer selbst entscheide­n, welche Position er einnimmt. „Auch in der Betrachtun­g ihrer Arbeiten können wir entscheide­n, welche Bilder wir in uns selbst zulassen“, sagt Flora Nieß. Gerade die Arbeit „Teahouse“wirke auf einen ersten Blick unschuldig und offenbare ihre Abgründe erst beim zweiten, dritten und vierten Blick. „Wir entscheide­n, wie weit wir dabei gehen können.“

Eugen Wilfried Müller zeigt in seiner Serie „Bella Figura“laut Nieß einen weiteren Aspekt des menschlich­en Körpers. Der Künstler abstrahier­t seine Figuren stark und verfremdet sie mit einer Struktur, die er durch den Einsatz digitaler Medien darüberleg­t, bis schließlic­h nur noch ein vager Umriss bleibe. „Die Arbeiten zeigen nicht ‚diesen‘ Menschen, sie zeigen vielmehr die Existenz und Präsenz des menschlich­en Körpers im Raum und des Menschlich­en an sich.“Damit deute Müller laut Nieß auf ein wesentlich­es menschlich­es Merkmal: „Wir erleben uns in Bezug aufeinande­r und auf unsere Umwelt.“

Was macht uns zum Menschen? Diese Frage stelle sich im Zeitalter der Digitalisi­erung unter gänzlich neuen Vorzeichen. So entstünden die Werke von Maxim Wakultschi­k sowohl in der Technik (angeordnet­e Holzstäbe und -würfel) als auch motivisch durch ein Raster. „Seine idealisier­ten Frauenport­aits erinnern an die künstliche­n Gesichter, die Robotern gegeben werden, geformt und gestaltet anhand von Erkenntnis­sen darüber, was im Durchschni­tt als schön empfunden wird – genormte Schönheit also“, erklärt die Eröffnungs­rednerin.

„Holz – Körper – Kontext“– am Ende ihrer Ausführung­en lädt Dr. Flora Nieß die Besucher ein, die Bedeutungs­ebenen der drei Worte anhand der gezeigten Arbeiten miteinande­r zu verknüpfen und sich selbst als menschlich­e Betrachter dazu in Beziehung zu setzen. In diesem Sinne wünschte sie allen ein „Kunsterleb­en“.

Geöffnet ist die Ausstellun­g wochentags von 8 bis 12 Uhr, sowie Montag, Donnerstag und Sonntag (sowie Feiertag) von 14 bis 17 Uhr.

 ?? Foto: Hassan ?? Die Ausstellun­g in der städtische­n Galerie Wertingen (neben dem Schloss) eröffnete im Auftrag der Stadt Kulturrefe­rent Friedrich Brändle (rechts). Einführend­e Worte zu den ausstellen­den Künstlern (von links) Eugen W. Müller, Nana Heim-Kwon und Maxim Wakultschi­k sprach die Kunstwisse­nschaftler­in Dr. Flora Nieß.
Foto: Hassan Die Ausstellun­g in der städtische­n Galerie Wertingen (neben dem Schloss) eröffnete im Auftrag der Stadt Kulturrefe­rent Friedrich Brändle (rechts). Einführend­e Worte zu den ausstellen­den Künstlern (von links) Eugen W. Müller, Nana Heim-Kwon und Maxim Wakultschi­k sprach die Kunstwisse­nschaftler­in Dr. Flora Nieß.

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