Ein krasser Karrierewechsel – humorvoll beschrieben
Kulturtage Mit fast 40 Jahren gibt Verena Lugert ihren Job als Journalistin auf und wird Köchin in London. Im Rahmen der Kulturtage las sie in Wertingen aus ihrem Buch. Pochierte Eier und Schweineköpfe spielen darin eine zentrale Rolle
Wertingen Die Schweineköpfe sieht sie noch heute vor sich. Es ist Verena Lugerts zweiter Tag in einem Londoner Spitzenrestaurant, als sie plötzlich vor ihr auftauchen. Eine Kiste voller abgetrennter Tierköpfe, die sie mir ihren leeren, toten Augen löchern. Am schlimmsten ist der Gestank. „Gott sei Dank habe ich mit denen nichts zu tun“, denkt sie sich noch. Doch dann wird ihr die Kiste direkt vor die Nase geschoben. „Komm schon, Verena, die Schweineköpfe!“, ruft ihr Vorgesetzter ihr zu, als sie kurz zögert. Lugert weiß in dem Moment, was sie zu tun hat. Sie schließt die Augen, atmet tief durch und krempelt die Arme ihres Kochkittels hoch.
Einst hat Verena Lugert Literatur studiert. Danach wurde sie Journalistin, besuchte die Henri-NannenSchule in Hamburg, schrieb für Neon, Stern und Geo, lebte teilweise in Bali und arbeitete als Lektorin in Shanghai. Zufrieden war sie trotzdem nie. Denn ihr ganzes Leben hatte sie nur einen Traum: Köchin werden. Am besten Spitzenköchin in einem berühmten Restaurant irgendwo weit weg. Sie war schon Ende Dreißig, als sie sich für einen Karrierewechsel entschied. Sie hängte ihren Job als Journalistin an den Nagel und bewarb sich an der profilierten Kochschule Le Cordon Bleu in London. Über ihre Erfahrungen hat sie ein Buch geschrieben: „Die Irren mit dem Messer“erschien 2017. Am Freitag las sie im Rahmen der Dillinger Kulturtage daraus vor.
Verena Lugert kommt eigentlich aus Königsbrunn in der Nähe von Augsburg. Mit der Dillinger Gegend ist sie dennoch vertraut: „Meine Mutter war früher Lehrerin in Roggden“, erzählt sie.
Sehr humorvoll und bodenständig berichtet sie dann von ihrer Zeit im Intensivkurs an der berühmten Kochschule Le Cordon Bleu in London. „Rock-and-Roll-Kurs“–, so nannte ihn die Leiterin am ersten Tag, weil’s hier richtig zur Sache geht. Nur zwölf Leute waren in dem Kurs. Zwei Frauen kamen aus England, die anderen aus Portugal, Australien, Nigeria, der Türkei. Von Montag bis Samstag standen sie jeden Morgen in fensterlosen Küchen und leeren Hörsälen und rackerten sich ab. Sie verließ ihr Haus um kurz vor sieben Uhr morgens. Oft war es schon fast Mitternacht, wenn sie sich wieder auf ihr Bett fallen lassen konnte. Am ersten Tag bekamen sie einen Koffer voller eigener Messer geschenkt. „Es gab kaum einen Tag, an dem keiner ins Krankenhaus gefahren werden musste, weil er sich geschnitten hatte. Die Lehrer waren streng und ungeduldig. Und ich – ich habe es geliebt“, erinnert sie sich.
Nachdem Lugert den Kurs abgeschlossen hatte, bewarb sie sich beim neuen Restaurant des Celebrity-Kochs Gordon Ramsey. Er ist bekannt für Serien wie „Hell’s Kitchen“und „Kitchen Nightmares“, bei denen er die Kandidaten gerne zur Schnecke macht. Der Anfang fiel ihr schwer. Gleich an ihrem Probetag wirft sie aus Versehen Wasser in die heiße Fritteuse und sorgt für eine Riesensauerei. Genommen wird sie trotzdem und arbeitet neun Monate lang als „Commie“, der unterste Rang der Küchenhierarchie. Keiner wollte mit ihr sprechen. Während der Arbeit gab es stundenlang nichts zu essen und zu trinken. Trotzdem hielt sie durch. „Ich dachte zurück an mein altes Leben als Journalistin. An meine Zeit auf Bali. Dort bin ich mit Affen, giftigen Fröschen, Skorpionen und Schlangen fertig geworden. Da werde ich diese Küche auch überleben“, erzählt sie.
Sie machte also weiter. Bald schon folgte das nächste Erlebnis: Gordon Ramsey hielt einen Wettbewerb unter allen seinen Commies ab. Sofort war ihr klar: „Den muss ich gewinnen.“Tag und Nacht blieb sie wach, dachte sich Gerichte aus. Und übte pochierte Eier. Denn im Halbfinale mussten sie das „perfekte pochierte Ei“präsentieren. „Als ich das gelesen habe, wurde mir schlecht. Pochierte Eier sind Russisches Roulette“, sagt Lugert. „Entweder werden sie super oder schrecklich.“Also übte sie – und qualifizierte sich tatsächlich für das Finale des Wettbewerbs.
Wie es weitergeht, kann man in „Die Irren mit dem Messer“, erschienen im Knaur Verlag, lesen. Verkauft wird es auch in der Wertinger Buchhandlung Gerblinger.