Wertinger Zeitung

Was für eine Geschichte!

Porträt Das Leben des Bryon Widner ist wie aus einem Film – und ist nun tatsächlic­h auch zum Film geworden. Er handelt von Hass und Liebe und geht doppelt unter die Haut

- Wolfgang Schütz

Die Bilder gingen damals um die Welt: Zu sehen ein Mann, dessen Gesicht zuerst stark tätowiert und am Ende komplett gereinigt war. Eine Auslöschun­g, eine Rückverwan­dlung, die sich über eineinhalb Jahre hinzog und 25 äußerst schmerzhaf­te Behandlung­en erforderte. Man kann auch das, ab heute nachgestel­lt in einem KinoFilm, der darum auch schlicht den Namen „Skin“trägt: Haut. Die Geschichte dahinter aber, die eben auch die Geschichte einer doppelten menschlich­en Verwandlun­g ist, sie zeichnet sich zwar auf bestürzend­e Art auf dieser Oberfläche ab – geht aber noch viel tiefer: unter die Haut, zu Herzen, ins Hirn. Vielleicht gerade derzeit wieder.

Bryon Widner heißt der Mann, geboren im Mittleren Westen der USA, Sohn einer durch den Alkohol völlig zerrüttete­n Familie. Mit 14 wurde er zum Skinhead, offen rechtsradi­kal, mit 16 schloss er sich Bewegungen an, die nicht nur mit Worten für „White Power“und „White Supremacy“stehen: Macht und Vorherrsch­aft den Weißen! Bryon bekam auch den Spitznamen Pit Bull, ein Kämpfer, und gründete dann den „Vinlanders Social Club“in Indiana mit, der sich schnell einen Namen machte, weil er besonders brutal agierte – und darum besonders hohen Zulauf unter Rassisten hatte. Und außer klassische­n SzeneSloga­ns wie „Blood & Honour“sammelte Bryon Widner auch Erinnerung­en an seine und überhaupt die Taten der „Viking“-Bewegung, chiffriert unter die Haut gestochen. Das Signal: Unauslösch­liche Treue!

Nur war das dann eben nicht so. Und Auslöser der Entfremdun­g vom Hass war: die Liebe. Widner lernte eine Frau namens Julie LarAber sen kennen, die bereits drei Kinder aus einer vorherigen Ehe hatte. Und die zähmte offenbar den Pitbull. 2005 heirateten die beiden, 2006 bekamen sie einen gemeinsame­n Sohn – und Bryon Widner wollte nur noch raus aus dem Rassisten-Klub. Was bekanntlic­h nicht so einfach ist unter den sektenähnl­ich verschwore­nen Ober-Radikalen. Und nicht nur, wenn man die Ideologie des Hasses ins Gesicht tätowiert hat. Todesdrohu­ngen, Verfolgung­en …

Widner stand das durch – und seine Frau Julie fand auch jemanden, der half, ihren Bryon von den Tätowierun­gen zu reinigen, die er nur noch loshaben wollte, weil sie ja nicht nur die Zugehörigk­eit, sondern die Erinnerung an viele Untaten festhielte­n: einen schwarzen Aktivisten und eine Organisati­on für Bürgerrech­te und Toleranz. Eine anonyme Spende brachte die 35000 Dollar für die Behandlung auf. Und ein neues Leben war möglich…

Was für eine Geschichte: Der Hass wurde ausradiert. „Erasing Hate“hieß 2011 bereits ein 20-minütiger Dokumentat­ionsfilm, der mit Bryon Widner davon erzählt. Und jetzt gibt’s das im Kino-Format. Es ist vielleicht genau die richtige Zeit dafür.

» Mehr zu „Skin“und weiteren aktuellen Filmstars lesen Sie auf der Kino-Seite.

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